Entscheidungsfindung: Das Bauchgefühl clever nutzen

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Zahlen, Daten und Fakten sind im Handwerk nicht die einzige Entscheidungsgrundlage. Wer seinem Bauchgefühl folgt, kann sich manche Fehlentscheidung ersparen, ganz ohne ein Weichei zu sein.

Installateurmeister Christoph Laloi ­ver­zichtet auf einen ­Auftrag, wenn die ­Chemie mit dem Kunden nicht stimmt. - © Henning Angerer

Was Christoph Laloi erlebte, dürfte Handwerkskollegen aller Gewerke bekannt vorkommen: Ein potenzieller Auftraggeber bittet um einen Kostenvoranschlag. Doch als der Installateurmeister vor Ort ist, um die Maße des Badezimmers zu nehmen, spürt er, wie ihn der Kunde grundlos hetzt. „Da bekomme ich schnell das Gefühl, nur eine Nummer in einem unüberschaubaren Dickicht von Kostenvoranschlags-Zulieferern zu sein. Was sich auch in den meisten Fällen bestätigt.“ Dank seiner inneren Stimme schätzt der Chef der Firma „Der Wassermann Sanitärtechnik“ im schleswig-holsteinischen Altenholz solche Situationen im Job klug ein. „Die Intuition gibt wichtige Hinweise über den Kunden“, ist der 52-Jährige überzeugt. „Ohne Bauchgefühl wäre ich ein schlechter Unternehmer.“

Fachleute geben ihm Recht. „Für kluge Entscheidungen ist es enorm wichtig, dass Kopf und Bauch gemeinsam entscheiden“, erklärt Julia Weber, Geschäftsführerin des ISMZ Instituts für Selbstmanagement und Motivation in Zürich. Mit Hokuspokus hat die Intuition nichts zu tun. Ihre Macht ist wissenschaftlich längst erforscht. „Das Bauchgefühl umfasst unser gesamtes Erfahrungsgedächtnis“, erklärt die Psychologin. „Doch im Gegensatz zu den bewussten Denkprozessen läuft es unbewusst ab und wird daher zu Unrecht oft vernachlässigt.“

Fehler mit dem Bauch erkennen

Doch in der Wirtschaft ist ein Umdenken im Gange. „Der Homo oeconomicus als reiner Verstandesmensch aus dem Lehrbuch bekommt zunehmend Konkurrenz“, erklärt Hans-Rüdiger Pfister, Professor für Psychologische Entscheidungsforschung der Uni Lüneburg. Inzwischen sei Intuition unter Entscheidern in Unternehmen durchaus salonfähig. „Im Handwerk spielt Intuition eine zentrale Rolle“, so Pfister. „Erfahrene Handwerker beherrschen eine komplexe Materie, weil sie ihrer Intuition trauen können.“ So wüssten sie oft intuitiv, wie etwas passt, wo ein Fehler steckt und wie es besser gehen könnte. „Diese Intuition ist genau deshalb einer analytischen Herangehensweise überlegen“, so der Wissenschaftler.

Christoph Laloi hat das Bauchgefühl schon vor einigen unliebsamen Überraschungen gerettet. Wenn er etwa spürt, dass die Chemie mit einem Kunden nicht stimmt, verlässt er sich auf seine Intuition – und sagt auch mal lukrative Aufträge ab. Einmal verzichtete er sogar auf 30 000 Euro, weil der Kunde und er „nicht dieselbe Sprache gesprochen haben“, wie er sagt. „Bis heute bin ich mir sicher, dass mich der potenzielle Ärger im Laufe der Zusammenarbeit viel teurer gekommen wäre als der Verzicht auf den Auftrag.“

Vorsicht, wenn Erfahrung fehlt

Trotz der weiten Verbreitung stehen viele Entscheider auch heute noch nicht offen zu der Rolle, die das Bauchgefühl für sie im Job spielt. Branchenübergreifend sehen 68 Prozent aller männlichen und 57 Prozent aller weiblichen Führungskräfte hierzulande die Intuition als verbotenes Thema im Kollegenkreis an. Dies geht aus der Studie „Kreativität und Intuition im Unternehmensalltag“ der Frankfurter Unternehmensberatung Proxidea unter mehr als 500 Führungskräften hervor. Demnach glauben zwar 80 Prozent der Frauen, dass sie intuitiver sind als Männer. Unternehmensentscheidungen treffen aber zwei Drittel nach eigener Aussage jedoch eher rational.

Das muss allerdings nicht immer eine schlechte Idee sein. Denn nicht in allen Situationen sollte man nach Ansicht der Experten der inneren Stimme trauen. „Je mehr der Entscheider bekanntes Terrain verlässt, desto eher wird sein Bauchgefühl nutzlos sein oder ihn sogar in die Irre führen“, warnt Professor Pfister. Das gelte insbesondere für Bauchgefühlerprobte Handwerker. Denn wer gelernt hat sich auf seine Intuition zu verlassen, neigt laut Pfister dazu, sie auch auf Gebieten außerhalb der eigenen Erfahrungswelt einzusetzen.

„Gerade dann“, so Pfister, „sollte der Unternehmer aber nicht intuitiv, sondern überlegt vorgehen.“ Für die Berufspraxis heißt das, stets strikt zu unterscheiden: Wo ich Erfahrung habe, kann ich meiner Intuition trauen. Wo nicht, bitte nur dem Kopf folgen.