Schweigen ist Blech

Beratung | Handwerker müssen Kunden umfassend informieren und vor Gefahren schützen. Doch das hat Grenzen, zeigt ein neues BGH-Urteil. Wie Sie sich vor dem Regress schützen.

„Die Werkstatt muss auch über nebenbei entdeckte Mängel informieren.“Ulrich Dilchert, Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe. - © Dilchert

Schweigen ist Blech

An „einen Riesenaufstand“ bei Wiest Autohäuser in Darmstadt erinnert sich Prokurist Tobias Haas. Die Firmengruppe mit 300 Beschäftigten und 130 Millionen Euro Jahresumsatz sollte einem Kunden das Bußgeld für dessen TÜV-Verspätung ersetzen. Begründung: Er sei diesmal nicht wie sonst per Brief an den Termin erinnert worden. Haas ist sicher, das Schreiben wurde abgeschickt, dergleichen erledigt zuverlässig die EDV. „Der Brief gehört bei uns zum Service, aber eine Haftung übernehmen wir damit nicht.“

Wie der Fall zeigt, haben die Kunden von Handwerkern bisweilen etwas absonderliche Vorstellungen, wofür der Betrieb verantwortlich sein soll. Zwar dürfen sie von ihm mehr erwarten, als dass er schweigend den Auftrag ausführt. Der Handwerker ist der Spezialist, und zu seinem Job gehört auch die Information über Risiken und Nebenwirkungen ebenso wie über bessere Alternativen zum Kundenwunsch. Wenn er das nicht bietet, droht Regress. Wer seine Beratungspflichten kennt, hält dieses Risiko unter Kontrolle.

BGH hilft Elektriker

Dabei kommt den Handwerkern ein neues Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) zu Hilfe. Es ging um sieben Videokameras, die der Mieter einer Doppelhaushälfte zur Überwachung seines Anwesens hatte installieren lassen. Obwohl die Anlage nur sein Grundstück im Visier hatte, fühlte sich ein Nachbar in der Intimsphäre gestört und klagte mit Erfolg auf Beseitigung. Dafür wollte der Kontollfreak den Installateur der Anlage haftbar machen. Das sahen die BGH-Richter anders. Das Unternehmen müsse umfassend über alles informieren, was zu seiner Leistung gehört, nicht aber daüber, dass der Kunde die Anlage nicht rechtswidrig einsetzten darf (Az.: VI ZR 176/09).

Wenn es um die eigentliche Handwerksarbeit geht, ist umfassende Beratung und Aufklärung allerdings Pflicht. „Wegen seiner Fachkenntnis muss der Elektrounternehmer auch ungefragt technische und wirtschaftliche Gesichtspunkte wie den Stromverbrauch ansprechen, erst recht alles, was mit der Sicherheit zu tun hat“, so Reinhard Stiegler vom Landesinnungsverband für das Bayerische Elektrohandwerk.

Auch Vorarbeiten prüfen

Diese Pflichten muss der Betrieb auch für Vorarbeiten im Auge haben. „Einen unbrauchbaren Estrich kann der Fliesenleger nicht einfach ignorieren“, nennt Michael Frikell, Geschäftsführer der Bauinnung München, ein Beispiel. Und wenn die vom Kunden für sein Schwimmbecken beschafften Fliesen nicht die nötige Rutschfestigkeitsklasse haben, müsse er das ungefragt sagen.

Unterlässt der Handwerker eine erforderliche Warnung, kann das sehr teuer werden. Michael Frikell: „Da geht es bei Fliesen um die Kosten der Neuverlegung, und wenn es zu einem Unfall kommt, droht Strafe wegen Körperverletzung.“

Doch alles hat seine Grenzen. „Grundsätzlich haftet etwa eine Kfz-Werkstatt nur für ihren Auftrag. Dabei muss sie besonders darauf achten, ob der vielleicht wegen weiterer Schäden oder schlechter Vorarbeiten nicht korrekt erledigt werden kann“, stellt Ulrich Dilchert, Geschäftsführer beim Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK) in Bonn, klar. Zwar übernimmt die Werkstatt keine Rundumverantwortung für das Auto. Allerdings muss der Kfz-Betrieb den Kunden über den Auftrag hinaus informieren, wenn erhebliche Mängel auffallen, die zu Folgeschäden führen oder ein Sicherheitsrisiko sein können.

Innungsjurist Frikell warnt jedoch: Eine Kundenweisung sei kein Persilschein für alle Fälle. „Wenn ein Bauunternehmen gegen gesetzliche Bestimmungen verstößt oder durch seine Arbeit Gefahr für Leib und Leben verursachen würde, dann kann es sich nicht auf eine Art Befehlsnotstand berufen.“ Manchmal bleibt nur die Ablehnung des Auftrags, wenn der Kunde die Warnung nicht einsieht. Ein Schritt, den sich nur gut informierte Handwerker leisten werden.

harald.klein@handwerk-magazin.de