Wachstum richtig planen

Wächst der Betrieb über zehn Mitarbeiter, ist der Chef zunehmend als Manager gefragt. Weil diese Rolle nicht jedem liegt, verzichten viele Handwerker auf eine Expansion. Wie Sie mit System sicher wachsen.

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    © Jens Nieth
    Ralf Schawag, SHK-Unternehmer im Sauerland, hat den Familienbetrieb auf heute 18 Mitarbeiter vergrößert .
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    © Chart: handwerk magazin
    Über 80 Prozent der ­Betriebe im Handwerk haben heute nicht mehr als zehn Mitarbeiter.

Wachstum nach klarem Plan

Seit fast drei Jahren produziert die Schawag GmbH Nachrichten in Serie. „Unsere Elektroabteilung wächst.“ „Verstärkung im Büro.“ „Noch ein neuer Azubi.“ Die Zahl der Mitarbeiter des SHK-Betriebes hat sich in dieser Zeit fast verdoppelt – auf 18. Nicht nur deshalb fällt der Handwerksbetrieb auf in und um Plettenberg, einem Städtchen im westlichen Sauerland, das in den letzten 15 Jahren ein Zehntel seiner Einwohner verloren hat.

Unbeeindruckt von den Rahmenbedingungen hat die Schawag GmbH seit ihrer Gründung 1983 dennoch eine bemerkenswerte Entwicklung genommen. „Der Betrieb war schnell auf etwa acht bis zehn Mitarbeiter gewachsen“, blättert Inhaber Ralf Schawag, der das Unternehmen 2006 von seinem Vater übernahm, in der Chronik zurück. Diese Größe habe den Inhabern lange als „optimal“ gegolten.

Mehr Aufträge, weniger Gewinn

Nur zu Beginn der 90er-Jahre sei der Betrieb aufgrund von Großaufträgen schon einmal auf über 15 Mitarbeiter gewachsen. „Mit dem Ergebnis, dass meine Eltern bis an die Grenzen der Belastbarkeit arbeiteten, um die nötigen Aufträge heranzuschaffen“, erinnert sich der 44-Jährige. Weil unterm Strich kaum mehr Gewinn übrig blieb als vorher, fuhr das Gründerehepaar den Personalbestand schließlich wieder auf das gewohnte Maß zurück.

Grenze für Alleinentscheider

„Ein Phänomen, das wir häufiger beobachten“, bestätigt Dr. Stefan Hoffmann, Leiter der Akademie des Heiztechnikherstellers Viessmann. Viele Handwerker mit gutem Potenzial, die eigentlich steigende Umsätze erschließen wollten, scheiterten an einer „unsichtbaren Wachstumsschwelle“. Diese liege im SHK-Handwerk „je nach Firmenkonstellation bei etwa 10 bis 15 Mitarbeitern“, beobachtet Hoffmann. Also bei etwa jener Marke, ab der ein Alleinentscheider an objektive Kapazitätsgrenzen stoße.

Mancher Chef kompensiere das Dilemma durch Selbstausbeutung, weiß Berater Thomas Hardwig (siehe Seite 38), und landet so in dem berühmten „Hamsterrad“, in dem viele strampeln, ohne von der Stelle zu kommen. Irgendwann stehen die meisten vor der Entscheidung, „einen Teil ihrer Aufgaben zu delegieren – oder die Firma wieder zu schrumpfen“.

„Ersteres ist die mit Abstand größere Herausforderung“, sagt Rolf Steffen, Heizungsbaumeister aus dem rheinländischen Alsdorf. Denn die Übertragung von Verantwortung setzt nicht nur beim Chef ein Umdenken und ein hohes Maß an Vertrauen voraus. „Auch Mitarbeiter müssen für die entsprechenden Veränderungen gewonnen und qualifiziert werden. Es bedarf geeigneter Instrumentarien und oft auch neuer Abläufe und Strukturen“, erklärt der 52-Jährige, der Ende der 90er-Jahre den Weg „vom Handwerker zum Unternehmer“ absolvierte.

