Im Team die Krise meistern

Motivation | Sie wissen nicht, wo die Aufträge für die nächsten Monate herkommen sollen? Wenn Sie mit Ihren Leuten offen über die Situation reden, haben Sie gute Chancen, die Wende zu schaffen.

Im Team die Krise meistern

Die Wirtschaftskrise erwischte Michael Hofmanns Firma Orga-Druck in einer denkbar ungünstigen Situation. Die auf die Produktion von Endlos- und Durchschreib-Formularen spezialisierte Druckerei hatte schon vorher den Trend zu elektronischen Vorlagen deutlich zu spüren bekommen. „In den letzten zwei Jahren verloren wir so rund ein Drittel unserer Aufträge“, umreißt der Unternehmer aus Riederich bei Reutlingen den Status Quo im Herbst:

„Die Umsätze reichten kaum noch, um kostendeckend zu arbeiten, wir begannen, vom Eingemachten zu leben.“ Der 40-Jährige fühlte sich gleichzeitig „wie ausgebrannt“, konnte sich „kaum noch motivieren und kreativ arbeiten“. Nicht zuletzt, weil er den Eindruck hatte, Einzelkämpfer zu sein. „Meine Mitarbeiter interessieren meine Probleme nicht“, war er sich sicher.

Wie sehr er in diesem Punkte irrte, führte ihm seine frühere Ehefrau vor Augen. Katja Hofmann, seit zehn Jahren selbstständige Marketingberaterin und Personaltrainerin, entdeckte bei den Mitarbeitern eine große Loyalität gegenüber der Firma, die „immer pünktlich Löhne zahlt, viele individuelle Freiräume lässt und für die meisten so etwas ist wie eine zweite Familie“.

Zugleich aber registrierte sie eine gewachsene Unzufriedenheit im Team. Aussagen wie „Uns fragt ja keiner“ seien typisch gewesen, resümiert die 38-Jährige. „Da ist eine riesige aufgestaute Energie“, versicherte sie ihrem Ex-Mann, „aber um sie freizusetzen, musst du deinen Führungsstil ändern!“ Der Druckermeister zweifelte aber anfangs. „Für mich klang das nach einem sehr langwierigem Experiment. Ich aber benötigte schnelle Erfolge“.

Katja Hofmann überzeugte ihn vom Gegenteil. An der unerfreulichen Situation von Orga-Druck sei nicht nur der Markt Schuld, sondern auch die mangelnde interne und externe Kommunikation, ermunterte sie ihn zum sofortigen Handeln: „Krisen sind der beste Zeitpunkt für Veränderungen“.

Eine Erkenntnis, die sich in deutschen Unternehmen offenbar immer mehr durchsetzt. Darauf lässt auch die Resonanz auf ein im April vorgestelltes Schulungsangebot der Akademie Würth schließen. Unter dem Titel „6 Wege aus der Krise“ offeriert das Weiterbildungszentrum des Schraubenherstellers noch bis Dezember in allen Teilen Deutschlands sechs modulare Tages- oder Halbtageskurse, in denen sich Handwerker unternehmerisch für die Herausforderungen der Wirtschaftsflaute fit machen können.

„Die Themen reichen von Methoden der erfolgreichen Unternehmensführung über Controlling und Mahnwesen bis hin zur Mitarbeitermotivation“, erklärt Prof. Kurt Nagel, der die Seminarreihe im Frühjahr mit entwickelte. Erklärtes Ziel sei es, nicht nur die Inhaber und Geschäftsführer zu erreichen, so der Unternehmensberater: „Wir bieten interessierten Kursteilnehmern sogar weiterführende Workshops in ihren Unternehmen an, um auch die Mitarbeiter ins Boot zu holen. Denn der Chef kann nur mit ihnen erfolgreich sein, nicht gegen sie.“

Michael Hofmann nutzte eine gründlich vorbereitete Mitarbeiterversammlung, um seinem Team ungeschminkt die Lage des Unternehmens offenzulegen. „Als ich schließlich ankündigte, Kurzarbeit zu beantragen, herrschte natürlich Betroffenheit“, gesteht er. „Zugleich konnten wir aber deutlich machen, dass das Schrumpfen des angestammten Marktes für einen relativ kleinen, technisch gut aufgestellten Spezialanbieter sogar Chancen bietet“, ergänzt Katja Hofmann.

So habe Orga-Druck das Zeug, durch besondere Flexibilität und Kundenfreundlichkeit zu punkten. Die Tatsache, dass das Unternehmen bislang ohne systematisches Marketing auskam, zeige beispielhaft die noch ungenutzten Potenziale. „Diese Möglichkeiten wollen wir ausschöpfen, und dafür sind die Ideen und die Initiative jedes Einzelnen gefragt“, lautete die zentrale Botschaft an die Mitarbeiter.

„In den folgenden Wochen wurden wir von Vorschlägen förmlich überrollt“, staunt Michael Hofmann rückblickend. Als eine Art Initialzündung erwies sich die Renovierung des Pausenraumes. „Jeder aus dem Team brachte ein, was er am besten konnte: Einige malerten, andere fertigten neue Gardinen, jemand brachte Grünpflanzen mit“, berichtet der Firmeninhaber, „und die positive Grundstimmung dieses Tapetenwechsels übertrug sich auf alles Weitere.“

Alle packen begeistert an

In mehreren Workshops, die Katja Hofmann leitete, entwickelte das Team Ideen, die zumeist sofort und mit großer Begeisterung umgesetzt wurden. So entstand zu Jahresbeginn ein dreiköpfiges Telefonteam für Akquisition und Kundenbetreuung, die bislang reine Chefsache waren. Bei der Warenauslieferung klopfen Orga-Druck-Mitarbeiter heute gezielt bei Nachbarfirmen des jeweiligen Auftraggebers an, um ihr Unternehmen vorzustellen. Bislang wussten selbst manche Betriebe im heimischen Gewerbegebiet nicht, dass es den Nachbarn Orga-Druck überhaupt gibt.

Darüber hinaus wird die gegenwärtige Kurzarbeitsphase für die Weiterbildung genutzt, zum Beispiel für Telefontrainings des neuen Kundenbetreuerteams. „Für Weiterbildung während der Kurzarbeit können Unternehmen umfangreiche Unterstützung erhalten“, unterstreicht Anja Huth, Pressesprecherin der Bundesarbeitsagentur in Nürnberg. Ihr Rat: „Firmenchefs sollten sich schon bei Planung der Maßnahmen mit der lokalen Arbeitsagentur in Verbindung setzen.“ (Details siehe Folgeseiten).

Wie sehr die stärkere Einbindung der Mitarbeiter sein Unternehmen verändert hat, verblüfft Michael Hofmann selbst am meisten: „Alle, auch ich selbst, finden wieder Spaß an der Arbeit.“ Allein in den letzten Wochen konnten zehn neue Kunden gewonnen werden. Auch wenn auf absehbare Zeit weiter kurzgearbeitet werden müsse, stünden alle Beschäftigten und auch die Hausbank hinter dem Unternehmen. „Wenn ich heute hereinkomme, sind da dieselben Mitarbeiter und Maschinen wie vor einem halben Jahr“, sagt Michael Hofmann, „aber die Firma ist eine andere.“

Frank Pollack
kerstin.meier@handwerk-magazin.de