Fixkosten sparen

Leiharbeit | Größerer Auftrag, zu wenig Mitarbeiter, was tun? Am flexibelsten ist es, Leute beim Kollegenbetrieb auszuleihen.

Fixkosten sparen

Schneller Antrag: „Eigentlich war das alles ganz einfach“, erinnert sich Bauunternehmer Gerhard Sailer. Per Telefon ein Formular bei der Bundesarbeitsagentur anfordern, in ein paar Minuten ausgefüllt und zurückgefaxt. Damit war im Sommer 2003 der Weg frei, zwei seiner damals zwölf Mitarbeiter für einen Monat an ein befreundetes Unternehmen auszuleihen. Weil das so glatt lief, wiederholte der Gesellschafter und Geschäftsführer der Sailer Bau GmbH im badischen Stockach das Spiel im nächs-ten Jahr. „Das machte es für uns leichter und vor allem billiger, Beschäftigungslöcher zwischen Aufträgen zu überbrücken“, erklärt Sailer. Er hatte es schon immer vermieden, bei Auftragsflaute Personal zu entlassen. Das wäre ihm persönlich gegen den Strich gegangen, außerdem sind gute Leute nicht nach Belieben verfügbar, wenn das Geschäft wieder anzieht. Doch solche Personalpolitik kostet Geld, diese Kosten ließen sich durch den Verleih effektiv senken. „Der Entleiher hat uns genau das gezahlt, was uns die Mitarbeiter kosteten.“

Kollegenhilfe, wie Gerhard Sailer sie vorgemacht hat, ist ein ideales Flexibilisierungsmittel: Wenn in einem Unternehmen momentan zu wenig zu tun ist, leiht es die Arbeitnehmer vorübergehend einem anderen, bei dem sie eine kurzfristige Personallücke füllen. Er bleibt Arbeitgeber mit allen Pflichten, die Gehaltszahlungen laufen also voll weiter. Aber die Arbeitnehmer werden in Betrieb und Arbeitsorganisation des Entleihers eingegliedert, sie unterliegen seinem Weisungsrecht wie das eigene Personal. Erstaunlich: Das deutsche Arbeitsrecht erlaubt das tatsächlich in vielen Fällen, und zwar mit einem Minimum an bürokratischem Aufwand. Es ist allerdings wichtig zu wissen, wo die Grenzen dieser Freiheit liegen.

Von dieser Freiheit hat im vergangenen Winter Roberto Aloisi als Entleiher profitiert. „Eine uns bekannte Firma hat angefragt, ob wir Leute brauchen könnten.“ Seinem Freiburger TBA Bauservice, der mit sieben Mitarbeitern Komplettleistungen bei Umbau und Innenausbau bietet, passte das gut. „Zwei Mann kamen als kurzfristige Verstärkung für zwei Monate gerade recht.“ Er brauchte dafür nicht einmal ein Formular auszufüllen, darum muss sich – soweit notwendig – der Verleiher kümmern, mit diesem mussten nur die Konditionen geklärt werden. „Wie üblich haben wir ihm einfach seine Kosten für die zwei Mitarbeiter eins zu eins gezahlt.“ Das hat gegenüber der Zusammenarbeit mit Zeitarbeitsunternehmen Vorteile: Wer den Verleiher kennt, weiß, was seine Leute taugen. Außerdem muss der Verleiher an dem Geschäft nichts verdienen, er ist zufrieden, wenn er auf diese Weise sein Personal halten kann.

Tarifvertrag beachten

Das Gesetz erlaubt den Personaltausch unter verschiedenen Voraussetzungen (Praxistipps). Am einfachsten haben es Unternehmen, die unter denselben Tarifvertrag fallen, wenn dieser den Tausch erlaubt. Der Landesinnungsverband für das bayerische Elektrohandwerk nutzte schon frühzeitig Mitte der achtziger Jahre die neue gesetzliche Möglichkeit zu einem Tarifvertrag. „Davon machen die Unternehmen gerne und viel Gebrauch“, berichtet Verbandsanwalt und Assistent der Geschäftsführung Reinhard Stiegler.

Inzwischen gibt es viele solche Tarifverträge, etwa im Elektrohandwerk in Hessen, Rheinland-Pfalz und vielen neuen Ländern, im Metallhandwerk Schleswig- Holstein, für Klempner und Installateure in Rheinland-Pfalz, für Sanitär, Heizung und Klima in Nordrhein-Westfalen. Manche Tarifverträge beschränken die Ausleihzeit, etwa auf drei Monate, ansonsten dürfen die Unternehmen – unabhängig von der Betriebsgröße – zur Vermeidung von Kurzarbeit oder Entlassungen so viel, so oft und solange wie nötig verleihen, ohne jemanden fragen oder benachrichtigen zu müssen.

