Wer wie viel verdient

Gehälter im Handwerk Wer Fachkräfte will, muss gute Löhne zahlen. Doch was tun, wenn der Betrieb das nicht hergibt? handwerk magazin hat nachgeforscht, was Mitarbeiter und Chefs wirklich bekommen.

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    © Fritz Beck
    k Mitarbeiter fördernElke und Volker Seitz (1. v. li.) führen gemeinsam einen Elektro-, Heizung- und Sanitärbetrieb in Dießen am Ammersee. Um die Talente ihrer 13 Mitarbeiter bestmöglich zu fördern, wurden die individuellen Stärken und Schwächen in einem zweitägigen Teamtraining ermittelt. Dadurch können die Chefs die Teams effektiver zusammenstellen und die Mitarbeiter haben mehr Spaß an der Arbeit, weil jeder seine Stärken einbringen kann.Fortgesetzt wird der Teamgedanke durch die Teamwerkstatt: Einmal im Monat treffen sich alle Mitarbeiter für ein gemeinsames Projekt, bei dem immer einer aus der Gruppe die Verantwortung hat. Komplettiert wird die Förderung der Stärken durch die Möglichkeit zur individuellen Weiterbildung.
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    Erst zweimal gab es in den letzten zehn Jahren am Bau Tarifzuwächse über drei Prozent. Somit ist der aktuelle Abschluss mit drei (West) und 3,4 Prozent (Ost) ein Zeichen gegen Lohndumping, da auch die Mindestlöhne angehoben wurden.
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    © KD Busch;
    k Chefin aus LeidenschaftCarmen Heim, Geschäftsführerin im Stuckateurbetrieb Egon Müller GmbH in Neckartenzlingen, liegt mit einem Jahresfestgehalt von 36000 Euro deutlich unter dem im Handwerk von GmbH-Geschäftsführern erzielten Branchendurchschnitt. Als langjährige Top-Managerin im Großkonzern IBM hatte sie zwar ein deutlich besseres Gehalt, konnte jedoch nicht so frei entscheiden, wie sie gerne wollte. Deshalb entschloss sie sich zum Einstieg in den Familienbetrieb.Die im Vergleich zum Handwerk deutlich höheren Löhne der Industriemanager sind für sie „eine Art Schmerzensgeld“ für den hohen Druck und Dauerstress, die großen Unterschiede kann sie jedoch auch nicht immer nachvollziehen. Wenn sie könnte, würde sie ihren Mitarbeitern gerne mehr zahlen.
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    Das Beispiel der Kfz-Branche zeigt: Mit zunehmender Berufserfahrung steigen die Löhne sehr deutlich an.
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    „Immer mehr Bauarbeiter wechseln den Job, weil sie woanders mehr Geld verdienen.“Norman Walter, Geschäftsführer „Deutsche Handwerkervermittlung“ in Berlin.
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    Laut Einschätzung der Elektrohandwerker scheitert die Einstellung neuer Mitarbeiter zu 28 Prozent an zu hohen Lohnforderungen.
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    © Axel Griesch
    Autorin: Kerstin Meier

Wer wie viel verdient

Für Elke und Volker Seitz sind die Tarifgehälter allenfalls eine grobe Richtlinie: „Wir bezahlen unsere Mitarbeiter überdurchschnittlich und leistungsbezogen“, erklärt Elke Seitz, die mit ihrem Mann einen Elektro- und Sanitärbetrieb in Dießen am Ammersee führt. Zielgruppe des 13 Mitarbeiter zählenden Betriebs sind anspruchsvolle Privatkunden, denen Seitz die komplette Haustechnik aus einer Hand bietet. Um das Qualitäts- und Serviceversprechen eines Top-Dienstleisters beim Kunden einzulösen, benötigt der Familienbetrieb qualifizierte Mitarbeiter mit hoher fachlicher und sozialer Kompetenz.

Neben Teamwerkstatt und systematischer Weiterbildung (siehe links) gibt es deshalb im Dießener Betrieb nicht nur Weihnachts- und Urlaubsgeld, sondern auch individuelle Prämien für gute Leistungen und engagierten Einsatz. Ziel ist es, den Mitarbeitern ein für ihre persönliche und finanzielle Entwicklung attraktives Gesamtpaket zu bieten, damit sie möglichst lange dem Seitz-Team treu bleiben.

