Mindestlohn Gesetzliche Lohnuntergrenze für Briefzusteller unzulässig

Der Post-Mindestlohn darf nicht für die ganze Branche gelten. So lautet das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom Freitag. Das Urteil gibt Anlass zu kontroversen Diskussionen.

Mindestlohn für Briefträger unzulässig. - © ddp
Mindestlohn

Gesetzliche Lohnuntergrenze für Briefzusteller unzulässig

Konkret bedeutet der Urteilsschluss, dass Wettbewerber der Deutschen Post ihren eigenen Tarifvertrag anwenden dürfen. Denn ein von der Regierung als allgemein verbindlich erklärter Mindestlohn dürfe keine anderen Tarifverträge verdrängen, so das Gericht. Damit ist die Debatte um den Mindestlohn wieder in den Fokus der Medien gerückt. Bundeswirtschaftsminister Glos (CSU) bezeichnete das Urteil als „Sieg für den Wettbewerb”. Das Arbeitsministerium unter Olaf Scholz (SPD) legte sofort Berufung ein. Die Kläger, Unternehmen der TNT- und der PIN-Gruppe sowie der Bundesverband der Kurier-Express-Post-Dienste reagierten erleichtert. Der im November verabschiedete Mindestlohn habe die jungen Unternehmen der Post-Konkurrenz schwer belastet, sagte Florian Gerster, Präsident des Arbeitgeberverbandes der Post-Wettbewerber. Der niederländische Briefkonzern TNT habe sogar erwägt, sich wegen des Mindestlohns aus dem deutschen Markt zurückzuziehen.

Kaum eine Branche will Mindestlohn

Katastrophale Folgen hatte der Mindestlohn für die PIN Group, die einst größter Postwettbewerber war. Der Hauptaktionär Axel Springer zog sein Kapital ab, nachdem er wegen PIN 572 Millionen Euro abschreiben musste. Die PIN Group ist mittlerweile insolvent. Nach dem Urteil vom Freitag erwägt Springer eine Schadensersatzklage gegen den Staat. Die Gewerkschaft ver.di hingegen bezeichnete das Urteil als „völlig unverständlich” und warf dem Berliner Gericht vor, Dumpinglöhne zu unterstützen. Kaum eine Branche will den Mindestlohn. Zu diesem Ergebnis kam eine Umfrage der Süddeutschen Zeitung. Ablehnung kommt der Umfrage zufolge von Arbeitgeberseite in folgenden Branchen: Einzelhandel, Friseure, Fleischerhandwerk, Hotels und Gaststätten sowie Landwirtschaft. Diese lehnen politisch erwirkte Mindestlöhne als Eingriff in die Tarifautonomie ab. Kürzlich waren Tarifgespräche von Arbeitgebern im Wach- und Sicherheitsgewerbe und ver.di gescheitert. Im Bereich Entsorgungswirtschaft werden derzeit noch Tarifverhandlungen geführt.

Kleine und mittelständische Unternehmen

Für kleine und mittelständische Unternehmen würde ein gesetzlicher Mindestlohn nicht automatisch Arbeitsplätze kosten, so eine Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung. Geringqualifizierte wären demnach stärker gefährdet, insbesondere in Branchen, die dafür bekannt seien, auch Langzeitarbeitslosen einen Arbeitsplatz anzubieten. Als Beispiele werden in der Studie das Bewachungsgewerbe und Hotel- und Gaststättenbetriebe genannt. Friseure wären von einem Mindestlohn besonders stark, Einzelhändler und Reisebüros weniger betroffen.

Deutschland und der Mindestlohn

In Deutschland gibt es keinen für alle Arbeitsverhältnisse gültigen und durch Gesetz verordneten Mindestlohn. Aber in einigen Bereichen gelten branchenspezifische Mindestlöhne. Vertragsparteien können ohne staatlichen Einfluss Tarifverträge aushandeln. Dabei wird der Tarif durch einen staatlichen Rechtsetzungsakt für verbindlich erklärt. An diesen Tarif sind die Arbeitgeber und Arbeitnehmer dann gebunden. Mindestlöhne gibt es derzeit im Bauhauptgewerbe (8,50 Euro bis 12,50 Euro), Dachdeckerhandwerk (10,20 Euro), Maler- und Lackiererhandwerk (7,15 bis 10,73 Euro), Gebäudereinigung (6,58 bis 10,80 Euro), Elektrohandwerk (7,90 Euro im Osten und 9,40 Euro im Westen). Der Mindestlohn für Briefdienstleister (8 bis 9,80 Euro) wird nun aufgehoben.