Mitarbeiter: Wie Sie Jahresgespräche richtig führen

Einmal jährlich sollten Chef und Mitarbeiter Bilanz ziehen. Was ist gut gelaufen? Wo gab es Probleme? Welche Themen stehen künftig an? Wie Sie das Jahresgespräch strukturiert führen.

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    Blick zurück ohne Zorn: beim Jahresgespräch sollten Chefs ihren Mitarbeitern in Ruhe zuhören.
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    Lästige Pflicht: fast zwei Drittel der Mitarbeiter sehen die Gespräche als reine Routineübung an.
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    „Das Jahresgespräch ist keine Abrechnung, Chefs sollten ruhig bleiben und zuhören.“ Wilfried Braig, Personalexperte und Coach in Tübingen.

Zeit für Lob und Pläne

Warum miteinander reden, wenn es keinen Anlass dazu gibt? Wilfried Braig, Personalberater und Coach in Tübingen, kennt die Einstellung vieler Chefs in Klein- und Mittelbetrieben aus langjähriger Erfahrung. Und verblüfft die Gesprächsmuffel mit einem scheinbar unlogischen Argument: „Gerade weil es keinen Anlass gibt, ist der Dialog so wichtig.“ Denn fast immer, wenn der Chef einen Mitarbeiter zum Gespräch bittet, hat er was an seinen Leistungen auszusetzen. Da in solchen Situationen kein offener Meinungsaustausch möglich sei, ist das Jahresgespräch laut Braig „ideal, für eine wohlwollende Rückschau und einen Ausblick in die Zukunft“.

Ein solcher „Rückblick mit Rücksicht“ helfe beiden Seiten: Chefs erhalten ein Feedback zu ihren Qualitäten als Führungskraft und Ideen für Verbesserungen im Betrieb, den Mitarbeitern hilft das Gespräch, ihre Rolle im Betrieb zu finden und das Selbstwertgefühl zu stärken. In ihrem Buch „Mitarbeitergespräche“ (Orell Füssli Verlag 2011, 200 Seiten, 19,95 Euro) raten Wilfried Braig und Personalentwickler Roland Wille den Unternehmern zu folgender Vorgehensweise:

1. Phase: Rückblick des Mitarbeiters

„Wie haben Sie das Jahr erlebt? An welche Erfolge erinnern Sie sich gern? Was war nicht so toll? Fordern Sie den Mitarbeiter aktiv auf, Ihnen seine persönliche Sicht der Ereignisse darzustellen. Lassen Sie den Mitarbeiter reden, hören Sie zu, und verzichten Sie auf Kommentare und Rechtfertigungen. Erst wenn er Fragen aufwirft oder konkret Ihre Meinung wünscht, können Sie kurz und knapp Ihre jeweilige Sicht der Dinge anbringen. Wichtig: Verzichten Sie auf lange Vorträge oder Erklärungen, es reicht, wenn Sie sagen: „Die neuen Ziele sind ehrgeizig, und ich weiß, dass ich viel von Ihnen verlange. Umso beachtenswerter finde ich Ihr Engagement für die Ziele.“

2. Phase: Zusammenarbeit bewerten

„Wie haben Sie mich als Chef erlebt? Was wünschen Sie sich von mir für das nächste Jahr?“ Viele Chefs haben Angst davor, dass der Mitarbeiter bei diesen Fragen „so richtig vom Leder zieht“ und ungeschminkt seine Meinung präsentiert. Doch so rustikal der Umgangston im Alltag auch sein mag, die meisten Mitarbeiter wissen durchaus, was sich gehört. Natürlich tut es weh, wenn der Mitarbeiter darüber klagt, bei Auftragsänderungen immer zu spät informiert zu werden. Doch der Schaden ist viel schlimmer, wenn er sein Feedback zurückhält, denn dann haben Sie keine Chance, den Fehler abzustellen. Bedanken Sie sich deshalb für die Offenheit, und halten Sie sich nicht mit Erklärungen auf. Es genügt wenn Sie sagen: „Ihr Hinweis ist gut, ich muss mir das mal in aller Ruhe überlegen.“

3. Phase: Rückblick des Chefs

Jetzt haben Sie als Chef die Chance, Ihre persönliche Sicht des vergangenen Jahres darzustellen. Wichtig dabei ist, dass Sie an dieser Stelle nicht nur die den Mitarbeitern hinreichend bekannten allgemeinen Unternehmensziele vorbeten, sondern auf die für Sie besonders wichtigen Sachverhalte eingehen. Beispiel: „Um bessere Preise zu erzielen, haben ich sehr viel Zeit investiert, um gut situierte Privatkunden für unseren Betrieb als Kunden zu gewinnen. Das gelingt inzwischen schon ganz gut, allerdings müssen wir noch die Abläufe bei der Auftragsabwicklung verbessern.“ Nutzen Sie die Chance, den Mitarbeitern einen Einblick in Ihr Tagesgeschäft zu geben, das fördert das gegenseitige Verständnis.

4. Phase: Mitarbeiter-Bewertung

An dieser Stelle sollten Sie dem Mitarbeiter möglichst konkret sagen, was Sie an seiner Arbeit und ihm persönlich positiv finden. Da die Mitarbeiter sonst immer zu hören bekommen, was sie falsch gemacht haben, ist eine Betonung der positiven Aspekte besonders wichtig für das Selbstwertgefühl und die Motivation für das nächste Jahr, denn darauf lässt sich schließlich aufbauen. Wenn Sie neben dem Positiven auch Negatives erlebt haben, sollten Sie dies - falls nicht schon geschehen - in einem separaten Kritikgespräch behandeln. Im Jahresgespräch hat größerer Ärger keinen Platz, denn es ist keine Jahresabrechnung. Schließen Sie deshalb Frieden mit dem Kritikthema, etwa so: „Ich habe gesehen, dass Sie an Ihrem Auftreten gegenüber dem Kunden arbeiten, weiter so.“

5. Phase: Pläne schmieden

Was nehmen wir aus dem Gespräch mit? Was tun Sie und was machen wir gemeinsam? In der letzten Phase geht es darum, die gemeinsame Richtschnur für das kommende Jahr festzulegen. Vereinbaren Sie in Absprache mit dem Mitarbeiter ein oder zwei konkrete Vorhaben, die Sie im Laufe der nächsten Monate angehen wollen. Wichtig: Definieren Sie die sich daraus ergebenden Ziele und konkrete Zeitvorgaben später in einem separaten Zielgespräch. Denn das Feilschen um Zahlen und Termine schadet dem freundschaftlichen Gesprächscharakter und hat in einem Rückblick mit Rücksicht nichts zu suchen.