Suchtprävention Alkohol im Betrieb: Wenn es nicht beim Feierabendbier bleibt

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Nicht nur im Straßenverkehr ist Alkohol ein Risiko. Auch am Arbeitsplatz erhöhen bereits geringe Alkoholkonzentrationen im Blut deutlich die Unfallwahrscheinlichkeit. Alkoholisierte Mitarbeiter sind nicht nur weniger leistungsfähig und fallen öfter aus, sondern werden zur Gefahr für sich und andere. Wann und wie Chefs handeln müssen.

Alkohl am Arbeitsplatz
Niemand ist davor gefeit, in den Teufelskreis einer Sucht zu geraten. Aber jeder sollte wissen, an wen er sich vertrauensvoll wenden kann. - © Eugen Thome/adobeStock.com

Jeder zehnte Arbeitnehmer in Deutschland hat laut DAK-Gesundheitsreport „Sucht 4.0“ einen riskanten Alkoholkonsum, der Krankenstand bei den betroffenen Mitarbeitern ist nach Aussage der DAK-Experten zudem doppelt so hoch wie den Kollegen ohne auffälliges Suchtverhalten. Gute Argumente also für jeden Arbeitgeber, sich um die Kollegen zu kümmern, die vor dem üblichen Feierabendbier schon ein gutes Promillepolster aufgebaut haben.

Wichtig für Chefs: am Arbeitsplatz gibt es keine Promillegrenze

Wer jedoch meint, dass der Gesetzgeber angesichts der negativen Folgen des Alkoholkonsums am Arbeitsplatz auch dort analog zum Straßenverkehr eine Promillegrenze eingeführt hat, ist auf dem Holzweg. Auch in den Vorschriften der Berufsgenossenschaften ist nirgendwo ein absolutes Alkoholverbot zu finden. Entscheidend für den Umgang mit dem Thema ist jedoch eine Formulierung in Paragraf 15 der DGUV Vorschrift 1. Danach dürfen sich Versicherte durch den Konsum von Alkohol „ nicht in einen Zustand versetzen, durch den sie sich selbst oder andere gefährden können “. Dies gilt auch für alle anderen Drogen und Rauschmittel.

Aber: Chef müssen Gefahren abwehren, sonst sind sie mitschuldig

Was das im Einzelfall bedeutet kann, konkretisiert das in Paragraf 7 formulierte Gebot der Gefahrenabwehr. Danach dürfen Mitarbeiter, „ die erkennbar nicht in der Lage sind, eine Arbeit ohne Gefahr für sich oder andere auszuführen,“ mit dieser Arbeit nicht beschäftigt werden . Alkohol am Arbeitsplatz ist somit keineswegs eine Privatsache „solange nix passiert“, sondern jeder Vorgesetzte muss einschreiten und einem angeheiterten Mitarbeiter das Weiterarbeiten untersagen. Tut er das nicht, macht er sich mitschuldig, wenn jemand zu Schaden kommt.

Sicherheitsunterweisung: Drei Fakten, auf die es ankommt

In jedem Unternehmen gehört das Thema Alkohol in  der Sicherheitsunterweisung auf den Tisch, optimalerweise mit dem Betriebsarzt, der die Auswirkungen von Alkohol auf den Körper erläutert. Insbesondere die folgenden drei Fakten sollten dabei allen Beteiligten klar werden:

  1. Niedrige Risikoschwelle: Bereits 0,3 Promille – d. h. eine Flasche Bier oder zwei Gläser Wein – verschlechtern das Sehvermögen, steigern die Risikobereitschaft, vermindern die Konzentration und verlangsamen die Reaktionsfähigkeit. Man selbst spürt das jedoch nicht, sondern fühlt sich womöglich besonders fröhlich und aktiv, überschätzt seine Fähigkeiten und geht unnötige Risiken ein.
  2. Unterschätzter Restalkohol: Unser Körper baut den Alkohol langsam ab, nur 0,1 bis 0,15 Promille pro Stunde. Daraus folgt: Wer abends kräftig gefeiert hat, kann noch „berauscht“ sein, wenn er am nächsten Morgen an der Drehbank steht oder auf dem Baugerüst.
  3. Trügerische Irrtümer: Sämtliche Tipps und Tricks zum vermeintlich schnelleren Ausnüchtern sind Märchen. Kaffee oder Cola, kalte Dusche oder Katerfrühstück lindern bestenfalls den Kater, bauen aber den Alkohol nicht schneller ab.

