Personal Wie Sie jetzt noch Fachkräfte im Handwerk finden

Was tun, wenn Sie mehr Fachkräfte brauchen, als Sie selbst ausbilden können? handwerk magazin hat bei den Chefs nachgefragt und vier praxiserprobte Wege gefunden. Zum Nachahmen empfohlen!

  • Bild 1 von 5
    © Illustration: Thomas Di Paolo
  • Bild 2 von 5
    © handwerk magazin
    Viel Druck, keine Anerkennung und wenig Flexibilität bei der Gestaltung der Arbeitszeit: Viele Handwerksbetriebe haben bei der Mitarbeiterführung und der Vereinbarkeit von Job und Familie noch großen Nachholbedarf.
  • Bild 3 von 5
    © handwerk magazin
    Mehr Flexibilität und Einsatz erhoffen sich die deutschen Chefs von ausländischen Fachkräften.
  • Bild 4 von 5
    © Zettner
    „Chefs im Handwerk können mit Nähe und Teamgeist bei Bewerbern punkten.“ Werner Zettner, Berater und Personalexperte für Handwerker.
  • Bild 5 von 5
    © handwerk magazin
    Jeder dritte Betrieb im Handwerk hat bereits Mitarbeiter durch Abwerbung verloren.

Alle Strategien gegen den Fachkräftemangel

Für individuelle Lösungen im Innenausbau ist die Okel GmbH im hessischen Diemelstadt bei Kunden bekannt. Dieselbe Flexibilität macht den Betrieb auch für Fachkräfte interessant: Wer bei Okel arbeitet, kann Beruf und Familie ideal miteinander vereinbaren. „Die Mitarbeiter sind unser Kapital“, sagt Prokuristin Claudia Okel. Mit attraktiven Arbeitsbedingungen will der Betrieb sie gewinnen und halten. Kernstück der Strategie sind flexible Arbeitszeiten, die auf Zeitkonten verwaltet werden. Eine Mitarbeiterin, die Großmutter ist, kann so nachmittags nach ihrer Enkelin schauen, während die Tochter arbeitet. Junge Väter müssen keine Frühschicht übernehmen, bleiben dafür aber abends länger. Wer zu Hause arbeiten will, kann auf die interne EDV zugreifen. „Die Flexibilität nimmt den Druck und erleichtert den Spagat zwischen Beruf und Privatem“, sagt Claudia Okel. „Die Mitarbeiter fühlen sich gut aufgehoben.“ Das Engagement hat sich herumgesprochen. „Potenzielle Bewerber nehmen uns stärker wahr“, sagt Okel. „Es rufen immer wieder Leute an, die gerne für uns arbeiten möchten.“

Punkten gegenüber der Industrie

Mit attraktiven Arbeitsplätzen, die eine auch für die Mitarbeiter im Handwerk wichtige Vereinbarkeit von Beruf und Familie ermöglichen (siehe Chart Seite 11), hat Okel eine von vier probaten Strategien (mehr Info Seiten 13 bis 16) gegen den Fachkräftemangel erfolgreich umgesetzt. Knapp ein Drittel der Handwerksbetriebe konnte jedoch bereits 2011 nicht alle freien Stellen besetzen, in diesem Jahr hat sich der Trend noch verschärft. „Handwerksbetriebe haben eine Chance, wenn sie den Menschen in den Mittelpunkt rücken“, sagt Experte Werner Zettner. Dazu gehören ein gutes Betriebsklima sowie ein regelmäßiger Dialog zwischen Chef und Mitarbeitern genauso wie ein transparentes Prämiensystem: „Das Gefühl, direkt zum Erfolg beizutragen, ist für viele Beschäftigte der große Vorteil des Handwerks gegenüber der Industrie“, weiß der Berater.

Trotzdem ist die Konkurrenz vielerorts zu groß, etwa im bayerischen Wolnzach, Sitz der Schäch Haustechnik GmbH. „Die benachbarte Automobilindustrie zieht wie ein Staubsauger Fachkräfte an“, sagt Uwe Holzvoigt, Geschäftsführer des Betriebs mit 100 Mitarbeitern. „Wir würden gerne wachsen, finden aber in der Region niemanden“, sagt der 45-Jährige. „Das führt so weit, dass wir manche Aufträge nicht mehr annehmen können.“ Die Lücke schließt der Betrieb jetzt mit Fachkräften aus Spanien. „Dort sind viele arbeitslos, die jahrelang im Bausektor gearbeitet haben“, sagt Holzvoigt. In Kooperation mit einer deutschen Anwältin in Barcelona und der spanischen Wirtschaftsförderung hat Holzvoigt in den letzten Monaten Bewerber gesucht und ausgewählt. Anfang Juli fangen drei spanische Kräfte in Wolnzach an. „Vor dem Start gibt es einen vierwöchigen Sprachkurs und im Betrieb werden Mitarbeiter als Paten zur Seite stehen“, sagt Holzvoigt. Wenn alles gut klappt, möchte der Betrieb weitere Fachkräfte aus Spanien einstellen und die Vermittlung auch anderen Firmen anbieten.

Geld ist wichtig, aber nicht alles

Wie hart der Kampf um Fachkräfte mittlerweile ist, zeigt das Beispiel von Hansel Bau im hessischen Schotten. Geschäftsführerin Cornelia Philipp hat - wie bereits ein Drittel ihrer Kollegen (siehe Chart links) - einen ihrer sieben langjährigen Mitarbeiter durch Abwerbung verloren. „Dem Maurer wurde ein Angebot für eine Stelle als Baumaschinenführer gemacht“, sagt Philipp. „Ausschlaggebend war für ihn die Aussicht, weniger körperlich zu arbeiten.“ In einem langen Gespräch hat die Unternehmerin versucht, den Mitarbeiter zu halten. „Finanziell wäre ich in einem gewissen Umfang gesprächsbereit gewesen“, sagt Philipp. „Aber die komplette Befreiung von körperlicher Arbeit war nicht möglich, dafür ist die Firma zu klein.“ Dass sich Gegenangebote nicht um jeden Preis lohnen, bestätigt Kathrin Peters, Recruiting-Expertin beim Personaldienstleister Robert Half. „Kurzfristig können sie sinnvoll sein, wenn sich das fachliche Know-how nicht ersetzen lässt“, sagt Peters. „Langfristig muss man oft die Unternehmenskultur ändern, auch um zu verhindern, dass weitere Beschäftigte gehen.“ Bei Hansel Bau war das nicht nötig. „Das Beispiel des Kollegen hat das Team eher erschreckt“, sagt Chefin Philipp, „denn die neue Stelle unterscheidet sich vom Versprochenen erheblich.“ ◇

kerstin.meier@handwerk-magazin.de

Online exklusiv

Kompakte Infos zu Fachkräften sowie Live-Aussagen von Firmenchefs gibt es unterhandwerk-magazin.de/07_2012

ThemenseiteFachkräfte

Chef-Umfrage im Handwerk

Ähnliche Beiträge zum Thema finden Sie hier:handwerk-magazin.de/mitarbeiter