Finetrading: Neue finanzielle Spielräume schaffen

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Finetrading

Finetrading ist als alternatives Finanzierungsinstrument eine neue Variante zwischen Factoring und Leasing. Durch die Vorfinanzierung von Wareneinkäufen kann es für Handwerks­betriebe erhebliche Liquiditätsspielräume eröffnen.

Arno Zietz, Geschäftsführer der Zietz Elektrotechnik GmbH in Hamburg: »Durch Finetrading können wir heute viele Preisvorteile im Einkauf nutzen.« - © Gunnar Geller

Viele Handwerksbetriebe wie Bäcker, Schreiner oder Elektrofachbetriebe kaufen Rohstoffe, Materialien und Produkte ein, deren Preise mehr oder weniger starken Marktschwankungen unterliegen. Schnelles Reagieren in Niedrigpreisphasen bringt für Handwerker finanzielle Vorteile. Wer zum richtigen Zeitpunkt schnell und umfangreich zugreift, kann erheblich sparen. Viele Banken sind aber nicht dazu bereit, dass sie Betrieben kurzfristig größere Summen für Warenkäufe zur Verfügung stellen. Somit bleiben viele Einkaufschancen ungenutzt.

Ein noch relativ junges Finanzinstrument entschärft dieses Problem: „Finetrading“ klingt erst mal abgehoben. „Ist das nur was für Großunternehmen?“, dachte zum Beispiel Arno Zietz, Geschäftsführer der Zietz Elektrotechnik GmbH in Hamburg, als er den Begriff zum ersten Mal hörte. Mittlerweile nutzt der Unternehmer Finetrading regelmäßig, wenn er Materialien wie Leuchten, Schalter oder Haussteuerungselemente für Aufträge in den Bereichen Elektro-, Licht-, Sicherheits-, Kommunikations- und Energiespartechnik einkauft. „Finetrading ist keine englische, sondern eine schwäbische Erfindung“, erklärt Clemens Wagner, Direktor Beratung bei der WCF Finetrading GmbH in München.

Einkauf finanzieren

Wagner arbeitet seit 2004 bei der Firma WCF, die der Bankkaufmann Arno Schneider in Stuttgart gründete. „Arno Schneider brachte damit nicht nur ein neues Finanzierungsinstrument auf den Markt“, erklärt Wagner, „er erfand auch den Namen dafür: ‚Finetrading’ ist eine Zusammenfassung der Begriffe ‚Finance‘ und ‚Trade‘, Finanzierung und Handel.“

Mittlerweile gibt es im deutschen Markt eine ganze Reihe von Anbietern von solchen Einkaufsfinanzierungen – und ihre Zahl nimmt zu. Die Nachfrage nach Finetrading entwickelt sich entsprechend positiv. „Derzeit setzen über 2.000 Unternehmen aus allen Branchen und Größenklassen Finetrading zur Waren- und Lagerfinanzierung ein“, berichtet Clemens Wagner von WCF. Die Summe der von WCF genehmigten Einkaufslinien bewege sich in dreistelliger Millionenhöhe. „Zum Kundenkreis zählen mittelständische Firmen aller Branchen mit Jahresumsätzen zwischen einer Million Euro und einstelligen Milliarden-Beträgen“, beschreibt er die aktuelle Situation.

Welche Vorteile Finetrading bietet

Das Geschäftsmodell ist bei allen Finetradern ähnlich. Nach einer Bonitätsprüfung räumt der Finetrader seinem Kunden eine Einkaufslinie ein und schließt dafür eine Kreditausfallversicherung ab. Die eingeräumte Einkaufslinie kann der Kunde dann pro Jahr mehrmals umschlagen – sobald ein Trade oder Handel abgewickelt ist, steht ihm die Linie wieder im vollen Umfang zur Verfügung.

Marktbeobachtung und Kaufverhandlungen liegen beim Kunden. Der Finetrader tritt erst in Aktion, wenn der Kauf getätigt ist. Dann bezahlt er den Kaufpreis – und zwar sofort und in voller Höhe, damit er das optimale Skonto, je nach Branche und Verhandlungsgeschick können das bis zu acht Prozent sein, ziehen kann. Die Ware geht virtuell in seinen Besitz über, wird aber direkt an den Kunden des Finetraders geliefert. Der Kunde bekommt mehrere Monate – die Fristen betragen 90 oder 120 Tage – Zeit, um den vollständigen Kaufpreis (ohne Skonto) an den Finetrader zu bezahlen.

Je nach Frist und Kaufvolumen fallen zudem individuell vereinbarte „Stundungsgebühren“ für den Kunden an. Diese und das gezogene Skonto stellen die Einnahmequellen des Finetraders dar. Daraus muss er seinen Gewinn erzielen, nachdem er die Kosten, wozu auch die Prämie für eine Kreditausfallversicherung für den Kunden zählt, gedeckt hat. „Die Kreditversicherung ist quasi die Eintrittskarte in den Club“, erläutert der gelernte Kaufmann Clemens Wagner von WCF diesen Punkt, „denn wenn kein Versicherungsschutz besteht, wären für uns die Risiken nicht kalkulierbar.“

Trotz der Gebühren ist Finetrading, nach Aussage von Clemens Wagner, meist günstiger als der Kontokorrentkredit. Der größte Vorteil liegt jedoch in der Flexibilität und der schnellen Verfügbarkeit. Neben der Rückzahlungsfrist ist die Untergrenze für die Einkaufslinie die zweite wichtige Kennzahl für die Klassifizierung von Finetradern. Unterhalb eines vom Anbieter definierten Limits wird kein Kunde angenommen. Während das Limit beim Finetrading-Erfinder WCF bei mindestens 250.000 Euro für die Einkaufslinie liegt, steigt die Deutsche Finetrading AG (DFT), die seit 2011 im Bereich der Einkaufsfinanzierung tätig ist, bereits bei 20.000 Euro ein.

