Generationswechsel: „Frauen sind bessere Leader“

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Frauen im Handwerk und Wettbewerb: Unternehmerfrau im Handwerk

Hohe Teamfähigkeit, offene Kommunikation, starke Motivatoren: Frauen sind für die Herausforderungen einer künftigen ­Wirtschaft besser aufgestellt als Männer, sagt Heidi Kluth. Hier habe die Handwerksorganisation sehr großen Nachholbedarf.

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    © Gunnar Geller
    Heidi Kluth ist Finanzbuchhalterin und Betriebswirtin im Handwerk. Seit 2009 führt sie den Bundesverband der Unternehmerfrauen im Handwerk, ist Landesvorsitzende UFH in Niedersachsen und Vizepräsidentin der HWK Braunschweig-Lüneburg-Stade. Heidi Kluth hat vier erwachsene Kinder.
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    „Männer halten oft zu lange an ihren Ämtern fest, zulasten der nächsten Generation.“

Wir treffen uns in der Handwerkskammer Hamburg. Man hat uns freundlicherweise das Kaminzimmer für das Interview zur Verfügung gestellt. Der runde Tisch trägt ein gestärktes weißes Tuch, an der Längsseite ragt ein gigantischer blau-weißer Kachelofen auf, Ölgemälde wichtiger Männer zieren die Wände. Ein hübscher, im Biedermeier-Stil eingerichteter Raum, wäre da nicht der gläserne Gastronomie-Kühlschrank mit Softdrinks.

Immer mehr Frauen legen die Meisterprüfung ab und das nicht nur in den typischen „Frauengewerken“. Der Anteil der Frauen unter den Gründern und den Nachfolgern steigt. Immer mehr Frauen sind in Gewerken aktiv, die bislang als „Männergewerke“ galten. Verändert sich dadurch das Handwerk?

Heidi Kluth: Das Handwerk wird sich verändern müssen, denn es steht im Wettbewerb zu allen anderen Wirtschaftsbereichen. Und es wäre gut, wenn das Handwerk rechtzeitig genug anfängt. Denn alle Wirtschaftsbereiche kämpfen um die besten Köpfe. Eine junge Frau wird dahin gehen, wo sie Perspektiven sieht. Und bei den weiblichen Talenten hat das Handwerk noch großen Nachholbedarf.

Kann man sagen, dass junge Frauen in der Schule meist etwas engagierter, strebsamer und zielstrebiger sind als viele junge Männer?

Das kann man schon sagen. Ich sehe das auch im direkten Umfeld. Die Töchter sind zielorientierter. Den Jungs ist das nicht so wichtig. Aber beide werden ihren Weg genauso gehen. Sie werden es nur anders machen. Deswegen bin ich der Meinung, dass wir Frauen auch die Männer brauchen, weil beide Geschlechter unterschiedlich arbeiten. Und zusammen machen wir es einfach super!

Unterscheidet sich der Führungsstil?

In der Vergangenheit mit Sicherheit. Eine ausgeprägte Hierarchie existiert heute eher in männerdominierten Bereichen. Frauen setzen eher aufs Team. Aber auch die jungen Männer sehen heute zunehmend die Chancen, die durch eine Teambildung entstehen.

Studien scheinen zu belegen, dass Teamfähigkeit, motivierte Mitarbeiter, offene Kommunikationskultur die künftigen Erfolgsfaktoren von Betrieben sind. Das können Frauen besser. Sind sie deshalb künftig auch die besseren Führungskräfte?

Ja, das denke ich! Aber Frauen und Männer gegeneinander auszuspielen, ist nicht mein Anliegen. Darum geht es nicht. Allerdings werden diese Erfolgsfaktoren immer wichtiger und sie liegen Frauen eher.

Die meisten Konflikte im Handwerk entstehen an den Schnittstellen, also dort, wo Gewerke aneinanderstoßen, zwischen Architekt und Betrieb, Kunde und Betrieb. Diese Konflikte kosten Zeit, Anwälte, Geld. Das heißt: Ein zentraler Erfolgsfaktor ist es, die Aufträge konfliktfrei abzuwickeln. Sind Frauen besser in der Lage, diesen Erfolgsfaktor zu erfüllen?

Ja, grundsätzlich glaube ich das! Denn ausgleichende Persönlichkeiten sind dafür besser aufgestellt. Diese Eigenschaft finden wir natürlich auch bei den Männern.

Gibt es eine Art gläserne Decke für Frauen im Handwerk oder Probleme, an die Frauen im Handwerk immer wieder stoßen?

Es gibt andere Hindernisse für Frauen als für Männer. Frauen sind nicht so vernetzt in den Handwerksorganisationen. Man übersieht sie vielleicht öfter, nimmt sie nicht so sehr wahr. Das ist keine böse Absicht, aber man hat das noch nicht so im Fokus. Die Frauen hingegen, die es dann schaffen, werden ganz tolle Beispiele sein. Irgendwann wird es dann selbstverständlich.