Lob ist wichtiger als Geld

Unnützer Aufwand oder cleverer unternehmerischer Weitblick? Franz Josef Gomolka, langjähriger Strategieberater im Handwerk aus dem badischen Weissach, hat darauf eine klare Antwort: „Wer seine Mitarbeiter mit Erdnüssen bezahlt, darf sich nicht wundern, wenn er nur von Schimpansen umgeben ist.“ Der Tarif, so Gomolka, sei deshalb nur die Untergrenze.

Belegen kann der Experte dies mit seiner Erfahrung aus vielen Mitarbeiterbefragungen in Handwerksbetrieben: „Nach Anerkennung, Transparenz und den Chancen zur Persönlichkeitsentwicklung folgen Lohn- und Gehalt fast immer auf Platz vier der Mitarbeiter-Hitliste.“

Obwohl das Geld für die Mitarbeiter nicht das Hauptmotiv bei der Wahl des Arbeitsplatzes ist, deuten die von handwerk magazin recherchierten Zahlen darauf hin, dass Mitarbeiter und Chefs im Handwerk sich insgesamt auf einem nicht allzu üppigen Lohn- und Einkommensniveau bewegen. Um attraktiv für qualifizierte Bewerber zu sein, wird es künftig für Chefs kaum reichen, sich mehr um die Mitarbeiter zu kümmern und das Gehalt im bisherigen Rahmen zu belassen.

Unterstützt wird diese These durch eine aktuelle Umfrage des Elektrohandwerks bei Betriebsinhabern der Branche. Danach scheitert die Einstellung eines neuen Mitarbeiters ausdrücklich nur in knapp einem Drittel der Fälle an der Bezahlung, allerdings hängen die in der Umfrage genannten Hauptprobleme wie Bewerbermangel, Qualifikationsdefizite und Abwanderung in die Industrie wohl auch mit dem Lohnniveau zusammen (Details siehe Grafik Seite 16).

Elke Seitz kennt die Mechanismen aus eigener Erfahrung: „Unser Engagement hilft uns zwar dabei, die Mitarbeiter zu motivieren und im Unternehmen zu halten, doch neue Fachkräfte finden wir trotzdem keine.“ Schuld daran sei eben vor allem das Lohnniveau der Branche: „Auch wenn wir überdurchschnittlich bezahlen, haben es die Mitarbeiter schwer, ihr Leben und das ihrer Familie zu finanzieren.“

Bankkaufleute haben 1000 Euro mehr

Ein Blick auf die am Markt gezahlten Löhne und Gehälter für Fachkräfte mit Berufserfahrung und Führungsverantwortung zeigt, was Elke Seitz meint (siehe Tabelle Seite 10): Nur die wenigsten Mitarbeiter im Handwerk erreichen im Westen überhaupt die 3000-Euro-Marke beim Bruttogehalt, im Osten haben die meisten Mühe, überhaupt auf 2500 Euro zu kommen. Zum Vergleich: Ein Bankkaufmann mit gleicher Erfahrung und Verantwortung bringt es im Westen laut lohnspiegel.de auf ein Monats-Brutto von 3637 Euro, im Osten sind es immerhin noch 3367 Euro.

Abwanderung in die Industrie

Für die These, dass sich der Fachkräftemangel im Handwerk aufgrund der Gehaltsstrukturen verstärken könnte, spricht auch ein Detailergebnis aus der Umfrage im Elektrohandwerk: War die Konkurrenz durch die Industrie vor drei Jahren noch für 23 Prozent der Unternehmer ein Problem bei der Fachkräftesuche, stieg diese Quote in der aktuellen Befragung auf 29 Prozent an.

Elke Seitz würde das Dilemma gerne lösen, indem sie ihren Mitarbeitern einfach höhere Löhne zahlt: „Das können wir leider nicht, denn schließlich müssen wir das Geld am Markt verdienen.“ Da der Spielraum bei einem Betrieb ihrer Größe beschränkt ist, machen Elke und Volker Seitz das, was die meisten Unternehmer im Handwerk tun: Bevor sie bei den Mitarbeitern Leistungen streichen, sparen sie lieber bei sich selbst.

