Vorsteuerabzug Keine Steuernachteile bei fehlerhaften Rechnungen

Bislang lehnt die Finanzverwaltung den rückwirkenden Vorsteuerabzug aus fehlerhaften Rechnungen ab. Der Europäische Gerichtshof vertritt in aktuellen Urteilen eine andere Position. Wie betroffene Unternehmen profitieren können.

Ärger wegen fehlerhafter Rechnungen? Die aktuelle Rechtsprechung eröffnet Unternehmen die Möglichkeit eines rückwirkenden Vorsteuerabzugs. - © patpitchaya - Fotolia.com

Viele Rechnungen bergen für den Empfänger enormen Sprengstoff. Schon bei kleinen formalen Fehlern können Betriebsprüfer den sicher geglaubten Vorsteuerabzug streichen. Zwar ist eine Rechnungskorrektur möglich. Doch bislang gewähren Finanzämter den Vorsteuerabzug erst ab dem Zeitpunkt, zu dem eine korrigierte Rechnung vorliegt. Die Folge: Es drohen Nachzahlungen, die sich samt Zinsen schnell auf hohe Beträge summieren. Die aktuelle Rechtsprechung eröffnet Unternehmen die Möglichkeit eines rückwirkenden Vorsteuerabzugs. Betroffene sollten ihre Rechte kennen und konsequent durchsetzen.

Grünes Licht für rückwirkenden Vorsteuerabzug

Zwei aktuelle Urteile des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) schieben der bisherigen Praxis der deutschen Finanzverwaltung bei der Rechnungskorrektur einen Riegel vor (Az. C-516/14 und C-518/14). Die Richter geben grundsätzlich grünes Licht für einen rückwirkenden Vorsteuerabzug. Sie sind der Ansicht, dass die Rückwirkung nicht zwingend von einer formal richtigen Rechnung abhängen darf. Auch wenn einzelne Pflichtmerkmale wie eine konkrete Leistungsbeschreibung, der genaue Leistungszeitpunkt oder die Steuernummer des Rechnungsstellers fehlen, ist der Empfänger laut EuGH zum Vorsteuerabzug berechtigt.

Voraussetzung ist, dass in dem Jahr, für das der Vorsteuerabzug beantragt wird, die sogenannten „materiellen Anforderungen“ erfüllt sind. Das heißt: Der Rechnungsempfänger ist steuerpflichtiger Unternehmer und hat von einer steuerpflichtigen Firma eine Ware oder Dienstleistung erhalten, die er für sein Unternehmen verwendet. Dies muss er anhand anderer Dokumente wie etwa Lieferscheine oder Kontoauszüge belegen können. Zudem ist unabdingbar, dass eine Erstrechnung vorliegt und eine Rechnungskorrektur erfolgt. Die Richter lassen jedoch offen, ob eine fehlerhafte Erstrechnung bestimmten Mindestanforderungen entsprechen muss.

Möglichkeit eines Einspruchs oder Änderungsantrags prüfen

Der Bundesfinanzhof (BFH) folgt in einem aktuellen Urteil (Az. V R 26/15) dem EuGH. Rechnungsempfänger haben Anspruch auf rückwirkenden Vorsteuerabzug aus korrigierten Rechnungen. Jedoch definieren die BFH-Richter konkrete formale Mindestanforderungen an eine Erstrechnung. Auf dem Dokument dürfen Leistungsempfänger, Leistungsbeschreibung, Entgelt und gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer nicht fehlen.

Noch setzt die Finanzverwaltung die neue Rechtsauffassung nicht um. Lehnt das Finanzamt einen rückwirkenden Vorsteuerabzug aus korrigierten Rechnungen ab, sollten Unternehmen die Möglichkeit eines Einspruchs oder Änderungsantrags mit Verweis auf die EuGH- und BFH-Urteile prüfen. Gute Aussichten haben Firmen, wenn Steuerbescheide noch unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehen, offengehalten wurden oder die Einspruchsfristen noch nicht abgelaufen sind.

Selbst bei bestandskräftigen Bescheiden muss ein abgelehnter Vorsteuerabzug nicht das letzte Wort sein. Ob auch hier Anspruch auf rückwirkenden Vorsteuerabzug besteht, ist rechtlich unklar. Betroffene Firmen sollten mit ihren Fachberatern erörtern, welche Handlungsoptionen sich bieten.

Fehler gesondert berichtigen

Eine Rechnungskorrektur erfolgt immer durch den Rechnungssteller. Empfänger sollten darauf achten, dass fehlerhafte oder fehlende Angaben immer mit einem gesonderten Ergänzungsdokument berichtigt werden. Es genügt ein einfaches Schreiben, das sich eindeutig auf die Rechnung bezieht sowie die ursprüngliche Rechnungsnummer und das Rechnungsdatum nennt. Auf gar keinen Fall sollte die ursprüngliche Rechnung storniert und neu ausgestellt werden. Schnell ist das Ursprungsdokument steuerlich nicht mehr von Belang und das Finanzamt könnte das neue Dokument als Erstrechnung werten. Ein rückwirkender Vorsteuerabzug wäre in diesem Fall ausgeschlossen.

