Mtarbeiterführung Jahresgespräch in Zeiten von Corona: Reden Sie – jetzt!

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Abgesehen von den Hygieneregeln lief die Arbeit wie immer und Sie sehen als Chef keinen Redebedarf? Dann unterschätzen Sie gründlich, wie das Virus auch das Privatleben der Mitarbeiter beeinflusst. Ist nicht Ihr Thema und mit Maske zu umständlich? Wie das Feedbackgespräch auch unter Pandemiebedingungen gelingt.

Fritz Epple
Fritz Epple, Inhaber von Epple Elektrotechnik in Wald (Ostallgäu): "Wir haben dieses Jahr schnell gemerkt, dass wir viel mehr miteinander reden müssen." - © Micha Wolfson

Fritz Epple bringt am liebsten alle gemeinsam an einen Tisch. Jede Woche einmal trifft sich der Elektro- und SHK-Meister mit seinem 35-köpfigen Team zum Frühstück – gleich morgens früh, pünktlich um sieben, sitzen dann alle zusammen am Tisch und reden bei Kaffee und Brötchen über Gott und die Welt, über Kunden und Baustellen, Ärgernisse und Erfolge. Etwa nach einer halben Stunde halten dann Epple selbst oder einer der Gebäudetechniker, Heiz- und Klimafachkräfte, Elektrotechniker und Solarbauer einen kurzen Vortrag über ein Fachthema. Eine prima Sache, findet Epple, Chef des auf Energie- und Gebäudetechnik spezialisierten Unternehmens im Ostallgäu: Die wöchentliche Team-Runde ist für ihn Beziehungspflege, Weiterbildung und Lagebesprechung in einem. „Wir machen außerdem gemeinsam Firmensport, im Sommer gibt es Grillfeiern und Betriebsausflüge“, erzählt Epple. Dieses Jahr ging all das aber leider nicht. „Und da haben wir auch schon nach ein paar Wochen gemerkt: etwas fehlt. Wir müssen wieder viel mehr miteinander reden.“

Den Frust von der Seele reden

Wie Epple und sein Team stellen gerade viele Handwerker fest: In einem Jahr, in dem alle Abstand halten, möglichst nur in festen Kleingruppen unterwegs sind oder im Homeoffice arbeiten, kommt die Kommunikation im Unternehmen oft zu kurz. Gleichzeitig gibt es aber mehr zu besprechen denn je: Viele Mitarbeiter haben im Privaten Sorgen und Probleme, die sie lösen müssen. Gewohnte Abläufe und Routinen sind durcheinander geraten. Mitarbeiter und Führungskräfte mussten ihre Pläne und Ziele neu justieren, flexibel sein. Und kein Chef war wohl wirklich darauf vorbereitet, Teams unter Pandemie-Bedingungen zu leiten – da lief nicht immer alles rund.

In diesen Zeiten ein Unternehmen zu führen ist ein großes Experiment. Und egal, wie sehr sich alle bemühen: In vielen Unternehmen haben sich dabei über die Monate auch Frust und offene Fragen aufgestaut. Eine aktuelle Studie des Marktforschungsinstituts Appinio zeigt: Drei Viertel der Angestellten wünschen sich gerade jetzt mehr Gesprächstermine mit ihren Chefs. Sie wollen mehr Feedback und häufigeren Austausch – entweder in Form des klassischen Jahresgespräches oder, noch lieber, durch regelmäßige Gesprächstermine in kürzerem Takt. In vielen Unternehmen sind solche Feedback-Runden aber noch nicht etabliert. So ergab eine Umfrage des Personaldienstleisters Randstad 2019, dass in einem Drittel der deutschen Unternehmen gar keine Feedback-Gespräche geführt werden; in einem weiteren Drittel gibt es sie nur einmal im Jahr. Für manche Unternehmer gelten Mitarbeitergespräche nur als „ein weiterer lästiger Pflichttermin“, weiß Norbert Rohleder, Professor für Human Resource Management und soziale Interaktion an der Hochschule Mainz. Im besten Fall erfahren Chefs bei diesen Gesprächen aber viel über die Stimmung im Team, die Arbeitsbedingungen und die Zufriedenheit und Motivation ihrer Mitarbeiter. Und: „In einem turbulenten Jahr wie diesem zeigt sich besonders, wie wichtig persönliche Gespräche für einen echten Dialog zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern sind.“

