Erbschaftsteuer Die Kids können kommen

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Erbschaftsteuer

Nachfolge ist endlich wieder planbar, die Reform der Erbschaftsteuer bringt sogar neue Chancen für den Nachwuchs. Wie Sie es schaffen, dass die Übergabe in der Familie immer noch steuerfrei bleibt.

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    © Bert Bostelmann
    Johannes (li.) und Michel Schneider haben gemeinsam mit Vater Bruno (re.) einen Plan aufgestellt, wie die schrittweise Übergabe der Schneider Bau Gruppe in Merxheim in den nächsten Jahren erfolgen soll: »Wir haben die beste Lösung für die Zukunft des Betriebs gesucht und diese steuerlich optimiert.«
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    © Söhngen
    Thilo Söhngen, Vizepräsident des Steuerberaterverbands Westfalen-Lippe, Fachberater für Unternehmensnachfolge, Fachautor renommierter Unternehmens­publikationen zur Nachfolge sowie Inhaber einer Steuerkanzlei mit Sitz in Hagen: »Der Junior muss die Firma mindestens fünf Jahre lang weiterführen.«
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    © Elisabeth Hörterer
    Margit und Heribert (re.) Niedermaier, Inhaber von Niedermaier Haustechnik in Hohenpolding (Bayern), wollen Sohn Peter in Kürze ein Viertel der Anteile am Betrieb überschreiben – ihr Abschied in den Ruhestand ist dann in rund zehn Jahren geplant.
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    © Sprißler
    Gregor B. Sprißler, Partner der renom­mierten Steuerkanzlei Korte und Partner in Recklinghausen, langjähriger Experte für Vermögensübertragungen, Erbfolge sowie die Gestaltung von Nachfolgeregelungen im Mittelstand: »Selbst für Experten ist es schwierig, die Höhe der Erbschaftsteuer zu ermitteln.«

Michel und Johannes Schneider übernehmen in den nächsten Jahren das Management der Schneider Bau Gruppe mit Hauptsitz in Merxheim. Die Staffelübergabe von Vater Bruno auf den Betriebswirt (Michel) und den Bauingenieur (Johannes) soll in mehreren Etappen erfolgen , die Übergabe der ersten Anteile ist für das kommende Jahr geplant: „Wir haben mit unserem Steuerberater die Chancen und Risiken bis ins Detail diskutiert und auch noch einen Unternehmensberater hinzugezogen, der uns als unabhängigerDritter bei der Vorbereitung der Staffelübergabe zur Seite steht“, erklärt Michel Schneider.

Erben und Schenken von Kleinbetrieben weiter günstig

Das macht Sinn. Denn bei der Bauunternehmung spielen nicht nur die steuerlichen Fragen eine strategische Rolle. „Wir entscheiden immer danach, wie wir die weitere Entwicklung der Firma positiv beeinflussen können. Die Belange des Unternehmens kommen zuerst. Auf dieser Grundlage wollen wir steuerlich dann die optimale Lösung realisieren“, so der designierte Juniorchef.

Die Übergabe passiert unter neuen Rahmenbedingungen. Die Bundesregierung hat im Oktober letzten Jahres die viel diskutierte Erbschaftsteuerreform durch den Bundesrat gebracht. Nach der langen Zeit der Unsicherheit können Familienunternehmer und ihre Kinder nun durchstarten und die Staffelübergabe planen. Das geänderte Erbschaftsteuergesetz ist rückwirkend zum 1. Juli 2016 in Kraft getreten. Die Neuregelung war notwendig geworden, weil das Bundesverfassungsgericht die bisherigen Regelungen gekippt hatte – sie waren zu pauschal.

Steuerfreie Nachfolgen müssen vier Voraussetzungen erfüllen

Positiv für Handwerksunternehmer: Grundsätzlich darf das Gesetz Nachfolger, die einen Kleinbetrieb geschenkt bekommen oder erben, weiter deutlich günstiger besteuern als andere. Deshalb hat die Bundesregierung keine komplette Neuregelung geschaffen, sondern die bestehenden Regelungen nur korrigiert. „Viele Nachfolgen im Handwerk können immer noch steuerfrei erfolgen“, kommentiert Professor Swen Bäuml, Partner of Counsel der WTS Group AG Steuerberatungsgesellschaft in München und Spezialist für die Besteuerung von Familienbetrieben. Nach Aussage des Experten müssen dazu vier Voraussetzungen erfüllt werden.