Die Frage, bis wann Unternehmen eine Rechnungsberichtigung spätestens vornehmen müssen, hatte der EuGH offen gelassen. Der BFH sogt in seinem aktuellen Urteil mit einer steuerzahlerfreundlichen Regelung für Klarheit. Rechnungsempfänger können korrigierte Rechnungsdokumente noch bis zum Abschluss einer mündlichen Verhandlung vorlegen.

Drohen Geldbußen für falsche Rechnungen?

Die aktuelle Rechtsprechung hat für Rechnungsempfänger auch eine Kehrseite: Zwar fallen bei einer rückwirkenden Korrektur keine Nachzahlungszinsen an. Gleichwohl könnte die Finanzverwaltung laut EuGH Firmen für den Vorsteuerabzug aus formal falschen Rechnungen künftig sanktionieren, etwa in Form einer Geldbuße. Zudem sind Rechnungskorrekturen für alle Beteiligten stets mit enormem Aufwand verbunden. Unternehmen sollten Vorkehrungen treffen, um Korrekturen von vornherein zu vermeiden. Daher ist eine systematische Eingangskontrolle von Rechnungen nach wie vor das A und O.

Die Autorin

Martina Dapper ist Steuerberaterin der Kanzlei WWS in Mönchengladbach. Ihr Tätigkeitsschwerpunkt liegt in der steuerrechtlichen Beratung von Unternehmen sowie in der Erstellung und Prüfung von Jahresabschlüssen. Bei der WWS ist sie zudem Hauptansprechpartnerin für den Bereich Umsatzsteuer. Die WWS ist eine überregional tätige, mittelständische Wirtschaftsprüfungs-, Steuerberatungs- und Rechtsberatungskanzlei. Sie ist an drei Standorten am Niederrhein vertreten (Mönchengladbach, Nettetal, Aachen). Rund 130 Mitarbeiter entwickeln interdisziplinäre Beratungslösungen mit ganzheitlichem Anspruch.

Pflichtangaben: Das muss in jeder Rechnung stehen

Thomas Streit, Fachanwalt für Steuerrecht der Münchener Kanzlei KMLZ und ausgewiesener Experte für Umsatzsteuerrecht, erklärt exklusiv für die Leser von handwerk magazin, worauf es bei den Pflichtangaben für Rechnungen besonders ankommt.

1) Der Adressat

Der Name sowie die Adresse müssen korrekt sein. Experte Streit rät: „Rechnungen sollten immer auf den tatsächlichen Empfänger der Lieferung oder der Dienstleistung ausgestellt sein.“ Das wird relevant, falls etwa für eine Firma mit Tochtergesellschaften gearbeitet wird. Der Auftraggeber ergibt sich aus dem Vertrag. Postfach oder Großkundenadresse anzugeben genügt. Wichtig: Die Rechnung darf niemals an einen Dritten adressiert oder geschickt werden – etwa Max Mustermann, c/o ....

2) Das Nummernspiel

Die Steuernummer oder die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Ausstellers, das Datum der Fakturierung sowie eine Rechnungsnummer sind Pflichtangaben. Ob Letztere etwa aus Ziffern, Buchstaben oder dem Kürzel des Kundennamens besteht, bleibt ganz dem Unternehmer überlassen. Relevant ist, dass jede Rechnungsnummer nur einmal verwendet wird.

3) Der Leistungsumfang

„Zum Beispiel pauschal den Verkauf des gesamten Warenbestands anzugeben oder lediglich von Betriebskostenumlage oder Beratungsleistung zu sprechen reicht nicht aus“, warnt Experte Streit. Möglich ist es aber, eine Anlage beizufügen, auf die in der Rechnung Bezug genommen wird. Jede Rechnung darf aus mehreren Dokumenten bestehen. Wichtig: Die Art der Lieferung und Leistungen muss exakt beschrieben werden – Vorsicht ist also bei Begrifflichkeiten wie „Pflegeprodukte“ geboten, besser Shampoo, Haarspray oder Lippenstift wählen.

4) Der Liefertermin

Die Formulierung „Rechnungsdatum ist Leistungsdatum“ besser nicht verwenden. Der Fiskus weiß sowieso, dass Selbstständige in der Regel nicht gleich nach einem Auftrag ihre Rechnungen schreiben. Es genügt, wenn der Kalendermonat der Lieferung oder der Leistung angegeben wird. Der Leistungszeitpunkt kann sich ganz einfach aus dem Lieferschein ergeben. Dann wird in der Rechnung darauf Bezug genommen.

5) Die Rabatte

Falls Boni, Skonti oder andere Preisnachlässe vereinbart wurden, kann es heißen: „Es ergeben sich Entgeltminderungen auf Grund von Rabatt- oder Bonusvereinbarungen.“ Oder falls die Angaben nachprüfbar sind – wenn also etwa schriftliche Vereinbarungen darüber getroffen wurden – kann es lauten: „Entgeltminderungen ergeben sich aus den aktuellen Rahmen- und Konditionsvereinbarungen.“ Darf Skonto gezogen werden, muss dieses nicht auf Euro und Cent angegeben werden. Der Hinweis „2 Prozent Skonto bei Zahlung bis ...“ ist kein Problem.