Nachrichten an alle reichen nicht

Unternehmer Fritz Epple hatte klassische Mitarbeitergespräche unter vier Augen bislang nur mit einem kleinen Teil seiner Angestellten regelmäßig geführt. „Mit unseren Monteuren in der Weiterbildung und mit den Azubis führen wir schon seit rund zehn Jahren einmal im Jahr klar strukturierte Entwicklungsgespräche“, berichtet er. „Da spricht man dann darüber, wie es mit der Ausbildung läuft oder mit der Meisterschule, welche Fortbildungen anstehen und wie es weitergeht im nächsten Jahr.“ Im Corona-Jahr hat Epple festgestellt, dass auch der Rest der Belegschaft solche persönlichen Gespräche sehr zu schätzen weiß, in denen es um ihre individuelle Situation geht. „Gemeinsam mit meinem Führungskreis habe ich daher in den letzten Monaten versucht, gezielt auch mit den anderen Mitarbeitern ins Gespräch zu kommen.“ Das war zwar viel Arbeit, „aber wir haben gemerkt, dass es nicht ausreicht, Videobotschaften oder Nachrichten an alle zu schicken.“

Es stellte sich heraus: Viele Mitarbeiter hatten im persönlichen Gespräch viel weniger Hemmungen, kritische Themen anzusprechen, als in den wöchentlichen Team-Runden. „Unter vier Augen zu reden ist eben doch etwas anderes, als wenn über 30 Leute zuhören“, hat Epple festgestellt. Jeden Morgen machen Epple und seine Führungskräfte daher jetzt zu früher Stunde Runden im Lager und der Werkstatt, um mit einzelnen Mitarbeitern ins Gespräch zu kommen, bevor diese auf die Baustellen verschwinden. „Ich habe unseren Leuten gesagt: Ich geh in der Früh durch, jeden Tag. Wenn was ist, sprecht mich an“, erklärt Epple. „Wir stellen uns aber auch da hin und suchen selbst gezielt das Gespräch, fragen wie es geht, was daheim oder im Betrieb grade ansteht.“ Wenn wieder größere Team-Treffen möglich sind, will Epple seine gemeinsamen Frühstücksrunden auf jeden Fall wieder aufnehmen – das Gemeinschaftsgefühl bleibt wichtig. „Aber wir werden zusätzlich sicher auch mehr persönliche Gespräche einplanen.“

Jedes Jahr im Frühjahr, nach dem Frost, ist es auch bei Benedikt Stentrup so weit: Die Mitarbeitergespräche stehen an. „Wir machen das ganz klassisch zum Jahresbeginn, wenn auf den Baustellen noch nicht so viel los ist.“ Dieses Jahr war aber natürlich alles anders, „denn im Frühjahr kam ja der Lockdown“, sagt der Chef des Rohrsanierungstechnik-Betriebs Dommel im nordrhein-westfälischen Hamm. Deshalb fanden die jährlichen Mitarbeitergespräche nun erst im September statt. „Wir haben eigentlich einen speziellen Fragebogen, den wir verwenden: Wo steht der Mitarbeiter, wo will er sich hin entwickeln, was sind seine Ziele fürs nächste Jahr?“, erklärt Stentrup.