Voraussetzung 1: Schenkung

Werkzeuge, Firmengebäude, Maschinen oder Fahrzeuge zählen grundsätzlich zum Betriebsvermögen und sind in der Regel steuerfrei zu übertragen. „Nach neuem Recht ist es aber nicht mehr möglich, das Verwaltungsvermögen wie im bisherigen Umfang steuerbegünstigt oder sogar steuerfrei zu übertragen“, sagt Experte Bäuml. Dessen Anteil – also etwa Bankguthaben, Forderungen aus Lieferung und Leistung oder Festgeldkonten – darf nur noch 10 Prozent des begünstigten Teils des Betriebsvermögens statt bisher 50 Prozent des gesamten Unternehmenswertes betragen.

Aber: Bei Freizeit- und Luxusgütern kennt der Fiskus keine Gnade . „Oldtimer, Yachten oder Kunstwerke sollen grundsätzlich nicht steuerlich begünstigt werden“, so die Meinung der Bundesregierung. Im Klartext heißt das: Werden diese Güter im Rahmen der Betriebsübergabe mit verschenkt oder vererbt, greift der Fiskus auch darauf zu. Das gilt auch für die Briefmarkensammlung des Seniorunternehmers. Insofern macht es also absolut keinen Sinn, vor der Staffelübergabe solche wertvollen Schätzchen noch schnell in das Betriebsvermögen zu transferieren, um von Steuervorteilen zu profitieren. Die Zeiten sind mit der Reform endgültig vorbei.

Großzügiger zeigt sich der Fiskus, wenn der Betrieb etwa ein Grundstück oder Gebäude vermietet, um den Absatz eigener Erzeugnisse zu fördern. Beispiel: Eine Brauerei verpachtet ein Grundstück, das für einen Brauerei­gasthof genutzt wird. Solches Vermögen kann steuergünstig übertragen werden.

Voraussetzung 2: Haltefrist

Der Junior muss die Firma mindestens fünf Jahre lang weiterführen. „Er darf in der Zeit nicht einmal Teilbereiche verkaufen – es sei denn, der Erlös wird reinvestiert“, weiß Thilo Söhngen, Vizepräsident beim Steuerberaterverband Westfalen-Lippe, Fachberater für Unternehmensnachfolge sowie Inhaber einer Steuerkanzlei in Hagen.

Voraussetzung 3: Entnahme

Während der Weiterführung des Betriebs durch den Junior darf nur eine begrenzte Summe entnommen oder ausgeschüttet werden. Die Grenze liegt bei 150.000 Euro.

Voraussetzung 4: Lohnsumme

Mussten bisher nur Betriebe mit mehr als 20 Mitarbeitern die Lohnsummenregel beachten, gilt diese jetzt auch für Firmen mit mehr als fünf Arbeitnehmern. Hintergrund: Über 90 Prozent der Betriebe waren bisher davon nicht betroffen.

Das wollte das Bundesverfassungsgericht ändern. Konkret besagt die Lohnsummenregel, dass die Summe der Löhne zum Ende der Fünfjahresfrist zwischen 250 und 400 Prozent der Lohnsumme bei Übernahme betragen muss. „Damit soll der Fortbestand der Arbeitsplätze gesichert werden“, kommentiert Söhngen. Seit der Reform gilt also ein Stufenmodell. Wer zwischen sechs und zehn Arbeitnehmer beschäftigt, muss nach fünf Jahren insgesamt eine Lohnsumme von 250 Prozent des Anfangsbestands nachweisen. Bei elf bis 15 Mitarbeitern beträgt die Quote dann 300 Prozent und darüber hinaus eben die vollen 400 Prozent (Detailinfo siehe Seite 20).

Planen Sie die Übergabe rechtszeitig

Unternehmer Markus Bock hat frühzeitig vorgesorgt. Der Geschäftsführer der Firma Gemündener Stahl- und Metallbau GmbH hat den Betrieb mit zwölf Mitarbeitern Anfang 2015 übernommen – also noch weit vor Inkrafttreten der großen Reform. Für ihn gilt damit noch die alte Regel. „Die Nachfolge war von langer Hand über einen Zeitraum von fünf Jahren geplant. Wir haben dann ganz bewusst noch im Vorfeld der Gesetzesänderung gehandelt und alles abgewickelt, weil wir nicht wussten, was kommt“, erinnert sich Bock.

Ein Steuerberater sowie die Experten der Handwerkskammer haben den Prozess begleitet. „Wir sind so gut ausgekommen. Es gab keine Überraschungen. Dies aber wohl auch deshalb, weil wir eben frühzeitig mit den Experten gesprochen haben“, erklärt Bock.

