Building Information Modeling: Kein Bammel vor BIM

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Noch wirkt es abstrakt, doch Building ­Information Modeling (BIM) wird bald in den Alltag von Handwerksbetrieben vordringen. Wer sich jetzt damit befasst, hat einen Vorsprung.

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    Die transparente Baustelle – mit BIM soll sie Realität werden und damit die Pannenrate minimieren.
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    © HWK Berlin, Elke Sarkandy
    „Wer nicht mit BIM umgehen kann, wird ­mittelfristig keinen Auftrag mehr bekommen.“ Siegfried Ulrich, ­ Beauftragter für Inno­vation und Technologie der Handwerkskammer Berlin.
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    © Chart: handwerk magazin
    Fast jeder Vierte glaubt, dass sich BIM bis in zehn Jahren durchsetzt, ermittelte das Fraunhofer-Institut IAO in einer Studie.
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    © Chart: handwerk magazin
    Der größte Vorteil von BIM ist: Alle Daten werden in einem zentralen Gebäudedatenmodell erfasst und sind von allen Beteiligten einzusehen. Die Planungsinformationen aller Baubereiche werden sukzessive hinzugefügt und nutzbar gemacht. (Quelle: BIM-Leitfaden für Deutschland)

Die deutsche Bauwirtschaft hat sich zuletzt nicht mit Ruhm bekleckert. Die Durchführung von Großprojekten erinnert eher an das Gewurstel in Bananenrepubliken als an die Genauigkeit und Präzision deutscher Ingenieurskunst. Ob Stuttgart 21, die Elbphilharmonie oder der Berliner Flughafen – überall offenbarte sich ein hohes Maß an Pfusch. Zeitliche Fristen wurden ignoriert, als seien sie unverbindliche Vorgaben, die kalkulierten Baukosten wurden um ein Vielfaches getoppt.

Diese Pannen, die weltweit für Aufsehen sorgen, dürften aber Einzelfälle bleiben. Denn demnächst kommt BIM, eine Methode, die verhindern soll, dass einzelne Gewerke nebeneinander herwursteln oder dass Kalkulationen missachtet werden. BIM steht für Building Information Modeling und bedeutet, dass das Bauvorhaben als dreidimensionales Modell im Computer betrachtet werden kann. Alle für das Projekt wichtigen Informationen sind dort digital hinterlegt, alle am Bau Beteiligten können darauf zugreifen und dort in Echtzeit den Baufortschritt beobachten. Ändert sich ein wichtiges Detail, wird sofort sichtbar, welche Folgen dies auf das ganze Gebilde hat.

Sicher planen und investieren

Das Berliner Bauunternehmen Bleck & Söhne nutzt BIM bereits seit einigen Jahren und gehört damit zu den Vorreitern. Gerade eben habe er wieder fünf Mitarbeiter schulen lassen, berichtet Geschäftsführer Mario Kalmuczak. Denn die Nachfrage ist groß. Es hat sich herumgesprochen, dass das Unternehmen durch die Methode seinen Kunden Vorteile bieten kann, die andere nicht haben. „Die Methode gewährleistet Planungs- und Investitionssicherheit“, sagt Kalmuczak. „Wir können alle Bauabläufe visualisieren. Und wir weichen höchsten drei Prozent vom Kostenvoranschlag ab, nicht zehn oder 15 Prozent, wie es sonst oft vorkommt.“

Die Kunden sind Genossenschaften, die große Wohnanlagen errichten wollen, aber auch private Häuslebauer. Sie wissen die neue Transparenz zu schätzen. Denn es gehört durchaus zum Handwerker-Alltag, dass das Abwasserrohr mal im Schlafzimmer mündet oder die Steckdose hinter dem Heizkörper angebracht ist. Solche Pannen ereignen sich, weil die Darstellung auf Plänen, die unter den Gewerken herumgereicht werden, an ihre Grenzen stoßen. „Keller, Erdgeschoss, Erster Stock, Dachgeschoss – wenn man da die Pläne übereinander legt, kann man manchmal vor lauter Strichen nichts mehr erkennen“, sagt Kalmuczak. BIM dagegen visualisiert die Pläne am Computer so, dass man nicht nur erkennen kann, ob der Kessel neben die Heizungsanlage passt, sondern auch, ob die Monteure Platz genug haben, um ihn die Kellertreppe herunterzutragen.

Erste Pilotprojekte

BIM wird kommen, soviel steht fest. Vor wenigen Wochen hat die Reformkommission des Bundesverkehrsministeriums einen Bericht vorgelegt, der zeigt, wie Planungspannen bei Baustellen künftig vermieden werden können. Darin fordert sie die Umsetzung von zehn Punkten. Einer davon ist die Nutzung der digitalen BIM-Methode. Das Ministerium fördert erste Pilotprojekte, darunter den Bau des Tunnels Rastatt, eine unterirdisch verlaufende Eisenbahnstrecke zwischen Karlsruhe und Basel. Zudem hat die EU eine BIM-Richtlinie verabschiedet, die bis 2016 in Deutschland in nationales Recht umgewandelt werden muss. Vorstellbar ist damit, dass sich bereits ab 2016 nur noch Firmen an den Ausschreibungen größerer Bauprojekte beteiligen können, wenn sie nach der BIM-Methode vorgehen.

