Kein Vorschuss fürs Finanzamt

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Steuerreform | Die meisten Handwerksbetriebe brauchen die Umsatzsteuer erst nach Geldeingang zu überweisen. Sozialabgaben sind besser absetzbar. So profitieren Sie und Ihre Mitarbeiter davon.

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Kein Vorschuss fürs Finanzamt

11,67 Milliarden Euro stecken Bund, Länder und Gemeinden in das letzte große Steuergeschenk vor der Bundestagswahl im September. In Zeiten schwindelerregender Staatsbürgschaften und Finanzspritzen klingt dies nach wenig. Doch sowohl klein- und mittelständische Betriebe als auch alle gesetzlich und privat Krankenversicherten werden besonders davon profitieren. Die Reform, vom Finanzausschuss des Bundestages nach zähem Ringen abgesegnet und von Bundestag sowie voraussichtlich auch vom Bundesrat beschlossen (letzteres stand bei Redaktionsschluss noch nicht fest), soll schrittweise und rückwirkend bereits ab1. Juli 2009 in Kraft treten.

Den Löwenanteil der Änderungen sieht das in der Kurzform „Bürgerentlastungsgesetz“ genannte Paragrafenwerk für die volle Anrechnung der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung bei der Einkommensteuer vor. Durch die Reform sparen die Versicherten insgesamt etwa 9,3 Milliarden Euro Steuern. Durch der Neuregelung werden insbesondere diejenigen Steuerpflichtigen stärker entlastet, die hohe Beiträge für eine Basiskranken- und Pflegepflichtversicherung zahlen müssen, das sind immerhin 57 Prozent der Steuerpflichtigen.

Der größte Hit für Betriebe liegt in der Istversteuerung. Mit ihr brauchen Firmen bis zu 500000 Euro in Rechnung gestellte Umsatzsteuer erst dann ans Finanzamt abzuführen, wenn die Kunden bezahlt haben in Zeiten schlechter Zahlungsmoral und krisenbedingt klammer Kassen eine hilfreiche Liquiditätsspritze. „Drei Viertel aller Handwerksbetriebe“, so Matthias Lefarth, Abteilungsleiter Steuer- und Finanzpolitik beim ZDH in Berlin, „profitieren davon“, 750000 also insgesamt. Dieser Part ist im Bürgerentlastungsgesetz mit knapp zwei Milliarden Euro dabei.

„Die Bundesregierung legt mit dieser Maßnahme ein überzeugendes Bekenntnis zum Handwerk ab“, freut sich ZDH-Präsident Otto Kentzler. Und träufelt dann noch etwas Balsam auf die Seele der kleineren Betriebe: „Die Regelung zeigt, dass bei aller berechtigten Sorge um den Bestand von Großunternehmen Millionen Mittelständler nicht vergessen werden“.

Wie stark sich bei diesen die einzelnen Punkte der Reform konkret auswirken werden, hängt von der jeweiligen Firma ab. Doch nicht nur den Betrieben selbst, sondern auch Unternehmern, ihren Familienangehörigen und Mitarbeitern bleibt künftig nach Steuern mehr Geld übrig. Das soll ihnen in der Wirtschaftskrise helfen.


Vorteile für Betriebe


So können etwa GmbHs ihre Verluste besser absetzen. Bisher galt: Werden in einer Kapitalgesellschaft innerhalb von fünf Jahren mehr als 25 Prozent der Anteile übertragen, können bis dahin aufgelaufene Verluste nicht mehr voll mit künftigen Gewinnen verrechnet werden. Diese mit der Unternehmensteuerreform eingeführte Regel wird angesichts der Wirtschaftskrise rückwirkend für 2008 und für 2009 ausgesetzt, das heißt sie wird in diesen beiden Jahren zugunsten der GmbHs nicht angewandt.

Hierfür ist im Körperschaftsteuergesetz eine Sanierungsklausel eingebaut worden: Mit ihr bleiben die Verlustvorträge erhalten, wenn in den nächsten fünf Jahren nach dem Beteiligungswechsel die jährliche durchschnittliche Lohnsumme 80 Prozent der Ausgangslohnsumme nicht unterschreitet. Bei der Berechnung hierfür orientiert sich das Gesetz an der Erbschaftsteuer, wo bei der Betriebsnachfolge ebenfalls an die Lohnsumme angeknüpft wird (siehe hm 12/2008).

Der Arbeitsplatzabbau ist aber in der Krise oft nicht vermeidbar. Deshalb enthält das Gesetz, ähnlich wie in Tarifverträgen, eine Art Öffnungsklausel: Trifft der Betrieb mit seinen Arbeitnehmern eine Betriebsvereinbarung über die Sanierung und den Arbeitsplatzabbau, dann ist der Verlustabzug weiterhin möglich.

