Wohlgeformte Rundungen bevorzugt

Tradition | Andreas Aßmann ist Büttner aus Leidenschaft. Erfolg misst er nicht in Zahlen, sondern an zufriedenen Kunden. Wie ein altes, seltenes Handwerk in modernen Zeiten besteht.

Wohlgeformte Rundungen bevorzugt

Weich, ein wunderbar schlanker Körper“, die Herren lehnen sich lässig zurück, ein paar lächeln süffisant und schweifen mit dem Blick in ihr Glas. Währenddessen wischt sich Andreas Aßmann in seiner Büttnerei den Schweiß von der Stirn, verteilt unbemerkt Ruß über die glänzende Fläche. Der Blick des Mannes ruht konzentriert auf den Flammen, die gelangweilt aus zwei verbeulten Blechtonnen schlagen. Einige Kilometer entfernt geht die Weinprobe weiter, eine Gruppe befreundeter Männer hat sich dafür extra im Keller versammelt. Urteile wie „rassig“ oder „süß“ fallen in dieser heiteren Runde nicht, dafür aber das entscheidende „dezent vom Holz geküsst“. Die Weinliebhaber sind sich einig – dieser Rotwein hat das gewisse Etwas. Und für dieses Besondere sorgt Aßmann. Der Büttner röstet – in der Fachsprache „toastet“ – während der fernen Weinprobe mehrere 4000-Liter-Holzfässer über züngelnden Flammen. Ein wichtiger Schritt in der Fassherstellung, um Wein, der in den Fässern lagert, einen sachten, vom Holz geprägten Charakter zu verleihen.

Ob Böttcher, Küfer, Fassler, Kübler oder Büttner – sie alle stellen Holzfässer her. Der 39-jährige Andreas Aßmann aus Leidenschaft, wie seine Vorgänger, Vater Karl und Großvater Josef. Dieser gründete die Büttnerei Aßmann 1945 in Eußenheim bei Würzburg. Eine Blütezeit für Büttner, nach dem Krieg waren Holzwaren schwer gefragt. Heute dagegen gibt es in Deutschland nach Angaben des Verbands des Deutschen Fass- und Weinküfer-Handwerks gerade noch 98 Böttcherbetriebe mit acht Lehrlingen in sechs Ausbildungsbetrieben. Einer davon ist die Büttnerei Aßmann. Ein gesundes Unternehmen.

„Von uns gibt es zwar nur noch wenige, aber so hat jeder genug zu arbeiten“, sieht Aßmann junior die Vorteile seines traditionsbewussten Handwerks. Aßmann hat sich seinen Meistertitel 1994 erarbeitet, damit er ausbilden und Mitarbeiter beschäftigen darf, die handwerkliche Tradition erhalten bleibt. Die Firmenleitung hat er 1995 übernommen. Angestellt sind außer dem Lehrling noch drei Gesellen, Vater Karl und Schwiegervater Alfred als Renten-Jobber. Alle zusammen sorgen dafür, dass Winzer immer wieder neue Fässer für die erlesenen Tropfen haben. Diese sind auch auf das seltene Büttnerhandwerk angewiesen: Die jährliche Produktionsmenge Wein liegt hierzulande bei neun bis zehn Millionen Hektoliter, der Bedarf ist sogar noch größer.

„Mir persönlich muss Wein einfach nur schmecken, aber im allgemeinen Trend liegt Rotwein, dem man die Lagerung in Holzfässern in Geruch und Geschmack anmerkt“, erläutert Aßmann und zieht seine Lippen zu einem breiten, schmalen Lächeln. Vor Jahren war das noch undenkbar. Wein mit „Beigeschmack“ galt als minderwertig, neutrale Edelstahltanks fanden reißenden Absatz. Das hat sich geändert – zugunsten der kleinen Büttnerei, die überwiegend Barrique-Fässer herstellt – unbehandelte Holzfässer aus Eiche mit einem Fassungsvermögen von meist 225 Liter.

Einmal pro Woche werden die Fässer getoastet, das erfordert Teamwork und Vertrauen. Für den Familienbetrieb Voraussetzung. Das Miteinander im Betrieb funktioniert ohne viele Worte, keiner steht sich im Weg, jeder scheint emsig zu arbeiten – ob mit Feile oder Hobel in der Hand oder an kreischenden Sägen.

Weltweit gefragte Handarbeit

Der markant gesetzte und zugleich süßliche Geruch in der Werkstatt, ähnlich dem in einem Weinkeller, mischt sich mit dem Feuergeruch vom Innenhof. Der Geruchscocktail erinnert an warme Saunen, wenn die Fässer nach dem Toasten zum Abkühlen in die Halle gefahren werden. Kaum jemand beugt nicht in einem unbemerkten Moment seinen Kopf in die frisch getoasteten Fässer und atmet tief ein oder streicht zaghaft über das warme Holz. Daneben lärmt ein immer wiederkehrendes „Ploing, ploing“ in harten, schallenden Schlägen über das Betriebsgelände. Mit schweren Hämmern zwingen die Angestellten Stahlreifen über die Fässer, die dadurch an Halt gewinnen – dübel- und schraubenfrei. Je nach Fassgröße dauert die Herstellung zwischen drei Tagen und einer Woche. Alles in Team- und Handarbeit. Und die ist gefragt. Weltweit.

Aßmann schickte seine Fässer per Container schon nach Thailand und Australien. Der Winzer down under war derart angetan, dass er noch mehr Fässer aus dem fernen 1160-Seelen-Dorf haben wollte. Verlockend, aber „nicht machbar – ich möchte meine einheimischen Kunden nicht vernachlässigen“. Die kommen „fast von allein“. Zum aktiven Werbemann wird er nur auf Weinmessen, „der Rest ist reines Empfehlungsmarketing“. Aßmann besetzt mit seiner Büttnerei eine Marktnische und weiß genau, worauf es ankommt: echte Handarbeit und Qualität. Winzer seien vertrauenshungrige Kunden, schließlich gehe es bei Wein um ein hochwertiges Produkt.

Trotz Erfolg und guter Geschäfte „mache ich mir gar nichts vor“, verkündet er mit ruhiger Stimme, „die meisten meiner Kunden nutzen parallel Edelstahltanks – kaum ein Winzer nutzt nur Holzfässer“. Holz eigne sich für Rotweine, denn durch die Holzporen gelangt Sauerstoff an die Maische. „Ob ein Wein im Fass oder Edelstahltank ausgebaut wird, hängt von der Weinstilistik eines Weinguts und dem Weintyp ab. Rotweine oder Rieslinge werden gerne für die Reifung in große Holzfässer gelegt, jung zu trinkende Weine dagegen eher im Edelstahltank ausgebaut“, erklärt dazu Sonja Christ, amtierende 61. Deutsche Weinkönigin und Weinfachfrau aus Oberfell an der Mosel. „Ein großer Genuss sind Weine, wenn der Barrique-Ausbau den Charakter des Weins nicht überlagert, sondern unterstreicht“, schwärmt die Expertin.

Diesen Tenor stimmen auch die Herren bei ihrer Verköstigung im Weinkeller an. Der ein oder andere verstaut vorsichtig ein paar Flaschen des vom Holz geküssten Rotweins im Gepäck. So wird auch die Liebste zu Hause schmecken können, warum traditionsbewusste Handwerker wie Andreas Aßmann unverzichtbar sind.

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