Kreditvergabe: Zwei Wege zu frischem Kapital

Zugehörige Themenseiten:
Fördermittel

Ein Fünftel aller Handwerker hat beim Kreditzugang große Probleme, bei Kleinbetrieben jeder zweite. Stille Beteiligungen und ­Gelder aus dem Mikromezzaninfonds Deutschland schaffen jetzt Abhilfe.

  • Bild 1 von 4
    © Christian Mader
    „Durch die stille Beteiligung der MBG ­gelangen Übernahme und Modernisierung in ­einem Zug.“ Bernd Röck, ­Betriebsinhaber einer Schreinerei in Ofters-heim, ging bei der ­Finanzierung einer Unternehmensüber­nahme strategisch vor.
  • Bild 2 von 4
    © Karch
    „Stille Beteiligungen zu erhalten ist nicht so aufwändig wie vermutet.“ Barbara Krach, ­ Bayerische Beteiligungsgesellschaft BayBG in München.
  • Bild 3 von 4
    © Thomas Moeller
    „Über Mikromezzanin haben wir 148 Betriebe mit fünf Millionen Euro versorgt.“ Guy Selbherr, Vorstandsmitglied der Bürgschaftsbank in Stuttgart.
  • Bild 4 von 4
    © Christian Mader
    „Das Geld aus dem Mikromezzaninfonds Deutschland verschaffte uns finanziell Luft nach oben.“ Daniel Zschegel, ­Unternehmer und Elek-trotechniker baut seinen Betrieb in Untereisesheim kontinuierlich aus.

Bernd Röck war gerade 27 Jahre alt, als er von heute auf morgen die volle Verantwortung für einen kleinen Handwerksbetrieb übernahm. Sein Vater, der das 1933 vom Urgroßvater gegründete Traditionsunternehmen vom eigenen Vater übernommen hatte, war 2011 unerwartet gestorben.

Vier Mitarbeiter hatte die Schreinerei Ruchti in Oftersheim damals, aber der Jungunternehmer merkte schnell, dass es so nicht weitergehen konnte. „Irgendwie lief der Betrieb immer so, dass es zum Leben nicht reichte, aber zum Sterben zu viel war.“

Kreditzugang nicht immer einfach

Röck entwickelte dann eine neue Geschäftsidee: Spezialisierung auf industrielle Kunden. Dazu brauchte er aber nicht nur deutlich mehr Mitarbeiter, sondern auch neuere Maschinen. Zudem musste er sich nach ISO zertifizieren lassen. Den ersten Teil der Expansion konnte er mit eigenem Kapital und Sparkassenkrediten finanzieren. Aber dann entschloss er sich Anfang 2015, einen Zulieferer für Schreinereien mit 50 Mitarbeitern zu übernehmen. Damit stieg der Kreditbedarf noch einmal deutlich. Doch die Verhandlungen mit der Bank kamen ins Stocken. Eine schwierige Situation für den Jungunternehmer.

Bernd Röck ist kein Einzelfall: Wie eine Auswertung des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH) von Daten der aktuellen KfW-Verbändeumfrage zeigt, klagen im Handwerk etwa 20 Prozent der Betriebe über große Probleme bei der Kreditaufnahme. Und besonders schlecht ist die Lage für Kleinbetriebe mit einem Umsatz unter 100 000 Euro im Jahr. Hier stellt mehr als die Hälfte der Unternehmen die Lage an der Finanzierungsfront als schwierig dar. 48,7 Prozent haben sogar Probleme, überhaupt einen Kredit zu erhalten, selbst zu ungünstigen Konditionen.

Röck hatte Glück. Er stieß auf einen Bankberater, der einen Lösungsvorschlag in petto hatte und ihm vorschlug, die MBG, Mittelständische Beteiligungsgesellschaft Baden-Württemberg, ins Boot zu holen. Die stieg mit einer stillen Beteiligung über 250 000 Euro ein und rettete die notwendige Übernahme für den Betrieb.