Zusätzlich ist erforderlich, dass der oder die neuen Gesellschafter Eigenkapital zuschießen: 15 Prozent des bisherigen Betriebsvermögens bei voller Übernahme. Bei weniger großen Anteilen verringert sich der Betrag prozentual. Werden etwa 60 Prozent der Anteile gekauft, muss der neue Investor anteilig 60 Prozent von 15 Prozent, also neun Prozent des bisherigen Betriebsvermögens als Finanzspritze mitbringen, um den neuen Steuervorteil nutzen zu können.

Alternativ zur Finanzspritze kann ein neuer Gesellschafter, der bisher Gläubiger der GmbH war, auf seine Forderung oder einen Teil davon verzichten. Das wird im Bürgerentlastungsgesetz dem frisch investierten Eigenkapital gleichgestellt. Vorteil: Dadurch werden auch Fälle begünstigt, bei denen bisherige Fremdkapitalgeber ihr ausgeliehenes Geld in Eigenkapital umwandeln. Hierfür müssen die Forderungen werthaltig sein, also an sich realistisch eingetrieben werden können.

Die genaue Berechnung solcher Investitionen macht der Steuerexperte. Die meisten Handwerksbetriebe arbeiten bei allen Fragen rund um Betriebsführung und Abgaben eng mit ihrem Steuerberater zusammen. Und stöhnen oft über dessen Honorar. Als günstige Alterenative bieten sich hier Buchführungs- und Steuerberatungsstellen von Vereinen, also auch von Fachverbänden des Handwerks an.

Deren Bestand wird mit dem Bürgerentlastungsgesetz gesichert. Das wurde notwendig, weil nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs die Existenz dieser Beratungsstellen gefährdet gewesen wäre. Davon profitieren die Betriebe, die sich dort Rat und Hilfe einholen ganz direkt: Um bis zu 50 Prozent niedriger ist das Honorar dieser Berater.

Mitarbeiter profitieren

Arbeitnehmer und andere Sozialversicherte sind die Hauptgewinner der Steuerreform. Diesmal hilft ihnen weder eine Steuersenkung noch die Renaissance der Pendlerpauschale, sondern der höhere Abzug von Sonderausgaben in ihrer Einkommensteuererklärung.

Hintergrund: Der Arbeitgeber ist verpflichtet, seinen Mitarbeitern Zuschüsse zur Renten-, gesetzlichen und privaten Kranken-, Pflege- sowie zur Arbeitslosenversicherung zu geben. Der Arbeitgeberanteil ist steuerfrei. Deshalb kann der Mitarbeiter diesen Teil der Vorsorgeaufwendungen nicht als Sonderausgaben geltend machen. Um Mehrbelastungen beim Lohnsteuerabzug gegenüber 2009 zu vermindern, wird die Mindestvorsorgepauschale im Lohnsteuerabzugsverfahren von bisher elf auf zwölf Prozent erhöht.

Fördert der Chef den Vermögensaufbau seiner Mitarbeiter durch einen Zuschuss für vermögenswirksame Leistungen, etwa in in Form eines Sparvertrags, dann hilft auch hier ein Punkt im Bürgerentlastungsgesetz: Die staatliche Zulage für vermögenswirksame Leistungen musste bisher innerhalb von zwei Jahren seit dem Sparjahr beantragt werden, damit sie nicht verfällt. Diese Frist wird rückwirkend für vermögenswirksame Leistungen ab dem Jahr 2007 aufgehoben, die Prämie für einen längeren Zeitraum gesichert. Die Neuregelung gilt auch in Fällen, in denen bis zum Tag der Verkündung des Bürgerentlastungsgesetzes (Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt) noch nicht über einen Einspruch zum Steuerbescheid bestandskräftig entschieden ist. Am Tag nach der Verkündung treten die Änderungen in Kraft.

Vorsorgekosten abziehen

Bisher gilt: Die Beiträge zur Kranken- und Pflegevollversicherung werden über einen längeren Zeitraum schrittweise im vollen Umfang bei den Sonderausgaben in der Einkommensteuer abzugsfähig.

Dabei unterscheidet die Reform steuerlich zwischen den Aufwendungen für eine Basisversorgung im Alter und den sonstigen Vorsorgeaufwendungen. Zu Letzteren zählen vor allem Beiträge zur Kranken-, Pflege-, Unfall-, Haftpflicht-, Arbeitslosen- und Kapitallebensversicherungen.

Die Beiträge zum Aufbau einer Basisversorgung im Alter sind grundsätzlich als Sonderausgaben abziehbar. Hierzu gehören insbesondere Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung sowie zur berufsständischen Versorgung (Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteil). 2025 können die innerhalb des Höchstbetrages geleisteten Beträge voll als Sonderausgaben abgezogen werden. Bis 2025 werden sie schrittweise ansteigend berücksichtigt. 2009 sind 68 Prozent, im Jahr 2010 bereits 70 Prozent der entsprechenden Beträge anzusetzen.

