Fitness statt Fehlzeiten

Wer sich wohlfühlt, leistet mehr. Das klingt simpel, wird aber im Handwerk noch oft ignoriert. Dabei sorgen die Maßnahmen für mehr Zufriedenheit und eine geringere Ausfallquote.

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    © Jens Nieth
    Frank Vennemann, Tischlermeister in Dorsten, hat die Gesundheitsförderung in den Arbeitsalltag integriert.
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    © Chart: handwerk magazin
    Fast ein Drittel der Ausfallzeiten entfällt im Handwerk auf Muskel und Gelenkerkrankungen wie etwa Arthrosen und Entzündungen.
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    © Christoph Schellhaus
    Torsten Reusch (li. mit Mitarbeiter), Geschäftsführer der Metzgerei Vollertsen, fördert die Gesundheit seines Teams.
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    Bau- und Ausbau haben von allen Gewerken den höchsten Krankenstand und damit auch die meisten Fehlzeiten.
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    Frank Vennemann, Tischlermeister in Dorsten, hat die Gesundheitsförderung in den Arbeitsalltag integriert.
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    Fast ein Drittel der Ausfallzeiten entfällt im Handwerk auf Muskel und Gelenkerkrankungen wie etwa Arthrosen und Entzündungen.
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    Torsten Reusch (li. mit Mitarbeiter), Geschäftsführer der Metzgerei Vollertsen, fördert die Gesundheit seines Teams.
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    Bau- und Ausbau haben von allen Gewerken den höchsten Krankenstand und damit auch die meisten Fehlzeiten.

Fitness statt Fehlzeiten

Schon vor mehr als zehn Jahren haben Frank und Birgit Vennemann den IKK-Gesundheitsbus zu ihrem Tischlereibetrieb in Dorsten bestellt. Alle acht Mitarbeiter und auch die Chefs ließen sich durchchecken. Ergebnis: Akut Kranke gab es nicht, aber die Kasse riet zur Vorbeugung von Haltungsschäden zur Rückenschule, die prompt organisiert wurde.

Seitdem ließ das Thema die Vennemanns nicht mehr los. Es folgten Betriebsbegehungen mit Arbeitsplatzexperten, Anschaffungen von Geräten zu Arbeitserleichterung sowie Schulungen zur Stressbewältigung. „Inzwischen“, so Birgit Vennemann, „gehören Maßnahmen zur Gesundheitsvorsorge zum Betriebsalltag“. An der Wand hängt eine Liste, in die Belastungen ebenso eingetragen werden wie Verbesserungsvorschläge. Darüber hinaus ist die Gesundheit Thema in den regelmäßigen Teamsitzungen.

Für sein Engagement wurde der Betrieb beim Unternehmenswettbewerb der Handwerkskammer Münster mit dem ersten Platz ausgezeichnet. Werner Winter, Berater für betriebliches Gesundheitsmanagement bei der AOK Bayern, ist von diesem Beispiel begeistert, stellt aber auch gleich klar, dass die Münsterländer „ganz sicher eher zu den Ausnahmen“ zählen.

Schlusslicht Handwerk

Rechnet sich das Kümmern um die Gesundheit der Mitarbeiter im Handwerk überhaupt für die Betriebe? Angekommen ist das Thema bei den Chefs jedenfalls noch längst nicht. Laut Studie des Gesundheitsdienstleisters Skolamed in Königswinter belegt das Handwerk beim betrieblichen Gesundheitsmanagement den letzten Platz im Branchenvergleich. „Anscheinend ist vielen Unternehmern nicht klar, welchen wirtschaftlichen Stellenwert das Thema heute schon hat und in Zukunft haben wird“, erklärt Experte Winter. Schließlich steigt nicht nur die psychische Belastung der Arbeitnehmer, auch die demographische Entwicklung schlägt verstärkt zu Buche. Weil zu wenig junge Fachkräfte nachkommen, werden zukünftig auch schwerste Arbeiten bei älteren Kollegen hängen bleiben. Ohne systematische Vorsorge ist dies bei so belastenden Tätigkeiten, wie sie etwa Friseure, Dachdecker, Straßenbauer, Metzger oder Zimmerer ausüben, aber gar nicht umsetzbar.

