Wann sich Carsharing lohnt

Fuhrpark | Wer ein Auto nur stundenweise braucht, fährt mit Carsharing oft besser als mit einem klassischen Autovermieter. Das gilt auch für gewerbliche Nutzer.

Wann sich Carsharing lohnt

Otto Ernst besitzt kein eigenes Auto. „Die hohen Treibstoffpreise machen ein Fahrzeug, das ausschließlich beruflich genutzt wird, fast unerschwinglich“, meint der Bremer Uhrmacher, der als Einzelunternehmer arbeitet. Wenn Uhren zu reparieren sind, suchen die meisten Kunden sein Geschäft in der Innenstadt sowieso persönlich auf. Allenfalls für die Abholung und Anlieferung von Wand- und Standuhren benötigt Ernst einen mobilen Untersatz. „Dann gehe ich lieber zum Stützpunkt meines Carsharing-Partners und hole ein passendes Auto“, sagt Ernst – vom Kleinwagen bis zum Transporter gibt es dort alle marktüblichen Fahrzeuggrößen.

Als registrierter Nutzer von „Cambio Carsharing“, einem der größten Marktteilnehmer in Deutschland, besitzt der Uhrmacher eine Kundenkarte, mit der er einen Briefkasten für Fahrzeugschlüssel öffnet. Rund viermal in der Woche ist er mit einem Carsharing-Auto unterwegs. Weil fast alle Kunden im Stadtgebiet leben, muss er in der Regel nicht mehr als 30 bis 40 Kilometer fahren und bringt fast immer am gleichen Tag das Auto zurück. „Ich gebe im Monat rund 250 Euro für Carsharing aus“, hat Ernst nachgerechnet, gemietete Fahrzeuge sind häufig deutlich teurer.

Carsharing ist im Aufwind: Über 120000 Kunden nutzen dem Bundesverband Carsharing (BCS) in Hannover zufolge dieses Mobilitätskonzept, Tendenz stark steigend. In aller Stille haben sich die bundesweit rund 100 Anbieter von ihrem muffigen Öko-Image befreit und sind längst zur ernstzunehmenden Alternative für Mietautounternehmen geworden. Außer Privatpersonen, die bewusst auf ein eigenes Fahrzeug verzichten, weil sie sich dieses nicht leisten wollen oder nur sporadisch nutzen, greifen zunehmend auch gewerbliche Nutzer auf Carsharing zurück. Spezielle Firmentarife machen dieses Fahrzeugangebot attraktiv. Das Spektrum reicht vom Einzelunternehmer, der lediglich ein- oder zweimal in der Woche einen Pkw fährt, über Kleinbetriebe, die zusätzlich zum bestehenden Fuhrpark ein Fahrzeug benötigen, bis hin zu größeren Dienstleistern und Behörden wie Sparkassen und Stadtverwaltungen. Zum Beispiel bucht die Stadt Düsseldorf Fahrzeuge per Dauerauftrag.

Kleinbetriebe als Kunden

Bei den gewerblichen Kunden überwiegen kleinere und mittlere Unternehmen. So zählt Cambio Carsharing in Bremen, nach DB Carsharing zweitgrößter Anbieter in Deutschland, 748 Unternehmen als Kunden. Knapp 90 Prozent haben weniger als zehn „fahrberechtigte Mitarbeiter“. Mit diesem Begriff werden Kollegen bezeichnet, die wie Uhrmacher Ernst aus Bremen über eine Nutzungskarte verfügen. Sie macht den Weg zum Carsharing-Fahrzeug frei, in dem sie Schlüsseldepots öffnet oder von einem Lesegerät hinter der Windschutzscheibe identifiziert wird. Der Nutzer kann dann die Fahrzeugtür offnen und findet den Autoschlüssel im Handschuhfach vor. Zuvor hat er via Internet oder Telefon das gewünschte Fahrzeug inklusive der voraussichtlichen Fahrzeit gebucht. Auf dieser Basis wird dann abgerechnet. Der Nutzer beziehungsweise sein Arbeitgeber zahlt für jede angefangene Stunde und jeden gefahrenen Kilometer. Marktüblich sind Stundensätze von drei bis fünf Euro sowie Kilometerpreise zwischen 30 und 40 Cent. Hinzu kommen einmalige Anmeldegebühren in Höhe eines zweistelligen Eurobetrags sowie monatliche Mitgliedsbeiträge: Pro registriertem Nutzer sind zwischen fünf und zehn Euro fällig, außerdem muss eine Kaution gezahlt werden, die jedoch bei Ausscheiden des Mitarbeiters zurücküberwiesen wird.