Ärger über Regeln und Kollegen

Dieses Jahr allerdings dauerten die Gespräche länger als sonst, und es kamen auch ungewöhnlich viele private Themen auf den Tisch. Der eine machte sich Sorgen um die Mutter im Altenheim, der andere musste seinen privaten Reiterhof schließen, der nächste verstand die neuesten Quarantäne-Regeln der Schule oder des Gesundheitsamtes noch nicht so recht, andere ärgerten sich über junge Kollegen, die am Wochenende ohne Rücksicht auf Corona-Regeln Party machten. „Manchmal bin ich als Arbeitgeber da dieses Jahr schon auch an meine Grenzen gekommen“, sagt Stentrup, der immerhin 95 Mitarbeiter an zwei verschiedenen Standorten hat, um die er sich kümmern muss. „Dann frage ich mich: Mann, muss ich hier denn jetzt wirklich für alles der Ansprechpartner sein?“ Aber klar: „Man merkt einfach, die Leute brauchen viel Orientierung, sie sind verunsichert“, sagt der Unternehmer. „Es war für alle ein sehr anstrengendes Jahr, die Stimmung ist gedrückt. Da geht es in den Jahresgesprächen und auch im alltäglichen Austausch eben nicht nur um Projekte, Fortbildungen oder Gehaltserhöhungen, sondern auch um solche Themen.“

Selten war es für Unternehmer so spürbar, dass sie eine Fürsorgepflicht für ihre Mitarbeiter haben – und wie sehr diese es zu schätzen wissen, wenn ihre Chefs Gesprächsbereitschaft, Interesse und Verantwortungsbewusstsein signalisieren. „Diese Erfahrungen haben uns darin bestärkt, die Mitarbeitergespräche noch systematischer mit noch mehr Mitarbeitern regelmäßig zu führen“, sagt Stentrup. Noch finden die Jahresgespräche nur mit einem ausgewählten Kreis von Mitarbeitern in der Firmenzentrale statt. „Jetzt wollen wir sie aber auch für Poliere und Kolonnenführer an allen Standorten einführen.“

Näher dran sein am Team

Zusätzlich spricht Stentrup nun mit jedem engen Mitarbeiter auf „seiner Etage“ in der Firmenzentrale einmal im Monat persönlich und lässt sich dabei auch Feedback zu seiner eigenen Arbeit geben. „Wir merken, dass es wirklich wichtig ist, nicht nur einmal im Jahr zu sprechen, sondern näher dran zu sein an dem, was die Mitarbeiter beschäftigt.“ Nicht zuletzt auch wegen des Fachkräftemangels: „Wir sind auf Kanalarbeiten spezialisiert, unsere Leute sind bei Wind und Wetter draußen und tragen dabei auch noch orangefarbene Kleidung wie die Müllmänner“, fasst Stentrup zusammen. „Da müssen wir schon etwas dafür tun, dass wir als Arbeitgeber dennoch ein attraktives Image haben und alle zufrieden sind mit ihrer Arbeit.“

Jammern über sinkende Bewerberzahlen und Abwerbeversuche von Konkurrenten hilft nicht weiter. „Seit rund drei Jahren investieren wir daher immer mehr Zeit und Energie, um unsere Unternehmenskultur noch weiter zu verbessern und zu schauen, was unsere Leute brauchen, um zufrieden zu sein.“ Regelmäßige Befragungen und Feedbackrunden sind dabei wichtig, denn „da bekommt man auch mit, wo sich ein Streit hochschaukelt, oder dass es ein nerviges IT-Problem gibt, das viel Zeit kostet“.

Zuhören statt kritisieren

Viele Probleme lassen sich durch gezielte Mitarbeitergespräche schneller lösen, ist Stentrup überzeugt. „Wir stellen allerdings auch fest, dass sich manche Mitarbeiter erst mal erschrecken, wenn man sagt: Komm, wir reden jetzt mal“, sagt er. „Die denken dann: Oh Mann, Termin beim Chef – krieg ich jetzt einen drüber?“ An solchen Reaktionen merke man, dass alte Denkmuster tief sitzen: „Viele kennen Kommunikation halt so, dass der alte Meister morgens erstmal durch die Halle brüllt und alle beim kleinsten Fehler rundmacht.“

