Altersgerecht wohnen Zu wenig barrierefreie Wohnungen

Nur ein Prozent aller Wohnungen sind seniorengerecht ausgebaut, doch der Bedarf ist riesig. Das SHK-Handwerk will jetzt Verbraucher und die Politik fĂĽr das Thema sensibilisieren.

Seniorengerechtes Wohnen ist ein Zukunftsmarkt für das Handwerk, doch viele Kunden sind noch zögerlich. - © Chart: handwerk magazin/ Bild: Ehrenberg-bilder- Fotolia

Barrieren beim Kunden abbauen

Eine ältere Frau stürzt in ihrer Wohnung, bricht sich den Oberschenkelhals. Nach dem Krankenhausaufenthalt ist sie auf Krücken angewiesen. Innerhalb von zwei Wochen muss das Bad in ihrer Wohnung altersgerecht umgebaut werden. „Genau so sollte der Umbau zu einem barrierefreien Bad eigentlich nicht ablaufen“, kritisiert Stather, Präsident des Zentralverbands Sanitär Heizung Klima, die mangelnde Bereitschaft der Deutschen, frühzeitig für ein altersgerechtes Wohnumfeld zu sorgen.

Eine aktuelle EMNID-Umfrage im Auftrag des Zentralverbands Sanitär Heizung Klima ergab: Nur ganze sechs Prozent der Deutschen über 30 Jahre wollen Wohnung oder Haus in den nächsten fünf Jahren altersgerecht umbauen lassen. Acht Prozent wollen dies grundsätzlich tun, aber nicht in den nächsten fünf Jahren. Selbst bei den über 50-Jährigen beschäftigt sich nur jeder Vierte mit dem Thema barrierefreies Wohnen.

Bewusstsein schärfen

Der SHK-Zentralverband will daher gemeinsam mit Politik, Gesundheits- und Wohnungswirtschaft das öffentliche Bewusstsein für altersgerechten Wohnraum schärfen. Auch solle die Politik finanzielle Anreize für entsprechende Investitionen setzen. Handwerker können aber auch selbst aktiv Kunden von der Notwendigkeit überzeugen, frühzeitig an das Wohnen im Alter zu denken und entsprechend zu investieren (siehe Tipps auf Seite 23). Denn altersgerechtes Wohnen ist für alle Bau- und Ausbauhandwerker ein Riesenmarkt. So sind nur ein Prozent der Wohnungen barrierefrei, nach Berechnungen des Bauministeriums werden aber bis 2030 zusätzlich drei Millionen altersgerechte Wohnungen benötigt.

Betriebe mĂĽssen sich qualifizieren

Wer als Handwerksbetrieb in dem wachsenden Marktsegment „barrierefreie und altersgerechte Bäder“ Kunden entsprechende Angebote machen wolle, müsse sich kontinuierlich weiterbilden, fordert Präsident Stather. Sein Verband leistet dabei Pionierarbeit. Bisher wurden bundesweit rund 2000 SHK-Fachbetriebe weiterqualifiziert. Zudem wird eine Verankerung der Thematik „Barrierefreies Bauen“ in der Gesellen- und Meisterausbildung angestrebt.

Auch andere Handwerksbranchen können sich entsprechend qualifizieren. Das Handwerkszentrum „Wohnen im Alter“ der Handwerkskammer Düsseldorf bietet zum Beispiel für Handwerker aus verschiedenen Branchen bundesweit die Weiterbildung zur „Fachkraft für barrierefreies Bauen“ an. „Wer den Seniorenmarkt als wesentliches Geschäftsfeld ins Auge fasst, muss diese Qualifikation sichtbar machen und vorleben“, erklärt Gabriele Poth, Leiterin des Handwerkszentrums der Kammer Düsseldorf. Der Handwerker müsse sich klar und deutlich als Profi für Barrierefreiheit vermarkten. Die Königsdisziplin sei dabei, mit anderen Unternehmen Dienstleistungen aus einer Hand im Bereich des barrierefreien Bauens anzubieten.

Günter Kohlbecker, Bauingenieur und Autor des Buches „Barrierefreiheit im Bestand“ rät Handwerkern ebenfalls zur fundierten Weiterbildung. Speziell in Verbindung mit der energetischen Sanierung von Häusern und Wohnungen erfordere das Erfassen des Bestands und das Darstellen der Kosten der einzelnen Veränderungen ein hohes Fachwissen und Marktnähe.

Lösungen vorstellen

Verbandspräsident Stather rät seinen SHK-Handwerkern, in ihren Badausstellungen barrierefreie Lösungen vorzustellen, damit der Kunde die passenden Produkte direkt testen kann. Wichtig sei auch, bei der barrierefreien Badplanung für die „rüstigen Alten“ ästhetische, altersgerechte Badezimmer vorzustellen, die komfortabel, hygenisch sowie sicher und nach Bedarf nachrüstbar sind. Ein barrierefreies Bad müsse nicht zwangsläufig „krankenhausähnlich“ aussehen. Das ist der SHK-Branche wichtig, denn sie will das Thema barrierefreies Wohnen stärker von der Vorstellung der unmittelbaren Pflegebedürftigkeit lösen. „Wir wollen präventive Lösungen und eine sichere Finanzierbarkeit“, so Manfred Stather.

Eine fachliche Schulung zum Spezialbetrieb für altersgerechtes Bauen kann eine sinnvolle Investition in die Zukunft sein. Der Zentralverband Sanitär Heizung Klima schätzt allein für seine Branche ein Umsatzpotenzial bis 2030 von 45 Milliarden Euro. Bis 2020 wird es bereits 20 Prozent mehr 65-Jährige in Deutschland geben als heute. Untersuchungen belegen, dass deutlich mehr als 90 Prozent aller Senioren so lange wie möglich in den „eigenen vier Wänden“ leben wollen. ◇

reinhold.mulatz@handwerk-magazin.de

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Wie ein barrierefreier Umbau eines Bades abläuft, zeigen die Fotos unter handwerk-magazin.de/08_2012

Bildergalerie barrierefreies Bad

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