Dabei haben die Firmenchefs laut Winters Erfahrung vor allem Angst vor zu hohen Kosten. Die seien aber nicht so hoch, weil Staat und Krankenkasse Investitionen in die Gesundheit der Mitarbeiter fördern (siehe Online exklusiv, Seite 36).

Vorausgesetzt, die Maßnahme wurde im Vorfeld abgestimmt, wie Rainer Bleek, Fachbereichsleiter des Zentrums für Gesundheitsförderung bei der IKK Classic in Düsseldorf, betont. Eigenständig Maßnahmen in die Wege leiten und dann bei der Kasse eine Kostenübernahme beantragen, „geht leider nicht“.

Die Metzgerei Vollertsen in Satrup hat im vergangenen Jahr in Zusammenarbeit mit der IKK ein Projekt zur Gesundheitsförderung im Betrieb durchgeführt. Gestartet wurde mit einer Befragung der knapp 50 Mitarbeiter und einer Betriebsbegehung. Dann folgten Gesprächskreise, in denen alles angesprochen werden konnte, was den Beschäftigten auf dem Herzen lag - und bei dem auch eigene Lösungsvorschläge erarbeitet wurden. Am Ende wurden Veränderungen an Arbeitsplätzen, Entspannungstrainings, Kurse zur Stressbewältigung sowie Hautschutz- und weitere Maßnahmen realisiert.

Wichtig, erläutert noch einmal IKK-Mann Bleek: Alle Bereiche müssen auf den Prüfstand. So würden vor allem die Betriebsinhaber dazu tendieren, sich sehr schnell auf die Mitarbeiter und allein auf verhaltenspräventive Maßnahmen zu konzentrieren. Doch alleine dadurch, den Beschäftigten bessere Hebetechniken und Körperhaltungen beizubringen, sei das Problem noch nicht gelöst. „Auch die technische Ausstattung und die Kommunikationsabläufe müssen auf den Prüfstand“, weiß der Experte.

Der Chef muss Vorbild sein

Dass oft auch vermeintlich kleine Veränderungen für positive Effekte sorgen, erlebte Vollertsen-Geschäftsführer Carsten Bachler. Um Erkältungen vorzubeugen gab es im Winter kostenloses Obst und im Sommer ausreichend Mineralwasser für die Mitarbeiter: „Wir waren verblüfft, wie positiv so kleine Dinge aufgenommen werden.“

„Entscheidend dabei ist das Gefühl, vom Arbeitgeber wahrgenommen und wertgeschätzt zu werden“, erläutert Klaus Leuchter, Geschäftsführer und Leiter des esa-Projektbüros Disability Manager CDMP in Schleswig. Deshalb sei es auch so wichtig, dass alle Mitarbeiter einbezogen werden und sich aktiv einbringen können - und auch umgekehrt die Betriebsleitung mitmacht. „Achtet ein Chef auch auf die eigene Gesundheit, hat er nicht nur eine Vorbildfunktion, er erlebt selbst die positiven Auswirkungen und ist leichter bereit, in Gesundheitsvorsorge zu investieren.“

Bei Vennemanns hat man auch das längst erkannt. Brigit und Frank Venneman sind selbst aktive Sportler und achten auf ihre Gesundheit. Darum fällt es ihnen auch leicht, immer wieder von neuem auf Fehler beim Heben oder fehlende Ohrschützer hinzuweisen - und auch selbst Anregungen anzunehmen. Ein gesunder Betrieb, so die Erfahrung von Birgit Vennemann, lässt sich nicht durch isolierte Einzelmaßnahmen erreichen. „Wichtig ist im Alltag damit umzugehen.“ Dass das klappt, zeigt die Krankenquote. Es gibt sie praktisch nicht.

kerstin.meier@handwerk-magazin.de

Online exklusiv

Wichtige Kontakte sowie Tipps zur steuerlichen Absetzbarkeit der Gesundheitsförderung gibt es unter
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