Eine zusätzliche Möglichkeit haben Unternehmen mit bis zu 49 Mitarbeitern: Sie können, auch ohne Tariferlaubnis, ihre Leute für maximal zwölf Monate an Unternehmen jeder Art und Branche verleihen, sogar grenzüberschreitend. Einzige Bedingung: Das muss der Arbeitsagentur vorher schriftlich mitgeteilt werden. Spezialregeln gelten am Bau.

Die Regeln für Kollegenhilfe sind erfreulich klar: Ob die 49-Mitarbeiter-Grenze überschritten wird, ist einfach nachzuzählen, und ob – soweit erforderlich –Tarifverträge vorliegen, klärt ein kurzer Anruf bei der Innung. Allerdings empfiehlt sich hier Genauigkeit: Bei Miss-achtung dieser Kriterien gilt der Arbeitnehmertransfer als verbotene Arbeitnehmerüberlassung, und das heißt: Bußgeld bis zu 25000 Euro, jede Leihkraft gilt als Arbeitnehmer des Entleihers, könnte sich also dort einen Dauerarbeitsplatz erklagen.

Kündigungen vermeiden

Alle Varianten der Kollegenhilfe sind nur zur Vermeidung von Entlassungen oder Kurzarbeit zulässig. Doch diese Voraussetzung braucht nach Auffassung des Freiburger Rechtsanwalts Christian Widmann niemandem größeres Kopfzerbrechen zu bereiten. „Das steht mehr auf dem Papier“, erklärt er, „schließlich kann nur ein Unternehmen Mitarbeiter verleihen, das derzeit selbst nicht genug Arbeit hat.“

Dennoch ist die Furcht vor zu viel Bürokratie nach Einschätzung von Michael Frikell, Geschäftsführer der Bauinnung München, „ein Hindernis, die Kollegenhilfe zu nutzen“. Der Trend gehe eher zum Subunternehmer (hm 5/2007). Doch der Subunternehmervertrag eigne sich nur bei klar abgrenzbaren Gewerken. Der Hauptunternehmer hat kein direktes Weisungsrecht gegenüber den Submitarbeitern. „Wenn die Arbeitnehmer voll in die eigene Maurerkolonne integriert sind, ist das kein Werkvertrag, auch wenn das auf dem Papier steht“, erklärt Frikell. „Dann wird das rechtlich als Arbeitnehmerüberlassung gewertet, doch dafür fehlt dann gewöhnlich die notwendige Erlaubnis.“ Die zuständige Finanzkontrolle Schwarzarbeit der Zollverwaltung ist darauf trainiert, solche „Scheinwerkverträge“ zu entdecken, denn ein Großteil der Schwarzarbeit wird unter diesem Deckmantel abgewickelt.

Kollegenhilfe ist also gerade für kleine Handwerksunternehmen wichtig. Jürgen Blessing hat in Villingen-Schwenningen eine Zimmerei mit drei Mitarbeitern und 420000 Euro Umsatz. Er berichtet: „Bei Ausschreibungen achte ich darauf, dass die Aufträge ohne Überschneidungen und möglichst ohne Lücken aneinander anschließen. Doch oft halten sich die Auftraggeber nicht an die zeitlichen Vorgaben, und wir haben ein Planungsproblem: Beschäftigungspausen oder Termine, die mit einem kleinen Mitarbeiterstamm nicht zu halten sind.“ Blessing löst das Problem seit fünf Jahren durch Arbeitnehmerüberlassung. Er und ein Meisterkollege helfen sich bei Bedarf und wenn es passt wechselseitig mit Personal aus, jeden Sommer fünf- bis sechsmal.

Doch es passt eben nicht immer. An diesem Punkt will der Anwalt Widmann mit www.kollegenhilfe-bau.de eine Art Börse ins Leben rufen, die es Anbietern und Nachfragern leicht macht, zueinander zu finden. „Bislang sind persönliche Kontakte entscheidend“, berichtet Reinhard Stiegler für das Elektrohandwerk. „Natürlich vermitteln wir Kontakte, wenn wir gefragt werden, aber auch wir denken darüber nach, das durch eine Internet-Vermittlungzu perfektionieren. hm-Experte Christian Widmann möchte eine Treuhandfunktion anbieten: Der Entleiher zahlt das Geld vorab ein, nach Abwicklung wird es an den Verleiher ausgezahlt.“ Bauunternehmer Sailer findet solche Angebote „sehr sinnvoll.“

Thomas C. Münster

harald.klein@handwerk-magazin.de