Handwerker finanzieren konservativ

Das klingt einfach – und ist es letztlich auch, wie Finanzprofis bestätigen. Dennoch ist Röcks Finanzierungsmodell im Handwerk nach wie vor eher die Ausnahme. Zwar beobachtet die Fachwelt seit ein paar Jahren durchaus einen Anstieg alternativer Finanzierungen. Doch längst nicht alle Betriebsinhaber zeigen sich so offen wie Röck. Trotz vorhandener Nöte. „Von einem Run auf stille Beteiligungen kann man sicher nicht sprechen“, wie Guy Selbherr, Vorstandsmitglied der Bürgschaftsbank Baden-Württemberg in Stuttgart und gleichzeitig Vorsitzender des Verbands Deutscher Bürgschaftsbanken (VDB), betont.

Eine Einschätzung, die auch Franco Ottavio Mathias teilt, Geschäftsführer der HCM Handwerk Capital Management LTd & Co. KG, einer bundesweit tätigen Beteiligungsgesellschaft, die sich auf die Herausforderungen von Handwerksbetrieben spezialisiert hat. Das Problem: Ist von Beteiligungen die Rede, sehen viele Betriebsinhaber zunächst die Nachteile. Ein Nachteil sind sicher die deutlich höheren Zinsen oder wie es im Bankendeutsch korrekt heißt: zinsähnliche Beteiligungsentgelte.

Ein Punkt, der auf den ersten Blick richtig ist. Ganz gleich, um welche Beteiligungsform es geht: Um die Ausgabe von Genussscheinen, die sich vor allem für große Betriebe eignet. Um typische oder atypische stille Beteiligungen. Oder um Beteiligungen aus dem Mikromezzaninfonds Deutschland. Während die Kreditzinsen derzeit deutlich unter drei Prozent liegen, bewegen sich die Kosten für Beteiligungen oft im zweistelligen Bereich oder nur leicht darunter (siehe dazu Kasten Seite 57). Der Kostenaspektspielt derzeit eine noch größere Rolle als in den Vorjahren, wie Barbara Karch von der Bayerischen Beteiligungsgesellschaft BayBG in München erläutert. Ist im Bankgespräch von Kosten um die acht bis zwölf Prozent die Rede, fühlen sich viele Betriebsinhaber zunächst in die Ecke gedrängt.

Wichtige Bausteine der Finanzierung

Nur die Kosten zu betrachten, reicht nicht aus, wie Beteiligungsexpertin Karch betont. Alternative Finanzierungen stellen immer einen Teil der Gesamtfinanzierung dar: Sie sind oft der entscheidende Baustein. Denn anders als bei normalen Krediten wird das Kapital dem Eigenkapital zugerechnet und verbessert so das Rating des Betriebs als auch den Kreditzugang (siehe dazu Kasten unten).

Auch dies zeigt die eingangs zitierte ZDH-Auswertung. Ablehnungen erfolgen, wenn das Rating nicht passt, konkret: die Eigenkapitalquote zu niedrig ist. Wird das Eigenkapital aufgestockt, verbessert sich das Rating – und damit werden Kredite wieder möglich, wie es auch Jungunternehmer Röck erlebte. Die 250 000 Euro von der MBG waren die Grundlage für weitere Darlehen und ermöglichten am Ende Investitionen von mehreren Millionen. Inzwischen zählt die Ruchti GmbH die Top-Ten der Lebensmittelbranche zu ihren Kunden.

Doch nicht nur die Kreditvergabe der Banken oder Leasinggeber wird mit einer höheren Eigenkapitalquote besser, wie noch einmal Finanzierungsexpertin Karch erklärt. In der Regel bekommen die Betriebe auch günstigere Zinsen für ihre Kredite und auch die Konditionen für Leasing oder Factoring verbessern sich.