Die Zietz Elektrotechnik GmbH arbeitet mit der DFT Deutsche Finetrading AG zusammen. Die DFT Deutsche Fine-trading AG ist einer der größeren Finetrading-Player im deutschen Markt. Arno Zietz nutzt dort eine Einkaufslinie in Höhe von 100.000 Euro.

Franco Ottavio Mathias von der HCM Human Consult Management, Spezialist für alternative Finanzierungen im Handwerk, unterstützte die Zietz GmbH beim Ausbau der Marktstellung. „Um dieses Ziel zu erreichen, musste eine neue Gesamtfinanzierungsstruktur für das Unternehmen erarbeitet werden – einen Teil davon bildet Finetrading“, sagt Finanzierungsexperte Mathias.

Zunächst war es allerdings notwendig, die Lieferanten der Zietz GmbH von dieser alternativen Finanzierungsform zu überzeugen. Die Verhandlungen führte Arno Zietz in enger Abstimmung mit den Experten der HCM. „Es wurde schnell deutlich, dass Finetrading für beide Seiten Vorteile bringt“, berichtet Mathias.
Durch die Unterstützung von Finetrading nutzt die Zietz GmbH heute viele Preisvorteile. Der Lieferant profitiert von der sofortigen Bezahlung durch den Finetrader. Diese Win-win-Situation überzeugte auch die Lieferanten des Elektrobetriebs. Das Unternehmen verbesserte zudem seine Bonität. Ein weiterer positiver Effekt war, dass durch die Einrichtung einer Einkaufslinie bei der DFT die bisherigen Finanzierungslinien entlastet wurden und somit Arno Zietz zusätzliche Liquidität zur Verfügung steht.

Wichtige Basis für Finetrading

Die wichtigste Voraussetzung für Finetrading ist, dass das Handelsgut physisch vorhanden und erreichbar ist. So kann der Finetrader im Ernstfall, dem vollständigen Zahlungsausfall, immer noch auf die von ihm gekauften Waren zurückgreifen und diese verwerten.

Hintergrund: Je haltbarer und wertbeständiger das gehandelte Gut ist, desto günstiger gestalten sich die Voraussetzungen fürs Finetrading. Die Anpassungsfähigkeit dieser Finanzierungsform bringt es mit sich, dass viele Finetrading-Firmen nicht nur reine Einkaufsfinanzierungen, sondern auch weitere Dienstleistungen anbieten. Die wichtigsten Sparten dabei sind: Lagerfinanzierungen, Projektfinanzierungen und Importfinanzierungen.

Die Grundvoraussetzung, um diese Dienstleistungen zu erbringen, ist eine sehr gute Liquidität. Denn ohne eine prall gefüllte Kasse kann das Geschäftsmodell des Finetraders nicht funktionieren. Deshalb sind die meisten Finetrading-Anbieter Kapitalgesellschaften, die ihren Bedarf an Liquidität aus Eigenmitteln bestreiten können.

Welche Varianten möglich sind

Die Anpassungsfähigkeit von Finetrading bringt es auch mit sich, dass viele Finetrading-Firmen nicht nur reine Einkaufsfinanzierungen, sondern auch weitere Dienstleistungen anbieten. Die wichtigsten Sparten dabei sind: Lager-, Projekt- und Importfinanzierungen.

Lagerfinanzierung ist eine Erweiterung der Einkaufsfinanzierung. Dabei übernimmt der Finetrader nicht nur die Einkaufskosten, sondern auch die Kosten für die Lagerhaltung. Die Waren werden in ein sogenanntes „Konsignationslager“ geliefert und werden dem Kunden vom Finetrader erst dann in Rechnung gestellt, wenn er sie aus dem Lager entnimmt. Das hat den Vorteil, dass die Waren nicht auf der Passiv-Seite der Bilanz erscheinen. Die Abwicklung ist nahezu identisch. Dem Kunden wird vom Finetrader eine Linie für die Lagerfinanzierung eingeräumt. Der Zeitraum für den Ausgleich der Linie beträgt je nach Anbieter 90 bis maximal 180 Tage.

Importfinanzierung ist eine Variante von Einkaufsfinanzierung, die eintritt, wenn beim Einkauf im Ausland die Bezahlung des Lieferanten sofort bei dessen Waren-Auslieferung und nicht bei Ankunft der Waren beim Kunden in Deutschland fällig wird. Die zu überbrückende Zeitspanne kann noch länger werden, da zum Beispiel in China viele Lieferanten Vorkasse verlangen. Bei Importfinanzierung verlagert sich demnach der Zahlungszeitpunkt erheblich nach vorne, und das Risiko des Finetraders erhöht sich.

Projektfinanzierung liegt dann vor, wenn die gekauften Waren für einen eng definierten Zweck – beispielsweise einen klar abgrenzbaren Sonderauftrag – vorgesehen sind. Da dann meistens größere Einkaufsmengen realisiert werden müssen und andere Absicherungsmechanismen greifen, verändern sich auch hier die Konditionen.