Für die sonstigen Vorsorgeaufwendungen (einschließlich der Beiträge für die Kranken- und Pflegeversicherung) beträgt der abziehbare Höchstbetrag 1500 Euro für Steuerpflichtige, die vom Arbeitgeber einen steuerfreien Zuschuss zu ihrer Krankenversicherung erhalten oder über einen Anspruch auf Beihilfe zu ihren Krankheitskosten verfügen. Versicherte, die ihre Krankenversicherung alleine tragen müssen, können zurzeit bis zu 2400 Euro jährlich geltend machen. Bei zusammen zur Einkommensteuer veranlagten Ehegatten wird das Abzugsvolumen unter den entsprechenden Voraussetzungen jedem gesondert gewährt.

Beiträge voll absetzbar

Mit dem Bürgerentlastungsgesetz wird diese lange Zeitachse verkürzt: Bereits ab Anfang 2010 können alle Beiträge für die Kranken- und Pflegeversicherung von der Steuer abgesetzt werden, soweit damit eine Absicherung auf Basis der gesetzlichen Kranken- und der sozialen Pflege-Pflichtversicherung erreicht wird.

Der Vorteil: Alle gesetzlich und privat Kranken- und Pflege-Pflichtversicherten werden dann steuerlich gleich behandelt. Das gilt auch für die Ehepartner und mitversicherten Kinder. Bisher sind Beiträge für eine Kranken- und Pflegeversicherung nur in eingeschränktem Umfang steuerlich abziehbar.

Die Neufassung geht zurück auf einen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 13. Februar 2008, in dem das Gericht die beschränkte steuerliche Berücksichtigung von Beiträgen zu einer privaten Basiskranken- und Pflegepflichtversicherung als unvereinbar mit dem Grundgesetz angesehen hat.

Bei den privat Krankenversicherten werden die Beiträge jedoch nur insoweit als Sonderausgaben voll anerkannt, wie Versicherungsschutz dem der gesetzlichen Krankenversicherung entspricht (Basis-Krankenversicherung). Beiträge für eine darüber hinausgehende Versorgung, wie etwa Chefarztbehandlung, Einbettzimmer sowie zur Finanzierung eines Krankengeldes gehören nicht dazu. Diese Mehrleistungen sofern sie mitversichert sind sind aus dem steuerlich abziehbaren Beitrag herauszurechnen.

Damit beim Sonderausgabenabzug niemand benachteiligt wird, gibt es eine Prüfpflicht des Finanzamts: Mit der sogenannten Günstigerprüfung wird das Abzugsvolumen nach dem bis Ende 2004 geltenden Recht mit dem Abzugsvolumen nach heutigem Recht verglichen. Das Finanzamt muss dann in der Veranlagung zur Einkommensteuer automatisch die Variante mit dem höheren Sonderausgabenabzug und der größeren Steuerersparnis zugrunde legen.

Auch die absolute Höhe der „sonstigen Vorsorgeaufwendungen“ innerhalb der Sonderausgaben in der Einkommensteuererklärung wird erhöht. Bisher lag diese für Ledige bei 1500 Euro, jetzt sind es 1900 Euro. Bei Verheirateten wird der Höchstbetrag von 2400 auf 2800 Euro jährlich angehoben.

In der Praxis bedeutet dies, dass die Beiträge zur gesetzlichen und zur privaten Krankenversicherung, die mehr als den Basisschutz abdecken und über diese Höchstbeträge hinausgehen, voll steuerlich abzugsfähig sind. „Damit wird einer Forderung des Handwerks entsprochen, da es gerade dessen Unternehmer sind, bei denen Beiträge für eine Berufsunfähigkeitsversicherung überdurchschnittlich zu Buche schlagen“, sagt Matthias Lefarth vom ZDH.

Schließlich sind künftig auch die Beiträge für einen mitversicherten eingetragenen (gleichgeschlechtlichen) Lebenspartner steuerlich absetzbar. Dies gilt entsprechend, wenn der Hauptversicherte seinem eingetragenen Lebenspartner Unterhalt dafür zahlt, dass dieser seine Krankenversicherung finanzieren kann.

Das Bürgerentlastungsgesetz sollte Anfang Juli, wenn diese Ausgabe von handwerk magazin gerade erschienen ist, auch vom Bundesrat durchgewunken sein. Nach der Unterschrift durch den Bundespräsidenten tritt es dann, bezüglich der Istversteuerung rückwirkend, zum 1. Juli in Kraft.

Kleinere Handwerksbetriebe können dann sofort gegen die Wirtschaftskrise steuern und Liquiditätsvorteile nutzen, Investoren in GmbHs einsteigen. Bis die Entlastung bei den Sonderausgaben greift, ist die Bundestagswahl gelaufen. Mit Steuergeschenken dürfte dann vorerst nicht zu rechnen sein. -

harald.klein@handwerk-magazin.de