Viele Anbieter arbeiten mit mehreren Tarifmodellen. So kann der Kunde reduzierte Stundensätze in Anspruch nehmen, wenn er ausschließlich zu bestimmten Tageszeiten fährt. Oder er zahlt weniger Kilometergeld, übernimmt dann aber die Treibstoffkosten in voller Höhe.

Viele Anbieter haben auch spezielle Firmenkundentarife, die deutlich günstiger als die Privatkundensätze sind. Großkunden können auch individuelle Konditionen aushandeln, die bis zu 30 Prozent preiswerter als die Standardtarife sind. Auch umsatzbezogene Rabatte sind möglich. DB Carsharing in Frankfurt, der größte Anbieter im Markt, bietet jedem Firmenkunden volumenabhängige Tarife an. „Die genaue Höhe ist Verhandlungssache“, so ein Sprecher.

Bleibt die Frage, unter welchen Voraussetzungen sich Carsharing wirklich rechnet. Egal ob der Handwerker Autos kauft, least oder mietet: Wenn er mit einem Fahrzeug weniger als 10000 Kilometer im Jahr unterwegs ist, fährt er mit Carsharing günstiger, so rechnet jedenfalls der BCS, der in der Kalkulation auch den Wertverlust eines Neufahrzeugs berücksichtigt hat.

Probleme auf dem Land

Für Firmenkunden geht diese Rechnung jedoch nicht immer auf. Carsharing ist vor allem in Großstädten und Ballungszentren populär, wo Einwohner relativ leicht auf ein eigenes Auto verzichten können. Während an solchen Standorten häufig mehrere Anbieter um Kunden konkurrieren, gibt es auf dem flachen Land häufig keinen einzigen Dienstleister. Auch die Großen der Branche (siehe Tabelle), die deutschlandweite Netzwerke planen, sind bislang über Groß- und Mittelstädte noch nicht hinausgekommen.

Der Standort des Carsharing-Anbieters ist ebenfalls wichtig, er sollte in unmittelbarer Nähe des Firmensitzes oder wenigstens der Wohnorte fahrberechtigter Mitarbeiter liegen, damit für die Fahrzeugabholung und -rückgabe nicht wertvolle Arbeitszeit verloren geht. Außerdem muss der Handwerksunternehmer wissen, welche Autos er benötigt: Kleinere und mittlere Pkws gängiger Marken wie Opel und VW hat jeder Anbieter, gehobene Fahrzeugklassen sind relativ rar, und Lkws gibt es mit Ausnahme von Transportern nirgendwo. Unternehmen, die solche Fahrzeuge benötigen, müssen sich weiterhin an branchenbekannte Vermieter wie die Daimler-Tochter Charterway wenden.

Im Arbeitsalltag hat das Carsharing-Modell ebenfalls Tücken. Das Fahrzeug muss in dem Zustand übernommen werden, in dem es der Vorgänger hinterlassen hat, also gegebenenfalls auch verschmutzt und ohne Treibstoff. Weil viele Fahrzeuge kein Navigationsgerät eingebaut haben, sollten fahrberechtigte Mitarbeiter die Fahrziele genau kennen. Auch die Kalkulation der Einsatzzeiten kann Probleme bereiten. Verlängerungen sind möglich, müssen aber mit dem Dienstleister abgestimmt werden.

Wer solchen Problemen aus dem Weg gehen will, sollte auf Mietautos ausweichen, zumal deren Anbieter Stammkunden, die regelmäßig buchen, Rahmenverträge mit über 20 Prozent günstigeren Tarifen anbieten. Das sehen die Carsharing-Anbieter auch so. „Unsere Preise sind für kurzzeitige Nutzungen mit wenig Kilometern ausgelegt“, sagt Birger Holm, Geschäftsführer von Greenwheels GmbH in Hamburg. Wer längere Fahrten ab einem Tag antritt, fährt mit einem Mietauto in der Regel kostengünstiger. Die klassischen Vermieter wie Sixt oder Hertz rechnen nach Tagespauschalen ab.

Große Carsharing-Anbieter arbeiten längst mit Mietautoanbietern zusammen. Wenn ein Kunde ein Fahrzeug für mehr als 24 Stunden benötigt, spezielle Fahrzeugwünsche hat oder alle Carsharing-Pkws vor Ort ausgebucht sind, kann er Fahrzeuge des Mietpartners zu vergünstigten Tarifen buchen. Umgekehrt zeigen die Mietautoanbieter auch an Carsharing zunehmend Interesse. So bietet Sixt seit Mitte Juni an Standorten, an denen Pkws der Billigmarke Sixti vertrieben werden, auch die stundenweise Vermietung von Fahrzeugen an.

Stefan Bottler

reinhold.mulatz@handwerk-magazin.de