Wer muss sich im Wirtschaftsbereich Handwerk ändern – Männer oder Frauen?

Beide. Aber was sich noch mehr ändern muss, ist der Zeitgeist. Viele Kunden akzeptieren etwa Meisterinnen noch nicht wirklich – und fragen nach dem Meister.

Müssen Frauen selbstbewusster werden, ihre Kompetenzen stärker präsentieren?

Ja, das glaube ich schon. In diesem Bereich müssen sie sich verändern: Sich nicht immer wieder zurücknehmen und von sich aus ihre Kompetenzen darstellen.

Gibt es genügend Rückenwind für die Frauen?

Wir müssen speziell in der Handwerksorganisation mehr mit Beispielen arbeiten und zeigen, dass wir Frauen in allen Positionen haben. Da haben wir noch Nachholbedarf. Wir suchen immer noch die Exoten unter den Frauen. Wir sollten aber eine breitere Basis aufstellen, die deutlich macht, dass die Betriebe gut geführt werden, wenn die Töchter sie übernehmen. Wir müssen hier Normalität erreichen. Der Fachkräftemangel gibt uns dazu die Chance.

Die Realität zwingt zur Veränderung. Ist die Handwerksorganisation gut für diesen Generationswechsel aufgestellt?

Den Generationswechsel im Ehrenamt müssen wir ganz besonders sensibel betrachten. Die Stärke des Ehrenamts ist es, immer die verschiedenen Generationen zusammenzubringen und einen gewissen Wissenstransfer zu erzeugen. Und hier brauchen wir alle Generationen. Es gibt eine Tendenz, dass Personen im Ehrenamt zu lange an ihren Posten festhalten und dadurch der nächsten Generation keine Möglichkeit geben, mitzuarbeiten. Das Ehrenamt hat ein gewisses Zeitfenster im Leben, welches für den Einzelen unterschiedlich sein kann. Häufig hat man vieles in seinem Umfeld schon organisiert. Im Ehrenamt sucht jeder die besten Köpfe: der Feuerwehrverein, Schützenverein, Kirche – alle warten auf das Ehrenamt. Wenn das Handwerk da keine Perspektive gibt, dann engagieren sich die Menschen woanders. Dann sind die dort zu Hause und kommen auch nicht ins Handwerk zurück. Dann ist erst die übernächste Generation ansprechbar. Dadurch entsteht ein zu großer Bruch, durch den etwa die Kommunikation schwieriger wird, weil die Generation dazwischen wegfällt. Deshalb muss man sensibler damit umgehen. Wenn Sie einen Obermeisterbrief überreichen für 25 oder 30 Jahre Ehrenamts­tätigkeit, was bedeutet das wirklich? Ist jemand da geblieben, weil sich kein Nachfolger gefunden hat? Oder weil sich die nächste Generation anders entschieden hat?

Warum ist aus Ihrer Sicht diese möglichst nahtlos verlaufende Abfolge beim Generationswechsel so wichtig?

Weil jede Generation ihr Wissen einbringt. Die junge Generation bringt eine ganz neue Perspektive mit rein. Die ältere Generation kann eher dazu beitragen, wie sich das Handwerk entwickelt hat, was wir schon gemacht haben, und kann den Jungen auch Schützenhilfe geben. Sie können sie einbetten, einführen. Aber dafür muss auch ein Dialog zwischen den einzelnen Generationen möglich sein.

Zu große Brüche gefährden die Kontinuität?

Ja, die Brüche dürfen nicht zu groß sein. Wenn immer eine Generation übersprungen wird, dann werden die Unterschiede zu stark und damit die Gefahr von Missverständnissen und Distanzierungen viel höher. Es gibt dann kein harmonisches Miteinander. Die Älteren meinen, sie haben das Sagen. Und die Jüngeren sagen, wenn ihr uns hier nicht haben wollt, dann können wir auch wieder gehen.

Ist die Tendenz, lange am Amt festzuhalten, eher auf der männlichen Seite zu finden?

Diese Beobachtung kann man machen.

Glauben Sie, dass Ihre Auffassung in der Handwerksorganisation umstritten ist?

Das weiß ich nicht. Man hat vielleicht darüber noch gar nicht nachgedacht.

Vita:
Heidi KluthHeidi Kluth ist Finanzbuchhalterin und Betriebswirtin im Handwerk. Seit 2009 führt sie den Bundesverband der Unternehmerfrauen im Handwerk, ist Landesvorsitzende UFH in Niedersachsen und Vizepräsidentin der HWK Braunschweig-Lüneburg-Stade. Heidi Kluth hat vier erwachsene Kinder.