Uhren: Verliebt in eine Turmuhr

Günther Haut reparierte bereits in Indien Prunkuhren. Im heimischen Seehausen gilt seine Liebe alten Turmuhren.

Günther Haut im Turmuhrenmuseum der Hansestadt Seehausen. - © Andreas Simon

Zwei Wochen in Russland. Die Sonne geht kaum unter. Es sind die weißen Nächte von St. Petersburg. Vor dem Fenster entfaltet sich der Prunk des Zaren: die Wasserspiele im Park des Peterhofs, 30 Kilometer außerhalb von St. Petersburg. Ein faszinierender Arbeitsplatz: Schon zwölfmal war Uhrmachermeister Günther Haut in den vergangenen Jahren in Russland, um in der von Peter I. ab 1714 errichteten Palastanlage der Hinterlassenschaft der Zaren neues Leben einzuhauchen: Zwischen 350 und 500 Uhren stehen in den Räumen und lagern in den Magazinen des Schlosses, das heute Museum und Weltkulturerbe ist. Die meisten dieser Uhren stehen still, wurden seit Jahrzehnten oder Jahrhunderten nicht mehr gewartet. Sie wieder zum Ticken zu bringen ist die Aufgabe, der Günther Haut und seine Uhrmacherkollegen vom Fachkreis Historische Uhren Schloss Raesfeld einmal im Jahr nachgehen – als Freizeitvergnügen.

Es sind vor allem französische Pendülen und englische Standuhren, die in St. Petersburg auf den Werktischen der Spezialisten repariert werden. Im Petershof weiß man die Bemühungen der deutschen Uhrmacher überaus zu schätzen und revanchiert sich mit Ausflügen und gemeinsamen Unternehmungen. „Die russische Gastfreundschaft ist auf der Welt kaum zu übertreffen“, schwärmt Günther Haut. Auch in Indien hat er Beeindruckendes erlebt: Schon zweimal restaurierte er auf Einladung des Maharadscha Gaj Singh II in dessen Palast und Museum in Jodhpur Rajasthan wertvolle Uhren – überwiegend Modelle aus der Kolonialzeit. „Im letzten Jahr habe ich gemeinsam mit einem Hamburger Kollegen eine wunderbare Prunkpendule repariert, die mit einem Spielwerk und einer beweglichen Vogelszene verbunden ist. Wir haben die Uhr wieder zum Klingen gebracht und es war ein wunderbares Erlebnis, als der Maharadscha bei einem Besuch in der Werkstatt zum ersten Mal in seinem Leben das Spielwerk hören konnte“, berichtet Haut.

Ein Uhrwerk von Vortmann

Denn der Alltag des Uhrmachermeisters mit eigenem Laden und Werkstatt in Seehausen im Landkreis Stendal in Sachsen-Anhalt sind eher schlichtere Uhrwerke: Armbanduhren, die zum Service eingereicht werden, kaputte Taschenuhren aus der Nachbarschaft, aber auch Großuhren und Standuhren, die aus ganz Deutschland in die Werkstatt des 65-Jährigen geschickt werden. „Wenn nach der Reparatur zum ersten Mal die Unruh wieder schwingt, ist das wunderbar“, sagt Haut.

Auch in seiner Freizeit lässt den passionierten Uhrmacher, der den Beruf in dritter Generation ausübt, sein Handwerk nicht los: Vor zehn Jahren wurde auf der Basis seiner Sammlung das Turmuhrenmuseum in Seehausen eröffnet, zudem ist Günther Haut Vorsitzender des Turmuhrenvereins, der die Exponate in der Halle einer ehemaligen Brauerei präsentiert. Darunter gleich mehrere Lieblingsuhren des Seehauseners. Die prägnanteste ist ein Turmuhrenwerk der Firma Vortmann aus Recklinghausen, das die Zeiger eines großen Zifferblatts im Museum antreibt.