Prozessfinanzierer sucht geprellte VW-Anleger

Handwerker, die VW-Aktien besitzen, müssen dem Kursverfall ihrer Papiere nicht tatenlos zusehen. Denn längst haben erste Anlegeranwälte Klagen eingereicht und ein internationaler Prozesskostenfinanzierer bietet Unterstützung an. Doch Vorsicht ist geboten.

Der VW-Skandal wird die Gerichte noch lange beschäftigen, sowohl in Deutschland als auch international. - © iStockphoto - arturbo

Im Zuge der Bekanntgabe der Volkswagen AG, Abgaswerte mittels einer Software manipuliert zu haben, ist der Börsenwert des Unternehmens um etwa 25 Milliarden Euro, der Aktienpreis von 160 auf zirka 100 Euro abgestürzt. Vor diesem Hintergrund plant die internationale Prozessfinanzierungsgesellschaft Bentham Europe Limited die Koordination einer Aktionärsklage gegen Volkswagen in Deutschland. Bentham stimmt sich derzeit mit institutionellen Investoren weltweit ab, um die Klage zu finanzieren. Das Verfahren zielt auf Verstöße gegen die Publizitätspflicht nach dem deutschen Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) über einen Zeitraum von vermutlich etwa 8 Jahren von 2007 bis zum 18. September 2015 ab. Bentham beabsichtigt, Rechtsanwälte schnellstmöglich damit zu beauftragen, entsprechende Schritte einzuleiten.

Mehr als eine Entschuldigung?

„Die Verwendung von Manipulations-Software durch Volkswagen und der durch die Offenlegung dieser Praktiken entfachte Skandal haben Volkswagen großen Schaden zugefügt. Aktionäre, die zusehen mussten, wie der Wert ihrer Volkswagen-Aktien innerhalb von 2 Tagen um einen zweistelligen Milliardenbetrag abgestürzt ist, verdienen mehr als nur eine Entschuldigung für einen dem Anschein nach gezielten Betrug“, erklärt Jeremy Marshall, Chief Investment Officer von Bentham Europe. „Wir gehen davon aus, dass im Rahmen des Klageverfahrens das Ausmaß des durch Kursverluste entstandenen Schadens der Aktionäre festgestellt wird. Wir werden uns dafür einsetzen, dass die Aktionäre ihre zweifellos bestehenden Ansprüche durchsetzen können.“

Ob die Ansprüche zweifellos bestehen, wie es der Prozessfinanzierer behauptet, werden die weiteren internen und externen Untersuchungen zeigen. Handwerker sollten daher nicht übereilt gegen Volkswagen klagen oder klagen lassen.

Schadensersatzansprüche noch nicht gesichert

Die Klage von Bentham soll im Namen von Aktionären, die Volkswagen-Aktien gekauft hatten, von einer renommierten internationalen auf Prozessführung spezialisierten Kanzlei eingereicht werden, heißt es in einer Pressemitteilung. Die Schadensersatzansprüche werden damit begründet, dass Volkswagen nach dem Wertpapierhandelsgesetz verpflichtet war, die Aktionäre über die Manipulationen der Schadstoffemissionen in einer großen Anzahl von Kraftfahrzeugen des Konzerns sowie über die US-behördlichen Untersuchungen zu informieren. Sämtliche derzeitigen und früheren Aktionäre, die mindestens 10.000 Volkswagen-Aktien im Zeitraum von 2007 bis einschließlich 18. September 2015 erworben haben, und die diese Wertpapiere nicht vor der Öffnung der Börsen am Montag, 21. September 2015, verkauft haben, können sich an Bentham Europe wenden, um sich an der vorgeschlagenen Klage zu beteiligen und die ihnen entstandenen Schäden geltend zu machen.

Mehrere Rechtsexperten bezweifeln gerade, dass die VW-Verantwortlichen die Öffentlichkeit zu spät über die Manipulationen informiert habe. Auch hier sollten Anleger zunächst noch abwarten, ob sich die Vorwürfe weiter verdichten. Erst wenn eine Verjährung etwaiger Schadensersatzansprüche droht, sollte vorsorglich Klage erhoben werden. Da die Vorgänge aber gerade erst bekannt wurden, dürfte derzeit keine Verjährung etwaiger Ansprüche drohen.

Voraussetzung für die Einreichung der Klage ist, dass eine ausreichende Zahl von Aktionären der Unterstützung durch Bentham Ventures zustimmt. Bentham wird auf dieser Basis entscheiden, ob die Klage finanziert wird.

Vorsicht vor Prozessfinanzierern

Geprellte Anleger sollten ihrerseits prüfen und entscheiden, ob sie mit Prozessfinanzierungsunternehmen wie Bentham zusammenarbeiten wollen. Denn die Prozessfinanzierer übernehmen zwar in der Regel die Prozess- und Anwaltskosten. Für die Übernahme dieser Prozessrisiken lassen sich die Unternehmen aber eine Erfolgsbeteiligung von in der Regel 20 bis 30 Prozent einräumen. Das kann wenig sein, wenn die Erfolgsaussichten einer Klage entsprechend schwammig sind. Bei klarer Sach- und Rechtslage kann der Anleger dagegen über die Erfolgsbeteiligung viel Geld verlieren. Im Übrigen dauern Schadensersatzprozesse in der Größenordnung wie bei VW meist viele Jahre – Zeit, innerhalb derer Prozessfinanzierungsunternehmen Pleite gehen können, wie ein Beispiel aus Deutschland in jüngerer Vergangenheit zeigt.