Gute Geschäfte mit den jungen Alten

Generation 60+ | Die Senioren von heute wollen das Leben aktiv genießen. Ihre hohe Kaufkraft macht die Generation 60+ zur optimalen Zielgruppe wenn es gelingt, die Ansprüche zu erfüllen.

  • Bild 1 von 2
    © Alois Müller
    Malermeister Klaus Stamm in Leverkusen nimmt sich für die Beratung seiner älteren Kunden viel Zeit, um die Vorteile seines Rundum-Sorglos-Service ausführlich zu erklären.
  • Bild 2 von 2
    © Wassja Weiß
    „Noch nie war die Kluft zwischen gefühltem und realem Alter so groß wie heute“, erklärt Wassja Weiß, Autor der Studie „Die Freie Generation“.

Gute Geschäfte mit den jungen Alten

Auf der neuen Tapete hängt jedes Bild an haargenau derselben Stelle wie vorher. Die Bücher stehen sortiert im Regal, ihre genaue Ordnung hat Malermeister Klaus Stamm vor dem Ausräumen mit der Digitalkamera dokumentiert. Um drei Uhr nachmittags ist Übergabetermin, um halb drei lädt ein Mitarbeiter bereits den letzten Farbeimer ins Auto und Stamms Kundin kann sich über ihre renovierte Wohnung freuen: Die Wände sind frisch tapeziert, die Decken gestrichen und alles ist perfekt aufgeräumt und gereinigt.

Dass Handwerker nach getaner Arbeit Staub und Schmutz beseitigen, ist natürlich selbstverständlich. Doch der mit absoluter Termintreue gekoppelte Komplettservice des Leverkusener Malerbetriebs von Klaus Stamm begeistert eine Zielgruppe ganz besonders: die Senioren. „Im Jahr 2000 haben wir viele Kunden, die bis dahin für hochwertige Arbeiten viel Geld ausgegeben haben, wegen der Krise am Aktienmarkt verloren“, erinnert sich Klaus Stamm.

„Wer braucht Malerarbeiten, wie wir sie anbieten?“, habe er sich damals gefragt. Schnell kam er auf die Senioren oder die „reife Generation“, wie Stamm sie lieber nennt. „Der Begriff Senior ist fast schon verpönt“, sagt er, denn er unterstelle etwas, das die Zielgruppe 60+ nicht sein will: alt. Doch egal, wie man sie nennt, aus der Idee, um ältere Kunden zu werben, ist für Stamms Betrieb ein krisensicheres Standbein geworden: „Die Senioren sind ein Markt, der links und rechts der Wirtschaftskrise funktioniert“, sagt der 49-Jährige. Den Rundum-Sorglos-Service des Unternehmens nutzten natürlich auch jüngere Kunden, doch gerade für Ältere sei es sehr wichtig, bei der Renovierung komplett entlastet zu werden und sich auf die Qualität der Arbeit sowie Termintreue hundertprozentig verlassen zu können.

Im direkten Gespräch überzeugt Stamm die Zielgruppe 60+ bei der Auftragsakquise von seinem Service. Der erste Kontakt kommt meist über Anzeigen in Wochenblättern oder durch Weiterempfehlungen. Im persönlichen Gespräch nimmt sich Stamm viel Zeit, um alle Fragen zu klären und Sorgen auszuräumen.

Der erste Eindruck zählt

Ganz wichtig ist nach seiner Erfahrung der erste Eindruck, wer etwa unpünktlich sei, habe oft schon verloren. „Senioren können sehr gut abschätzen, wen sie vor sich haben“, sagt Stamm. Mit schönen Worten allein sei wenig zu erreichen: „Die reife Generation lässt sich nicht beschwatzen, sie erwartet solide Arbeit zu fairem Preis.“ Dass sich die Überzeugungsarbeit lohnt, sieht Klaus Stamm an seinen Umsätzen: „Die Zielgruppe 60+ ist ein Markt, der rasant wächst“, sagt er.

Zahlen zur Entwicklung der Bevölkerungsstruktur geben ihm Recht: Schon heute ist ein Viertel der Deutschen älter als 60 Jahre, ihre Zahl wird in den nächsten Jahren kontinuierlich steigen. Dazu kommt die relativ hohe Kaufkraft der Senioren, ein Umstand, der diese Zielgruppe für Handwerksbetriebe besonders interessant macht: Die Altersklasse ab 65 verfügt nach Angaben der Nürnberger Marktforscher von GfK Geomarketing über eine Kaufkraft von 339 Milliarden Euro im Jahr, pro Person liegt die Kaufkraft, also das Einkommen abzüglich Steuern und Sozialabgaben, bei 20819 Euro. Bei den 60 bis 64-Jährigen sind es sogar 24903 Euro. Zum Vergleich: Die Kaufkraft der Gesamtbevölkerung liegt bei durchschnittlich 18946 Euro im Jahr.

Kein typischer Senior

Wer die Älteren als Zielgruppe gewinnen will, muss berücksichtigen, dass es den „typischen Alten“ nicht gibt. „Zwischen 60- und 90-Jährigen liegt eine ganze Generation“, sagt Malermeister Klaus Stamm, „das ist eine breite Mischung aus Werten und Verhaltensmustern.“ Welche das sind und wie sie sich wandeln, haben Sozialwissenschaftler der Universität Osnabrück in Kooperation mit den Karstadt-Quelle Versicherungen untersucht sie befragten Menschen ab 45 Jahre bis hin zu Hochbetagten (Details siehe Kasten). „Die Differenz zwischen tatsächlichem und gefühltem Alter ist so groß wie nie zuvor“, erklärt Wassja Weiß, einer der Autoren der Studie.

Aufgrund der unterschiedlichen Gruppen gliedert sich die Zielgruppe 60+ in verschiedene Teilmärkte. „Unternehmen sollten die eklatanten Unterschiede zwischen den Senioren-Generationen beachten“, sagt Judith Horbach, Marketing-Expertin von der Agentur Silverserve in Köln. Jüngere Senioren wollten Träume verwirklichen und sich etwas gönnen. Sie fragten deshalb Lifestyle-Produkte nach wie etwa hochwertige Inneneinrichtung. „Im Gegensatz zum Markt des Zweiten Frühlings geht es mit zunehmendem Alter eher um die Kompensation körperlicher Einschränkungen, etwa durch barrierefreies Wohnen“, weiß Horbach. Gewinnen könnten Betriebe die verschiedenen Zielgruppen am besten über verschiedene Produktlinien, die sich an bestimmten Ansprüchen und weniger am Lebensalter ausrichten.

Sandra Rauch

kerstin.meier@handwerk-magazin.de