Betriebskonzept: Zurück in die Zukunft

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Wie kann sich der neue Qualitätsanspruch vieler Metzgereibetriebe rechnen? Indem man überkommene Vorurteile aufgibt und die neue und die alte Welt intelligent miteinander verbindet.

Qualität rechnet sich durch E-Commerce: Dorfmetzger Carsten Neumeier macht ein Drittel seines Umsatzes online. - © Hendrik Haase

Auf der letzten Weihnachtsfeier stellten die drei Brüder den neuen Imagefilm der Metzgerei ihren Mitarbeitern vor. Lars, Sven und Jörg Lindauer, alle um die dreißig, hatten den elterlichen Betrieb in Mühlacker bei Stuttgart vor zwei Jahren übernommen. Im Zentrum des Clips: die Schlachtung eines Sattelschweins in der Metzgerei – und das Bekenntnis zu Transparenz, Qualität und Handwerk. „Alle fanden es super“, freut sich Lars Lindauer, 29 Jahre, der sich um die Kommunikation kümmert. Er hat auch den Online-Auftritt inklusive einer Facebook-Seite neu gestaltet. „Der Schnitt war hart im Vergleich zu vorher“, sagt Lindauer.

Früher sorgte ein Tütenlieferant noch für Allerwelts-Flyer und Poster. Heute sehen sich die Brüder bestätigt: Seit der Neuausrichtung kommt jüngeres und anspruchsvolleres Publikum. Die Geschäfte laufen prächtig: „Offenheit und die Transparenz führen auch dazu, dass unsere Kunden wieder wahrnehmen, was die Qualität des Handwerkers von nebenan ausmacht“, sagt er. Doch wie kann sich diese Qualität rechnen?

Für die Lindauers ist die eigene Schlachtung und die direkte Verarbeitung des gesamten Tieres kein neuer „Nose-to-tail“-Trend, sondern die beste ökonomische Wertschöpfung, die sie sich vorstellen können: „Wenn man weiß, wie man das ganze Tier veredeln kann, ist man in jedem Fall auf der Gewinnerseite“. Heute wird weniger weggeworfen, das hilft, den neuen Anspruch zu finanzieren.

E-Commerce wird zweites Standbein

Für viele engagierte Betriebe ist der Online-Handel zu einem weiteren Standbein für den Vertrieb ihrer handwerklichen Produkte geworden. Das hat auch Dorfmetzger Carsten Neumeier früh erkannt. Die Landfleischerei in Hessisch Lichtenau nahe Kassel verschickt heute 50 Pakete pro Woche nach ganz Deutschland, aber auch Frankreich, Benelux und Dänemark. Die Kartons sind gefüllt mit gereiften Rohwurstspezialitäten, wie der „Ahlen Wurscht“, aber auch mit Leberwürsten und sogar frischen Bratwürsten, die gut isoliert in der Styroporbox per Express versendet werden.

Der Online-Shop hat das Geschäft vor Ort verändert. In Zeiten, wo es im Dorf immer weniger wurde, wuchs die überregionale Nachfrage, und die Mitarbeiter mussten lernen, dass Kistenpacken jetzt zu ihren Aufgaben gehört. Heute macht das Online-Geschäft rund ein Drittel des Umsatzes aus und ist zu einem wichtigen Standbein geworden. „Das ging nicht von gestern auf heute und war ein langer Weg“, gibt Neumeier zu bedenken.

Dabei muss nicht jeder Metzger das Rad neu erfinden. Gute Online-Händler sind fit, was die Logistik angeht. „Wir können auch bei 30 Grad Hitze im August noch ein Stück Fleisch perfekt gekühlt liefern. Ein Online-Shop ist schnell eröffnet, für optimale Logistik zu sorgen dagegen kein Kinderspiel“, berichtet Hans-Georg Pestka, Gründer des Online-Händlers genusshandwerker.de. Für Pestka ist der Vertrieb über das Internet ein sich rasant entwickelnder Markt, der noch viel Potenzial bietet.

Angesichts der steigenden Nachfrage nach guten handwerklichen Produkten, fragt sich Pestka, „wie das die Metzgerzunft so verschlafen konnte?“ Er fordert mehr Engagement und mehr Experimente. Den Online-Handel sieht er dabei als Verbündeten, um neue Kunden zu erreichen, die vielleicht nicht mehr den Weg ins Ladenlokal finden, aber dennoch auf der Suche nach guten Lebensmitteln sind: „Viele Kunden  suchen Spezialitäten, die sie in ihrer Region nicht mehr oder nicht mehr in der erwarteten Qualität finden.“

Trotz aller Faszination für das Online-Geschäft weiß Metzger Neumeier, wie wichtig die reale Metzgerei vor Ort mit eigener Schlachtung und Warmfleischverarbeitung für die neue Wertschöpfungskette ist. „Irgendwann stehen die Kunden bei dir auf dem Hof und wollen sehen, woher die Wurst kommt, die sie von Hamburg oder München aus online bestellen. Da kannst du den Leuten nichts mehr vormachen. Da musst du ehrlich sein.“

Es gäbe grundsätzlich zwei Möglichkeiten für einen Fleischereibetrieb, meint Sven Lindauer über die aktuelle Situation: „Immer billiger oder immer besser. Jeder Metzger muss sich entscheiden, welchen Weg er gehen will.“