Bankrott: Schneller durch die Insolvenz

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Seit dem 1. Juli 2014 gilt das neue Verbraucherinsolvenzverfahren. Das Ziel: Der steinige Weg in die Schuldenfreiheit soll abgekürzt werden. Doch das gelingt längst nicht in der Mehrzahl der Fälle.

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    © Illustration: Meriel Jane Waissman/iStockphoto
    Neustart mit Hindernissen: Auch wer nach drei Jahren schuldenfrei ist, bleibt bei der Schufa eingetragen.
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    © Allemand
    „Es ist wichtig, sich frühzeitig mit der Möglichkeit einer Insolvenz auseinander­zusetzen.“ Hildegard Allemand, ­Fachanwältin für Insolvenzrecht in Köln.

Elektrikermeister Gero E. hatte die Installationsarbeiten am Neubauprojekt gerade abgeschlossen, als der Bauträger Pleite machte: ein Ausfall im sechsstelligen Bereich. Das Unternehmen des eingetragenen Kaufmanns war zuletzt schnell gewachsen, er hatte investiert. Jetzt fehlten die Mittel, um die Kredite zu bedienen und seine Leute zu bezahlen. E. beantragte Insolvenz und Restschuldbefreiung, denn trotz Verwertung von Betrieb und Privatvermögen blieben unbezahlbare Schulden. Sechs Jahre musste er sich um Arbeit bemühen und alles Einkommen oberhalb des Pfändungsfreibetrags in Höhe von rund 1000 Euro abliefern. Dann strich das Gericht die Schulden.

Tausende Handwerker betroffen

Jetzt sollen es Chefs leichter haben: Wer 35 Prozent der Insolvenzforderungen plus Verfahrens­kosten bezahlt, wird schon nach drei Jahren schuldenfrei, nach fünf Jahren, wer wenigstens die Verfahrenskosten beglichen hat.

Die Reform betrifft Handwerker besonders. Denn der Fall Gero E. ist typisch. 5390 Handwerksbetriebe beantragten 2013 laut Creditreform Insolvenz. Das ist für Einzelunternehmer und eingetragene Kaufleute zugleich die persönliche Insolvenz. Ist das Unternehmen eine Gesellschaft, bekommt die zwar ein gesondertes Insolvenzverfahren. Doch bei OHG oder GbR haften die Gesellschafter laut Gesetz persönlich für Firmenschulden, die das Gesellschaftsvermögen nicht deckt. Und bei GmbH oder GmbH & Co. KG geht es fast nie ohne persönliche Sicherheiten ab. Folge: Kann der Handwerker diese persönlichen Folgeschulden der Firmenpleite nicht zahlen, helfen nur Privatinsolvenz und Restschuldbefreiung.

Rückzahlungsquote viel zu hoch

Dass es den Schuldenschnitt schneller geben soll, haben die meisten Experten begrüßt. Aber: „Eine Quote von 35 Prozent in drei Jahren ist völlig irreal“, sagt Kai Henning, Fachanwalt für Insolvenzrecht in Dortmund, „zumal dazu noch die Verfahrenskosten kommen.“ Tatsächlich gehen allein an den Verwalter 40 Prozent der ersten 25 000 Euro der Insolvenzmasse, 25 Prozent bis 50 000, dann weniger. Da werden aus den 35 Prozent schnell 50 und mehr. Die Chancen, diese Hürde zu nehmen, steigen durch einen frühen Insolvenzantrag, ehe das betriebliche und private Vermögen bis zum letzten Cent verbrannt ist. Auch dazu will die Reform motivieren. Doch das verlangt Selbstüberwindung, denn „viele haben Hemmungen, sich mit dem Thema Insolvenz auseinanderszusetzen“, sagt Attila von Unruh. Er weiß das aus der Initiative „Anonyme Insolvenzler“, die er nach eigener Insolvenzerfahrung zum Abbau von Berührungsängsten und für den Austausch von Erfahrung und Information ins Leben rief (anonyme-insolvenzler.de).

Auf das Timing kommt es an

Die wohl wichtigste Möglichkeit, die 35-Prozent-Mindestquote zu knacken, sind Zuschüsse von dritter Seite, auch vom Ehepartner. Die Gefahr: Gleicht dieser einen Teil der Schulden vor Insolvenzantragstellung an einen von mehreren Gläubigern aus, kann der Insolvenzverwalter die Tilgung wieder rückgängig machen –und das bis zehn Jahre zurück. Nach dem Insolvenzantrag kann der Schuldner im neuen Planverfahren mit allen Gläubigern verhandeln. Stimmen die Mehrheit der Gläubiger und das Insolvenzgericht zu, können Insolvenzverwalter und einzelne vermeintlich benachteiligte Gläubiger nicht mehr dazwischenfunken. Hildegard Allemand, Fachanwältin für Insolvenzrecht in Köln, rät Betroffenen dazu, möglichst frühzeitig einen kompetenten Berater zu engagieren: „Es ist wichtig, die rechtlichen Möglichkeiten zu kennen, auch ob und wann ein Insolvenzantrag sinnvoll ist.“

Wenn die Gläubiger unter dem Strich mehr bekommen als beim regulären Verfahren, ist jeder denkbare Weg zur Schuldenbefreiung im Insolvenzplanverfahren erlaubt. Dazu gehören auch Zuschüsse der Familie einschließlich des Ehepartners. Davon bekommt der Insolvenzverwalter nichts, alles geht an die Gläubiger. Für den Schuldner kann der Plan sofortige Schuldenfreiheit bringen, schon vor Ablauf der drei Jahre und mit weniger als 35 Prozent. Stimmt die Gläubigermehrheit für den Plan, kann das Gericht ihn gegen den Rest durchsetzen.

Die Reform hat einen großen Makel: Egal wie es zum Schuldenschnitt kommt, was immer bleibt, ist der Schufa-Eintrag. „Konsequenz ist, dass der Schuldner weitere drei Jahre nicht vollwertig am Wirtschaftsleben teilnehmen kann. Das führt die Restschuldbefreiung ad Absurdum“, sagt Allemand und fügt mahnend hinzu: „Wir brauchen die Leute, auch ihre Erfahrung mit dem wirtschaftlichen  Scheitern.“