Was aber bedeutet diese Entwicklung für den Handwerkbetrieb? BIM, so scheint es, ist erst einmal eine Angelegenheit für Großprojekte, deren Investitionen sich im Millionenbereich bewegen. Falsch, meint Siegfried Ulrich, Beauftragter für Innovation und Technologie bei der Handwerkskammer Berlin. „Das Handwerk sollte sich umgehend und intensiv mit BIM befassen. Denn mittelfristig wird man von Kunden zuerst aus der Industrie und der Immobilienwirtschaft, aber auch als Subunternehmer keinen Auftrag mehr bekommen, wenn man nicht mit BIM umgehen kann.“

Als Erstes dürften die Betriebe betroffen sein, die an Großprojekten mitarbeiten wollen. Denn wenn in der Ausschreibung BIM als Standard verlangt wird, ist es wahrscheinlich, dass der Auftragnehmer dies auch von seinen Subunternehmen einfordert. „Der Handwerker muss also auf das Modell zugreifen und herausfinden können, was er braucht“, sagt Jens Bille vom Heinz-Piest-Institut für Handwerkstechnik an der Leibniz Universität Hannover (HPI). „Er muss die Informationen lesen können, die sein Gewerk betreffen und daraus seine Kalkulation ableiten.“ Eine Kalkulation, die eine Punktlandung sein sollte, denn der Auftrag ist in seiner voll umfänglichen Dimension sichtbar.

Handwerksbetriebe, die mit CAD-Software arbeiten, sind bei dieser Entwicklung im Vorteil. Denn die meisten CAD-Softwareanbieter bieten über ihre Schnittstellen BIM-Viewer an, die man sich im Netz herunterladen kann. So weit die Theorie. In der Praxis treten dann aber die ersten Probleme im Datenaustausch oder im Umgang mit dem Programm auf, vielleicht verkraftet auch der Server die erforderliche Kapazität nicht. „Man muss sich in die neue Software einarbeiten und in eine Schulung investieren“, so Bille. Das aber geht nur, wenn im Unternehmen BIM zur Chefsache erklärt wird.

Angebote der Kammern

Die Kammern arbeiten derzeit entsprechende Weiterbildungsangebote aus, auch das Bundesforschungsministerium tüftelt unter dem Namen eWorkBau an einem webbasierten Lernkonzept für Handwerker.

Noch ist allerdings die Zurückhaltung hierzulande groß. Das Fraunhofer Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation hat kürzlich eine Umfrage unter Architekten, Planern und ausführenden Unternehmen durchgeführt. Danach ist die Branche noch weit von der digitalen Baustelle entfernt. Von den rund 400 Befragten können 20 Prozent mit dem Begriff „BIM“ nichts anfangen, 18 Prozent halten die Methode für ungeeignet, nur 14 Prozent arbeiten bereits damit. Und 17 Prozent sagen: BIM wird sich nie durchsetzen.

Allerdings sind auch knapp 40 Prozent der Ansicht, dass BIM in den nächsten fünf bis zehn Jahren zum Alltag zählen wird. Noch ist genügend Zeit, um sich damit zu befassen und sich der Methode zu nähern. Das könnte später Vorteile am Markt bringen. Betriebe, die mit BIM umgehen können, sind für Nachwuchskräfte als Arbeitgeber attraktiv. Und Handwerker, die mit BIM vertraut sind, werden schon bald sehr gefragt sein: als Experten einer Methode, die das Handwerk von Morgen prägen könnte.

Was Sie wissen müssen:

BIM wird auch für Handwerker wichtig. Eine EU-Richtlinie sieht vor, dass ab 2016 bei Ausschreibungen BIM vorgeschrieben werden kann.

Was ist BIM?
Bislang zeichnete der Architekt am Computer einen Entwurf, der als Grundlage für Genehmigungen, Kostenvoranschläge und Aufträge an Firmen diente. Nach jeder Änderung musste eine neue Zeichnung ausgedruckt und allen Beteiligten ausgehändigt werden. Bei BIM werden alle Daten zentral erfasst, das Gebäude ist als 3D-Modell für alle am Bildschirm einsehbar. Betriebe können damit exakt den Umfang ihrer Arbeit kalkulieren.

Was sollten Handwerksbetriebe jetzt tun?
Sinnvoll ist es, mit der zuständigen Handwerkskammer Kontakt aufzunehmen. Diese entwickeln derzeit unterschiedliche Fortbildungsmaßnahmen zum Thema. Angeboten werden zum Beispiel mehrstündige Kurse, in denen man den Umgang mit BIM-Viewern lernen kann.

Wo kann ich mich informieren?
Die Website ework-bau.de, gefördert von Staat und EU, soll zur Plattform ausgebaut werden und multimediale Lernkonzepte und Vorträge zum Download enthalten. Die Seite buildingsmart.de informiert über Kongresse, Symposien oder Fachforen. Auf der Website des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung, bbsr.bund.de, lässt sich ein BIM-Leitfaden herunterladen.