Bewertungsportale: Betriebe wehren sich gegen ungerechtfertigte Herabstufungen

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Dutzende Unternehmen wehren sich gegen die Herabstufung Bewertung auf dem Bewertungsportal yelp. Im Interview erklärt der Berliner Anwalt Jens Steinberg, warum der Wechsel von qype zur yelp so vielen Unternehmern ihren - bis dahin - guten Ruf kostete.

Rechtsanwalt Jens Steinberg in Berlin hilft Betrieben im Streit mit dem Bewertungsportal yelp. - © Kanzlei Greyhills, Berlin

handwerk magazin: Was ist der Streitpunkt in den von Ihnen betreuten Fällen?
Jens
Steinberg: Alle von uns vertretenen Unternehmen waren auf dem früheren deutschen Bewertungsportal qype jeweils mit Gesamtnoten von vier bis fünf Sternen bewertet. Im Zuge der Übernahme von qype durch yelp wurden Anfang des Jahres 80 bis 90 Prozent ihrer qype-Kundenbewertungen als „nicht empfohlen“ eingestuft. Damit waren diese für Besucher nur noch verdeckt sichtbar und, was noch gravierender ist, flossen nicht mehr in das Gesamturteil ein. Weil es sich bei den zurückgestellten Bewertungen in aller Regel um positive Stellungnahmen handelte, wurden die Firmen mit einem Federstrich auf zwei Sterne oder weniger herabgestuft.  

Wie begründet Yelp diese Wandlungen?
Der Portalbetreiber verweist auf seine „Empfehlungssoftware“, die die Einstufung vollautomatisch vornehme und die Glaubwürdigkeit von Bewertungen eben anders einschätze als vorher qype.

  yelp verteidigte auf hm-Anfrage dieses rein technische Vorgehen, „damit die gleichen Standards für jedes Geschäft und jeden Beitrag angewendet werden“ könnten. Kann Software nicht wirklich vorurteilsfreier und unparteiischer sein als Menschen?
Dann sollten wir darüber nachdenken, demnächst auf Richter zu verzichten. Wir könnten Schriftsätze einfach einscannen und dann Computer entscheiden lassen. Nein im Ernst: Rechner können einen Sachverhalt nur nach vorher einprogrammierten Kriterien bewerten. Genau diese Kriterien aber legt yelp nicht offen, sondern lässt sie sehr im Nebulösen. Erkennbar ist, dass yelp Bewertern, die in der yelp-Community besonders aktiv und vernetzt sind, besonderes Vertrauen entgegenbringt.

  Was spricht dagegen?
Vor allem der von yelp offensichtlich gezogene Umkehrschluss, dass Bewertungen von nicht bei yelp Vernetzten und Erstbewertern nicht vertrauenswürdig, sprich „nicht empfehlenswert“ sind. Das ist, als würde man Zeugen vor Gericht erst bei ihrer zweiten oder dritten Aussage für voll nehmen. Nach unserer Überzeugung verzerrt yelp mit seiner derzeit gängigen Praxis unzulässig die Meinung der Community. Der Portalbetreiber bildet sich eine von den tatsächlichen Bewertungen abweichende eigene Meinung und veröffentlicht diese, während das tatsächliche Gesamtbild unsichtbar gemacht wird. Warum das geschieht und nach welchen Kriterien, ist für Außenstehende und Betroffene nicht nachvollziehbar. Ein solch willkürliches Urteil stellt einen Eingriff in das Unternehmenspersönlichkeitsrecht dar, der durch das in der Verfassung garantierte Recht auf freie Meinungsäußerung nicht gedeckt ist.

  Sie werten die Umbewertungen als Meinungsäußerung von yelp?
Natürlich. Eine Herabstufung von fünf auf zwei Sterne bedeutet im yelp-Jargon zum Beispiel einen Wandel des Gesamturteils von „Wow! Besser geht’s nicht!“ auf „Och nö, da kenn ich besseres!“ Wer nach dem Wegfall von zahlreichen Positivbewertungen plötzlich nur noch einen Stern vorweisen kann, landet sogar bei „Boah, das geht ja mal gar nicht!“. Eine solche Abwertung aus nicht nachvollziehbaren Gründen verletzt die Geschäftsehre. Das muss sich kein Unternehmer gefallen lassen.

  Wie können Betroffene dagegen vorgehen?
Der schnellste Weg, dagegen vorzugehen, ist eine einstweilige Verfügung. Die muss allerdings bis spätestens einen Monat, nachdem der Betroffene von dem Sachverhalt und dem Verursacher erfahren hat, beantragt werden. Ist diese Frist verstrichen, bleibt nur eine Hauptsacheklage. Die kann innerhalb von drei Jahren eingereicht werden.

Mit welchen Kosten müssen Kläger rechnen?
Eine Abmahnung, die der Einstweiligen Verfügung vorauszugehen hat, kostet etwa 380 Euro. Der Verfügungsantrag selbst schlägt mit ungefähr tausend Euro zu Buche, zuzüglich Gerichtskosten von einigen Hundert Euro. Da yelp, das seinen Sitz in Irland hat, auf einer Übersetzung ins Englische besteht, sollten dafür zusätzlich mindestens 400 Euro eingeplant werden, bei komplizierten Sachlagen deutlich mehr. Kommt es zur Hauptsache-Verhandlung – was zum Beispiel auch der Fall sein kann, wenn yelp die Verfügung nicht akzeptiert, können leicht Kosten von 5.000 Euro und mehr entstehen. Diese Gelder vom Prozessgegner mit einem europäischen Vollstreckungstitel wieder einzutreiben, dürfte schwierig, in jedem Fall langwierig werden. Auf der sicheren Seite sind Unternehmen, die eine Firmen-Rechtsschutzversicherung besitzen. Denn die Policen decken solche einfachen Abwehransprüche in aller Regel ab.

Wie stehen die Erfolgsaussichten?
Da es noch keine Rechtsprechung zu solcher Art von Filtersoftware gibt, handelt es sich praktisch um Präzedenzfälle. Bei den bisher verhandelten und erlassenen Einstweiligen Verfügungen haben die Landgerichte in Hamburg, Kassel und München aber übereinstimmend unsere Auffassung geteilt.