Am Bau, wo die Branche sich mit fünf Prozent in zwei Jahren gerade auf einen vergleichsweise üppigen Anstieg der Tariflöhne verständigt hat, scheint diese Einstellung bislang noch nicht zu gelten. Norman Walther, Geschäftsführer der „Deutschen Handwerkervermittlung“ (DHV) in Berlin, hat unter seinen Kunden auch viele klein- und mittelständische Baubetriebe: „Von Tarif ist da kaum die Rede, die meisten zahlen nach wie vor den Mindestlohn.“

Eine Politik, die bei anhaltend guter Konjunktur am Bau nach Walters Einschätzung zum Bumerang werden könnte: Wer jung und flexibel sei, gehe inzwischen nach Skandinavien, das am Bau mit hohen Löhnen und besseren Arbeitsbedingungen lockt. „Noch“, so Walter, „verzichten die deutschen Bauunternehmer scheinbar lieber auf den Auftrag als auf ihre Marge.“

Protziges Chefgehabe oder sinnvolle Überlebenstaktik? Zumindest die Statistik der Verdienste bei GmbH-Geschäftsführern, die im Handwerk etwa 25 Prozent der Unternehmer ausmachen, scheint fürs Kalkül zu sprechen (siehe Tabelle unten). Denn mit einem Jahresfestgehalt von 70000 Euro liegt der Bau an Ende der Rangliste und deutlich unter dem Durchschnitt von 86126 Euro.

Carmen Heim, Geschäftsführerin des Stuckateurbetriebs Egon Müller GmbH in Neckartenzlingen, kann über die von der BBE Unternehmensberatung in Köln jährlich ermittelten Durchschnittswerte allerdings nur lächeln. „Vom durchschnittlichen Jahresfestgehalt im Baunebengewerbe sind mein Bruder und ich Lichtjahre entfernt“, erklärt die Geschäftsführerin. 36000 Euro beträgt momentan ihr Jahresfestgehalt, damit erreicht sie nicht einmal die Hälfte des Branchendurchschnitts von 85769 Euro.

Freiheit statt Spitzen-Gehalt

Dass sie sich nach über zehn Jahren erfolgreicher Karriere bei IBM dennoch entschloss, gemeinsam mit ihrem Bruder den Familienbetrieb zu leiten, hat vor allem mit ihrem Wunsch nach „echter“ Eigenverantwortung zu tun: „Bei IBM habe ich das Dreifache verdient, war sehr wichtig und genoß viele Annehmlichkeiten, doch so richtig entscheiden kann man als Einzelner in einem internationalen Konzern einfach nicht.“ Da ihr Mann ebenfalls einen guten Job hat, fiel ihr der Wechsel natürlich leichter, doch selbst ihr Vater riet ihr zunächst ab, nachdem sie ihm ihr Gehalt verraten hatte: „Seine Aussage ‚Mädle, dann bleibe lieber bei IBM’ ist mir auch noch Jahre später in bester Erinnerung“, erklärt Carmen Heim.

Bereut hat sie den Schritt trotz der finanziellen Einbußen dennoch zu keiner Minute, schließlich sind sie und ihr Bruder mit dem Betrieb aufgewachsen: „Ich wusste schon recht genau, was mich im Handwerk erwartet.“ Das Lohngefälle zur Industrie kann sie zwar ein Stück weit nachvollziehen, dass ihre Mitarbeiter für „einen echten Knochenjob“ mit 1700 bis 1800 Euro brutto nach Hause gehen, findet sie aber nicht angemessen. Obwohl ihr Bruder und sie intensiv daran arbeiten, dem Betrieb mit der Neuausrichtung auf Privatkunden zu besseren Preisen und damit auch den Mitarbeitern zu höheren Löhnen zu verhelfen, sieht sie den Fachkräftemangel mit Sorge. „Momentan ist der Markt leergefegt - und die 16 Euro Stundenlohn, die ein guter Bewerber fordert, können wir einfach nicht bezahlen.“

kerstin.meier@handwerk-magazin.de

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