Softwarekauf: Gebraucht wird attraktiv

Gebrauchtsoftware ist oft eine sinnvolle und vor allem billige Alternative zu neuen Programmen. An der Zulässigkeit des Handels gab es lange rechtliche Zweifel. Die hat der Europäische Gerichtshof beseitigt.

Gebrauchte Software ist eine Alternative - © HP

Elektroinstallationsmeister Bernd Rosenstock setzt auf Gebrauchtsoftware. Der Einzelkämpfer hat sich in Sittendorf am Kyffhäuser auf die Wartung von Heizungen spezialisiert, Jahresumsatz gut 100.000 Euro. Viel EDV braucht er dafür nicht, ein PC, ein Labtop genügen. Aber er legt Wert darauf, dass ihm die Software taugt, schließlich muss er Tag für Tag selbst mit ihr arbeiten. Deshalb suchte er für seine neu erstandenen Geräte Microsoft Office 2007, „das bietet einen direkteren Zugriff auf die Funktionen als die aktuellen Programmversionen.“ Doch nur die gab es bei Elektronik-Händlern wie Conrad. Schließlich stieß er auf den Gebrauchthändler 2ndSoft GmbH, Aachen. Der hatte, was Bernd Rosenstock suchte, Office 2007, gebraucht und deshalb auch noch deutlich billiger.

Gebraucht-Software, das heißt: Programme, die ein Unternehmen nicht mehr braucht, etwa weil es auf neue Versionen umsattelt, macht es zu Geld statt sie zu löschen. Käufer sind Firmen, die nicht unbedingt die neuste Version wollen oder brauchen. Die Gebrauchten funtionieren nach Jahren noch so gut wie am ersten Tag. und sie bringen „Einsparungen bis zu 50 Prozent“, sagt Christoph Möller, Sprecher des Gebrauchthändlers UsedSoft, der das EuGH-Urteil gegen Oracle erstritten hat. „Das rechnet sich schnell, schließlich steckt in einem ganz normalen Einzelarbeitsplatz leicht Software für bis zu 1000 Euro.“ Das macht den Gebrauchtmarkt für kleine Unternehmen wie Rosenstock interessant. Und für Große. usedSoft nennt als Kunden etwa Rewe, die Stadt München oder das Bundessozialgericht.

Eigentlich ist das ein plausibles Geschäftsmodell. Aber es kam nicht so recht in Schwung. Die Software-Industrie bekämpfte es heftig. Sie deckt die Nachfrage lieber mit eigener Neuware. Außerdem erschwert der unkontollierte Handel die Verfolgung von Softwarepiraterie. Die Software-Hersteller pochten auf das Urheberrecht und behaupteten, jede Form von Programmweitergabe brauche ihr Einverständnis. Manche Gerichte gaben ihnen Recht, andere allerdings den Gebrauchthändlern. Die Kunden waren verunsichert, sie fürchteten rechtliche Risiken.

Jetzt hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) Klarheit und Rechtssicherheit geschaffen. Seit 3. Juli 2012 steht fest, Grundsätzlich ist der Handel mit Gebrauchtsoftware zulässig, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind (C-128/11) – aber es gibt auch Ausnahmen. Die neuen Regeln geben Verkäufern und Käufern eine gute Orientierung (Kasten).

Der EuGH sagt, dass der Weiterverkauf unabhängig vom Vertriebsweg zulässig ist. „Das gilt auch für Software, die per Download erstanden wurde“, sagt der Kölner Anwalt Jens Barkemeyer. „Also auch wenn sie dem Käufer nicht auf einem Datenträger übergeben wurde, sondern dieser sie selbst herunterladen muss.“ Und der Käufer bekommt legal alle Updates und Patches dazu. Dirk Lynen, Geschäftsführer des Gebraucht-Händlers 2ndSoft in Aachen, begrüßt die neue Rechtslage: „Damit ist ein entscheidendes Hindernis für den Handel mit Gebraucht-Software beseitigt.“

Ein Problem allerdings bleibt, die Ungewissheit, ob der Verkäufer die Software bei sich wirklich gelöscht hat. Nur dann ist nämlich nach den EuGH-Regeln der Verkauf legal, denn der Gebrauchthandel soll nicht zu einer Software-Vermehrung führen. Die Legalität des Kaufs muss der Käufer nachweisen können. Er sollte deshalb auf die Seriosität seiner Bezugsquelle achten, und „eine Bescheinigung verlangen, dass der Verkäufer gelöscht hat“, sagt IT-Rechtsexperte Barkemeyer, „mehr kann man eigentlich nicht tun.“ Wer trotz aller Sorgfalt einen Fehlkauf getan habe, müsse die Software im schlimmsten Fall löschen, aber nicht mit weiteren Konsequenzen wie Schadensersatzforderungen oder Strafverfolgung rechnen. Doch er warnt: „Wer bewusst gegen die Regeln verstößt, macht sich schadensersatzpflichtig und sogar strafbar.“

Unter dem Strich – zieht Anwalt Barkemeyer Bilanz - „können die Unternehmen nach dem Urteil des EuGH von den attraktiven Seiten des Geschäftsmodells ohne die bisherigen Rechtsrisiken profitieren.“