So wurden verschiedene Szenarien durchgespielt. Es gab beispielsweise die Überlegung, dass der Senior nach der Staffelübergabe noch Anteile am Betrieb halten sollte. „Das wäre für uns steuerlich aber recht kompliziert geworden und hätte auch kaum Vorteile gebracht. Deshalb hat mein Vater das Vermögen lieber auf einen Schlag übergeben“, erläutert Bock. Der Junior führt jetzt den Betrieb mindestens fünf Jahre weiter und der Fiskus wird wohl leer ausgehen.

Erbschaftssteuer hängt vom Wert der Firma ab

Grundsätzlich gilt: Nur falls die Vorgaben für die steuerliche Verschonung nicht eingehalten werden, unterliegt die Nachfolge dann doch noch der Erbschaftsteuer. Die jeweilige Höhe hängt dann vom Wert der Firma ab. Gesetzlich vorgesehen ist das vereinfachte Ertragswertverfahren. Das funktioniert im Prinzip so:

Das Betriebsvermögen ergibt sich aus dem durchschnittlichen Jahresgewinn der letzten drei Jahre und einem Kapitalisierungsfaktor. Zuletzt lag dieser bei 18. Er wurde mit der Erbschaftsteuerreform auf 13,75 reduziert und in dieser Höhe festgeschrieben. „Mit dem niedrigen Kapitalisierungsfaktor reagiert der Gesetzgeber auf die aktuelle Niedrigzinsphase – für die Nachfolger ist das positiv, denn für sie wird die Übernahme günstiger“, sagt Ernst Gossert, Partner und Leiter der Fachabteilung Steuerrecht der auf Klein- und Mittelbetriebe spezialisierten Kanzlei Ecovis in München, „und das Bundesfinanzministerium kann auch künftig mit Zustimmung des Bundesrates den Kapitalisierungsfaktor an die Zinsentwicklung anpassen.“

Von einem herabgesetzten Kapitalisierungszinsfuß profitieren viele Firmen, weil der Fiskus damit von einem niedrigeren Betriebsvermögen als bisher ausgeht. Rechenexempel: Angenommen die Firma erreicht einen durchschnittlichen Jahresgewinn von 100.000 Euro. Dann beträgt das Betriebsvermögen 100.000 multipliziert mit dem Faktor 13,75. Das ergibt dann eine Größe von 1,375 Millionen Euro.

Fiskus rechnet Unternehmer reich

Das ist zwar eine Verbesserung. Dennoch wissen Experten: Der Fiskus rechnet Unternehmer gerne reich. Auch nach der Absenkung des Kapitalisierungsfaktors ergeben sich unrealistisch hohe Unternehmenswerte. Die Berater verwenden aus diesem Grund betriebswirtschaftlich anerkannte Bewertungsverfahren. „Deshalb ist es sinnvoll, kostenlos ein professionelles Gutachten von der Handwerkskammer erstellen zu lassen“, erklärt Wolfgang Stumpf, Nachfolgeberater der Kammer Unterfranken in Würzburg.

Im Handwerk hat sich zur Bewertung eines Betriebes das AWH-Verfahren etabliert. Es ist vom Finanzamt anerkannt, weist aber niedrigere Werte aus als das vereinfachte Ertragswertverfahren. Das Kürzel steht für Arbeitsgemeinschaft der Wert ermittelnden Betriebsberater im Handwerk. Die Gewinne der letzten Jahre werden analysiert und um Einmaleinflüsse bereinigt. Es geht darum, die Erträge der nächsten Jahre zu prognostizieren und daran den Wert zu bemessen.

Auch hier spielt die Höhe des Kapitalisierungszinsfußes die entscheidende Rolle. In diesen fließt das unternehmerische Risiko mit ein. Seine Höhe variiert, abhängig von der Branche und vom finanzwirtschaftlichen Risiko. Beim AWH-Verfahren berücksichtigt der Kapitalisierungszinsfuß acht Risiko-/Erfolgsfaktoren wie etwa das Leistungsangebot, die Kunden- und Lieferanten- sowie die Mitarbeiterstruktur.

Nachfolger Schritt für Schritt auf Übergabe vorbereiten

Margit Niedermaier in Hohenpolding hat gemeinsam mit ihrem Mann Heribert ein Gutachten von den Experten erstellen lassen. „Für uns war das ein voller Erfolg und wir können jedem empfehlen, seine Firma frühzeitig bewerten zu lassen“, sagt Niedermaier. Das Familienunternehmen Niedermaier Haustechnik soll in einigen Jahren auf den Sohn übertragen werden. „Wir brauchten deshalb eine konkrete Vorgabe, wie viel Vermögen in unserem Betrieb steckt“, so die Chefin.