Auch wenn es nicht explizit vorgeschrieben ist, empfehlen Präventionsexperten, klare Regeln zum Umgang mit Alkohol im Betrieb aufzustellen. Das kann über Arbeitsverträge, Arbeitsanweisungen oder Betriebsvereinbarungen geschehen.

Angetrunkene Mitarbeiter: auch hier gilt die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers

Wenn ein Mitarbeiter erkennbar angeheitert zur Arbeit erscheint oder Kollegen eine „Fahne“ bemerken, ist der Arbeitgeber gefordert. Wichtig zu wissen: Damit der Chef eingreifen kann, genügt der subjektive Eindruck, dass der Kollege nicht ganz nüchtern ist. Es ist weder ein Alkoholtest notwendig noch eine Bescheinigung des Betriebsarztes oder eine andere Formalität, um einem Mitarbeiter das Weiterarbeiten zu verbieten. Die erkannte Gefährdung, am besten belegt durch Zeugenaussagen, reicht aus, auch wenn ein Fall später vor Gericht landet sollte.

Ein Alkoholtest ist nur mit Einwilligung des Betroffenen zulässig. Auch der Betriebsarzt darf niemanden dazu zwingen, weder zu einem Bluttest noch zum Blasen in den Alkomat. Möchte der Betroffene sich jedoch auf eigenen Wunsch entlasten, muss der Arbeitgeber ihm einen solchen Test ermöglichen.

Warum einfaches „nach Hause schicken“ nicht reicht

Ist der alkoholisierte Mitarbeiter einsichtig, darf der Vorgesetzte ihn keinesfalls einfach nach Hause schicken. Denn selbst wenn derjenige sein Auto stehen lässt, könnte er auf dem Heimweg etwa vor einen Bus stolpern oder auf ein Bahngleis stürzen. Für den Arbeitgeber besteht auch in einem solchen Fall die Pflicht zur Fürsorge für den Mitarbeiter. Er darf ihn keiner Gefahr aussetzen, sondern muss andere Lösungen finden, etwa den Angetrunkenen

  • in einem geeigneten Raum im Betrieb und unter Aufsicht ausnüchtern und – falls möglich - mit gefahrlosen Aufgaben beschäftigen.
  • von einem Angehörigen abholen lassen.
  • von einem Kollegen nach Hause und bis zur Haustür bringen lassen.

Suchtproblematik eines Kollegen, was nun?

Wer mitbekommt, dass ein Kollege bei der Arbeit unter Alkoholeinfluss steht, sollte seinen Vorgesetzten informieren. In einem Gespräch unter vier Augen muss dieser die Situation ansprechen. Dabei geht es nicht darum, jemand zu beschuldigen oder Diagnosen zu stellen. Ob eine Suchterkrankung vorliegt, kann nur ein Arzt feststellen. Ziel muss sein, beim Mitarbeiter ein Problembewusstsein zu schaffen und ihn zu motivieren, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Auch wenn hinter einer Alkoholproblematik oft tiefere Ursachen liegen, sollten sich Vorgesetzte und Kollegen hüten, auf die Mitleidsschiene abzurutschen. Dem Kollegen mit einem Suchtproblem ist nicht geholfen, wenn man ihn schonend behandelt und deckt, im Gegenteil. In einem Gespräch müssen die arbeits-, straf- und zivilrechtlichen Konsequenzen von Alkoholmissbrauch unmissverständlich auf den Tisch – von Haftungsrisiken über den Verlust von Lohnfortzahlung und Unfallversicherungsschutz bis hin zur Kündigung des Arbeitsplatzes.

Hilfen und Ansprechpartner für Mitarbeiter aufzeigen

Schon bevor ein konkreter Fall auftritt, kann und sollte ein Betrieb aufklären und Hilfen aufzeigen. Wo Informationsmaterialien von Kranken- und Unfallversicherungen oder vom Blauen Kreuz ausliegen und die Kontaktdaten von Selbsthilfegruppen oder Anonymen Alkoholikern am Schwarzen Brett hängen, wird deutlich, dass ein Unternehmen das Thema ernst nimmt. In einem Mitarbeitergespräch kann man zudem Kontaktdaten von auf Sucht spezialisierten Ärzten und Therapeuten weitergeben. Niemand ist davor gefeit, in den Teufelskreis einer Sucht zu geraten. Aber jeder sollte wissen, an wen er sich vertrauensvoll wenden kann.