Ein Gespräch mit dem Chef kann in einer solchen Denkweise nur Ärger bedeuten. Das lässt sich vermeiden, wenn man regelmäßig feste Gesprächstermine vereinbart und alle wissen, dass es nicht um Kritik im negativen Sinne geht, sondern um einen offenen Dialog. „Das soll ja kein nerviger Pflichttermin sein, sondern alle Beteiligten wirklich weiterbringen.“ Oberste Chef-Pflicht im Mitarbeitergespräch ist dabei nicht, andere zu beurteilen oder zu kritisieren. Sondern vor allem: gut zuzuhören

Gesprächsleitfaden: Zeit nehmen und zuhören

Auch wenn dieses Jahr vieles anders gelaufen ist, als Sie und Ihr Team sich vorgestellt haben, ist es sinnvoll, das Jahr in Einzelgesprächen aufzuarbeiten. Der Leitfaden zeigt, wie das Jahresgespräch im Pandemie-Jahr gelingt.

  • Klare Struktur
    Ein gutes Mitarbeitergespräch muss gut vorbereitet werden – am besten von beiden Seiten. Ein Fragebogen oder Gesprächsleitfaden hilft, die Ziele des Termins nicht aus den Augen zu verlieren und das Gespräch zu strukturieren. Ein typischer Gesprächsverlauf kann so aussehen: Zunächst hat der Mitarbeiter das Wort. Er gibt einen persönlichen Jahresrückblick und bewertet die Zusammenarbeit aus seiner Sicht. Im Anschluss bringt der Chef seine Sichtweise ein: Er gibt ebenfalls einen Rückblick und gibt dem Mitarbeiter Feedback zu dessen Verhalten. Anschließend sprechen beide darüber, wie es weitergehen soll: Welche Wünsche haben beide Seiten für die zukünftige Zusammenarbeit? Auf welche konkreten Ziele soll der Mitarbeiter hinarbeiten?
  • Zeit nehmen
    Es kann dauern, bis Mitarbeiter offen und ehrlich sagen, was Sache ist. Statt möglichst schnell die geplante Agenda abzuhaken, sollten Chefs daher Zeit auch für Gespräche über Persönliches und Smalltalk zum Aufwärmen einplanen. Eine Stunde sollte man sich mindestens Zeit nehmen. Im Coronajahr ist es sinnvoll, zusätzlich einen Puffer einzuplanen – denn der Gesprächsbedarf auch über die klassischen beruflichen Themen hinaus ist bei vielen Mitarbeitern groß.
  • Termin einhalten
    Mitarbeitergespräche sollten zu festen Terminen stattfinden und nur im Notfall verschoben werden. Wenn gerade Lockdown ist oder ein persönliches Gespräch aus anderen Gründen unmöglich, gilt daher: Besser das Mitarbeitergespräch per Videocall oder telefonisch führen, als komplett darauf zu verzichten.
  • Inhalte dokumentieren
    Gesprächsergebnisse sollten schriftlich festgehalten werden. So lässt sich beim nächsten Termin überprüfen, ob es gelungen ist, Probleme zu lösen, oder ob man auf dem Weg zum gemeinsamen Ziel schon weitergekommen ist. Die Notizen zum letzten Feedback-Termin sind zudem gut geeignet, um sich auf das nächste Gespräch vorzubereiten.
  • Feedback-Regeln einhalten
    Niemand wird gerne kritisiert. Gutes Feedback sollte daher immer konkret, konstruktiv, nachvollziehbar, wertschätzend und ohne moralische Bewertung des Mitarbeiters formuliert sein. Wenn ein Gespräch dennoch zu emotional wird oder der Mitarbeiter nur abwehrend auf Kritik reagiert, sollte man lieber einen zweiten Termin machen, um noch einmal über die kritischen Themen zu sprechen – und womöglich einen dritten Gesprächspartner als Vermittler hinzuholen.
  • Dialog statt Monolog
    Nicht nur für die Mitarbeiter ist Feedback zu ihrer Arbeit wichtig. Auch Chefs sollten von ihren Mitarbeitern beim Gesprächstermin aktiv Feedback zu ihrer eigenen Arbeit einfordern. Faustregel: Mehr zuhören als reden.