Eigenkapitalquote verbessern

Um als solide aufgestellt zu gelten, sollte ein Betrieb eine Eigenkapitalquote von mindestens 20 Prozent aufweisen, besser sind 30 Prozent, manche Experten empfehlen sogar 50 Prozent. Doch selbst von 20 Prozent sind viele Handwerksbetriebe weit entfernt, wie nicht nur Investor Mathias weiß. Jahrzehntelang, so der Experte, stand im Handwerk bei betriebswirtschaftlichen Entscheidungen vor allem der Aspekt des Steuersparens im Vordergrund. Gewinne wurden entnommen, Ausgaben fremdfinanziert. Immer noch, berichtet Mathias, habe er mit Betrieben zu tun, deren Eigenkapital fünf Prozent der Bilanzsumme beträgt und die ihr eingezahltes Eigenkapital trotz Wachstum nie aufgestockt haben.

Hier sind stille Beteiligungen optimale Teil-lösungen. Finanziert werden können Betriebe jeder Branche und Größe. Nur Sanierungsfälle und Unternehmen in wirtschaftlichen Schwierigkeiten sind ausgeschlossen.

Wobei sich je nach Größe des Betriebes, Wachstumsdynamik sowie Investitionsanlass und -bedarf verschiedene Formen anbieten. Entsprechend wichtig ist eine gute und umfassende Beratung, so noch einmal Selbherr von der MBG in Stuttgart. Er betont: „Eine Beteiligung muss für den Betrieb passen.“

Beteiligungen als Krisenpuffer

Anlässe können dabei wie bei der Ruchti GmbH Erweiterungen oder Übernahmen sein, aber auch die Regelung von Unternehmensnachfolgen, insbesondere, wenn keine Lösung in der Familie möglich ist und ein möglicher Nachfolger den Kaufpreis finanzieren muss.

Darüber hinaus empfiehlt Selbherr stille Beteiligungen auch vorbeugend als Krisenpuffer zu sehen. „Wenn die Umsätze stark sind und das Unternehmen eine gute Ertragssituation aufweist, ist es leichter, eigenkapitalähnliche Mittel zu bekommen.“

Und Beteiligungsexpertin Karch aus München fügt noch einen weiteren Anlass hinzu: Beteiligungen dienen als Grundstock, um bei großen Aufträgen ad hoc Material vorfinanzieren zu können – entweder direkt aus dem Eigenkapital oder mit dadurch möglichen und vor allem günstigen Krediten.

Aus diesem Grund hat sich auch Handwerksunternehmer Daniel Zschegel für eine spezielle Beteiligungsvariante entschieden. Der Elektrotechniker machte sich 2007 selbständig, zunächst im Nebengewerbe. Zwei Jahre später folgte dann der Volleinstieg in die selbständigkeit Tätigkeit. Seitdem wuchs das kleine Unternehmen langsam, aber stetig und beschäftigt heute sechs Mitarbeiter.

Eine Entwicklung, die für den Inhaber Daniel Zschegel auch unangenehme Folgen nach sich zog, mit denen er anfangs nicht gerechnet hatte. Sein Existenzgründungskredit deckte zwar die Erstausstattung und sein eigenes Firmenfahrzeug ab, weitere Fahrzeuge für Mitarbeiter waren aber in seinem Gründungskredit nicht mehr vorgesehen.

Zweimal konnte Zschegel nachfinanzieren, trotzdem wurde es für den Handwerksbetrieb finanziell immer wieder eng, wenn es darum ging, Material für Projekte vorzustrecken. Erst 30 000 Euro aus dem Mikromezzaninfonds Deutschland schlossen 2014 die Lücke – und verschafften dem Jungunternehmer sogar finanziell Luft nach oben. Kommen jetzt noch mehr Aufträge, reicht die Eigenkapitaldecke auch für weitere Kredite. „Das ist einfach ein gutes Gefühl“, wie Zschegel betont.

Dass Kapital aus dem Mikromezzaninfonds Deutschland zunehmend für Existenzgründer und kleinere Unternehmen attraktiv wird, bestätigt auch der Stuttgarter Bürgschaftsbankvorstand Selbherr: „Seit dem Start des Mikromezzaninfonds Deutschland konnte die MBG Baden-Württemberg 148 Unternehmen ein Beteiligungsvolumen von knapp fünf Millionen Euro zur Verfügung stellen.“