Ihr Sohn Peter hat seine Gesellenprüfung in der Tasche und steht mit 22 Jahren bereits kurz vor der Meisterprüfung. „In Kürze soll er ein Viertel der Anteile an unserem Betrieb mit 20 Mitarbeitern von meinem Mann übertragen bekommen“, sagt Niedermaier. Dabei peilt das Senior-Ehepaar erst in rund zehn Jahren an, sich in den Ruhestand zu verabschieden. „Wir sind beide erst Anfang 50 Jahre. Wir wollen unseren Sohn aber Schritt für Schritt auf die Geschäftsführung vorbereiten. Er soll sich schon jetzt für den Erfolg des Unternehmens mit in der Verantwortung sehen“, erläutert Niedermaier.

Die Nachfolgeplanung wird vom Steuerberater begleitet. „Wir gehen davon aus, dass wir steuerfrei übergeben können“, so Niedermaier. Ein kleines Risiko ist allerdings dabei: Experten befürchten, dass die Neuregelungen zur Erbschaft- und Schenkungsteuer in ein paar Jahren erneut auf dem Prüfstand stehen könnten. Die Finanzgerichte und vielleicht auch das Bundesverfassungsgericht werden sich vermutlich noch damit beschäftigen. Denn einige Privilegien sind für kleine und mittlere Unternehmen ja weitgehend erhalten geblieben.

Neuer Spielraum für Unternehmer

Sie eröffnen sogar Spielräume für steueroptimale Gestaltungen. Ein Beispiel: Falls die Firma zu viel Verwaltungsvermögen hält, kann ein Teil des Hab und Gutes vorab verkauft werden. Der Erlös darf in Produktivvermögen – also etwa in Maschinen – reinvestiert werden. Diese Taktik bietet sich beispielsweise an, falls der Unternehmer Anlagevermögen erst geleast hat und sich dann entscheidet, es im Eigentum zu halten. „Man muss allerdings bedenken, dass der Erlös aus dem Verkauf auch steuerpflichtig wird. Deshalb gilt es bei solchen Überlegungen schon die Vor- und Nachteile immer gegeneinander abzuwägen“, sagt Söhngen.

Unterm Strich zeigt das alles: Das deutsche Erbschaftsteuerrecht ist und bleibt kompliziert. Es sind auch noch nicht alle Details der Reform geklärt. „In den nächsten Monaten sind noch Erläuterungen der Finanzverwaltung zur Auslegung des Gesetzes zu erwarten“, erklärt Gregor B. Sprißler, Partner der renommierten Kanzlei Korte und Partner in Recklinghausen und Experte für Erbfolge- sowie Unternehmensnachfolge.

Selbst für Steuerexperten ist es noch schwierig, die Höhe der Erbschaftsteuer bei Vermögensübertragungen zu ermitteln. „Wir arbeiten mit entsprechenden Programmen und aufwendigen Excel-Tabellen. Ein Taschenrechner reicht dazu nicht mehr aus“, so Sprißler. Insofern also kann sein Tipp nur lauten: „Wer Vermögen vorab verschenken will, sollte sich umfassend und frühzeitig von einem Steuerexperten beraten lassen.“

Nachfolgeplanung: Die drei teuersten Fehler

Wer seinen Betrieb an einen Nachfolger in der Familie übergeben möchte, sollte jeden einzelnen Schritt genau prüfen. Denn Fehler können im Einzelfall sehr teuer werden. Auf die folgenden drei Punkte sollten Sie besonders achten.

  1. Geschenkt ist geschenkt: Steuerfrei Vermögen zu vergeben – womöglich mehrmals in Tranchen – kommt dem Nachwuchs gut zupass. Allerdings sollte der Schritt auch persönlich wohlüberlegt sein: Denn nach der Übertragung hat der Senior keinen Zugriff mehr.
  2. Privat ist privat: Mitunter werden die betriebliche und die familiäre Sphäre nicht klar getrennt – zum Beispiel die betrieblich genutzte Immobilie im Privatvermögen des Ehepartners gehalten und an die Firma vermietet. Bei solchen Konstellationen kann es richtig kompliziert werden. Kluge Unternehmer lassen sich frühzeitig von einem erfahrenen Steuerexperten beraten.
  3. Abfindungen zahlen: Bei mehreren Erben – also falls der Nachfolger Geschwister hat – werden möglicherweise Abfindungszahlungen relevant. Diese sollte der Senior vor der Übertragung entnommen und das Geld dann selbst an die nicht am Betriebsvermögen beteiligten Kinder geben. Damit kann vermieden werden, dass steuerschädliches – also steuerpflichtiges Verwaltungsvermögen – weitergegeben wird.