Coaching statt Einmalhilfe

Die Erfahrungen bei der Umgestaltung des eigenen SHK-Betriebes zur heutigen Team Steffen AG mit fast 50 Beschäftigten gaben er und sein Bruder Udo seit der Jahrtausendwende in Seminaren an Berufskollegen weiter. Doch sie stellten bald fest, dass punktuelle Seminare kaum Wirkung zeigten. Zwar fuhren die Kursteilnehmer begeistert nach Hause, wurden aber anschließend schnell wieder vom „Hamsterrad“ vereinnahmt; die guten Vorsätze verpufften.

So reifte bei den Brüdern die Idee für ein Coachingprogramm, das Betriebe über 24 Monate begleitet und neben den Inhabern auch deren Lebenspartner und Mitarbeiter einbezieht. 2005 starteten die Alsdorfer dieses mit Wissenschaftlern entwickelte Angebot unter dem Titel „Uptodate-Offensive“, das von mehreren Industriepartnern, darunter Viessmann, Stiebel Eltron oder Hilti, unterstützt wird.

Als Ralf Schawag seinen Betrieb 2008 für das Fitnessprogramm anmeldete, dachte er noch nicht an Wachstum. „Ich versprach mir Anregungen, wie ich das Unternehmen für die Zukunft rüsten könnte“, bekennt der Diplom-Ingenieur für Versorgungstechnik. Dass er mit seiner Frau, die als selbständige Physiotherapeutin arbeitet, im ersten Workshop private Lebensziele niederschrieb, verblüffte beide. „Heute weiß ich: Das war das Fundament für den erfolgreichen Umbau des Unternehmens“, bescheinigt Schawag.

Keine Ausschreibungen mehr

Mit seinem Team entwickelte er als Nächstes eine Firmenphilosophie und drehte in 24 Monaten jeden Stein im Unternehmen um. „Dabei beschlossen wir zum Beispiel, aus dem wenig ertragreichen Ausschreibungsgeschäft auszusteigen und uns auf Privat- und Industriekunden zu konzentrieren“, nennt er eine Konsequenz. Nach der Analyse der Kundenbedürfnisse und Zukunftstrends beschloss Schawag, auch in den Bereichen Elektro- und Kältetechnik eigene Kapazitäten aufzubauen. „Die Wachstumsschritte ergaben sich daraus fast wie von selbst“, gesteht der Unternehmer.

Weil die angestammten Räume schnell zu klein wurden für die Pläne, bezog der Handwerksbetrieb 2010 ein neues Domizil. An dem als frühere Szenekneipe in der Region bekannten Standort bietet Schawag heute ein Energiezentrum mit modernster Heiztechnik und ein „Badkino“, in dem Kunden die Umgestaltung ihres Sanitärbereiches schon vor Baubeginn virtuell erleben können.

Eigenverantwortliche Teams

Dass das Firmenwachstum den Inhaber nicht ins Hamsterrad verbannte, liegt vor allem an der neuen Kultur, die mit Uptodate Einzug hielt. „Die Teams handeln heute auf ihren Baustellen weitgehend eigenverantwortlich“, berichtet der 44-Jährige. Vom Aufmaß über die Materialbestellung bis hin zur Termin- und Kostenüberwachung liege die Projektsteuerung in den Händen der Mitarbeiter. Bei einer 15-minütigen Frühbesprechung tausche sich die Belegschaft über den aktuellen Stand aus, und „einmal im Monat gibt es eine detaillierte Auswertung bei einem Firmenfrühstück“, so der Chef.

Obwohl sie das Uptodate-Programm  2010 mit einem TÜV-Zertifikat erfolgreich abgeschlossen haben, ist es für die Plettenberger keineswegs beendet. „Wir bereiten gerade die zweite Rezertifizierung vor, treffen uns regelmäßig mit anderen Uptodate-Unternehmen und arbeiten mit fast 200 von ihnen in einer Leistungsgemeinschaft zusammen“, schwärmt Schawag. Dieser fortwährende Austausch mit Gleichgesinnten sei ein wichtiger Schlüssel für die Weiterentwicklung des Unternehmens.