Verkaufen lernen

Vertriebsschulung | Statt ständig mit den Kunden über den Preis zu verhandeltn, schulen Unternehmer ihre Mitarbeiter in Sachen Verkauf – mit Erfolg, wie die Beispiele zeigen.

Verkaufen lernen

Wie Kunden ticken lernen die drei Führungskräfte von Heiztechniker Hartmut Dobler. Mindestens einmal pro Jahr schickt er sie zur Verkaufsschulung. „Das Training und die Rollenspiele machen Spaß und bringen viel für die Praxis“, berichtet der 48-jährige Weinstädter, denn so verstehe er die Psychologie, die im Verkauf stecke. Weitere zwölf Monteure erhalten eine produktspezifische Verkaufsschulung. Von denen wünscht er sich mehr Biss, wenn es um die kontinuierliche Auftragsabwicklung geht. Alle zwei Monate müsse er an ihnen rütteln, damit sie beim Kunden auf Schwachstellen achten und Folgegeschäfte anbieten.

Obwohl der Elektromeister, der mit seinem Betrieb fast zwei Millionen Euro Umsatz erzielt, von der Werbung über Messen bis zu Vorträgen viele Vertriebswege nutzt, kommt der Verkauf insgesamt zu kurz. „Als Chef ist man Verkäufer, Handwerker, Seelsorger und Ausbilder in einer Person“, sagt Dobler. Sein Traum: Ein Mitarbeiter, der sich ausschließlich um den Verkauf kümmert und sich mit einem festen
Zeitbudget gezielt auf Kundengespräche vorbereitet.

Die Bedeutung des Verkaufs und der intelligenten Produktgestaltung im Handwerk nimmt zu, beobachtet Matthias Schlageter. Der Seminargestalter der Deutschen Verkaufsleiter Schule (DVS) in München bietet mit 30 freien Dozenten jährlich 150 Seminare mit 2000 Teilnehmern an. Da weniger als fünf Prozent seiner Seminarteilnehmer aus dem Handwerk kommen, ist er der Meinung, dass sich Handwerksbetriebe zu wenig um den Vertrieb kümmern. Denn wenn die Konkurrenz innerhalb der Gewerke wächst und die Qualität der abgelieferten Arbeit sich gleicht, setzen sich die Betriebe durch, die einen Zusatznutzen anbieten. Ein Sanitärfachmann begeisterte Schlageter kürzlich. Der stellt seinen Kunden ein kleines Bad vors Haus, während ihr Badezimmer renoviert wird. Die Lösung bietet beiden Seiten Vorteile: Der Meister kann mit seinen Mitarbeitern uneingeschränkt umbauen. Und für den Kunden ist die tägliche Hygiene gesichert. „Für eine derartige Serviceleistung sind Kunden bereit, mehr zu zahlen“, sagt der 39-jährige Kaufmann. Das könne eine zusätzliche Einnahmequelle sein und hebt vor allem den Betrieb gegen-
über anderen Anbietern hervor. So entkommen Handwerker, die dieselbe Qualitätsarbeit abliefern, einem fatalen Preiswettbewerb, innerhalb dessen sie sich gegenseitig unterbieten.

Ein Zusatznutzen kann auch in der Zusammenarbeit mehrerer Betriebe bestehen, sagt Schlageter. Saniert ein Immobilienbesitzer sein Haus, dann muss er sich oft mit mehreren Gewerken herumschlagen, deren Termine organisieren, Absprachen koordinieren und Arbeitsabläufe klären. Netzwerke, die vorab in die Planung der Arbeitsabläufe investieren, steigern die Effizienz um zehn Prozent, schätzt Roland Koch vom Projekt Fachbetrieb Ausbau, das von der europäischen Kommission und dem Wirtschaftsministerium Baden-Württemberg gefördert wurde. Denn Strategie sei die Kunst, sich zu kratzen, bevor es juckt. Einzelne Handwerker hätten dagegen nicht die Möglichkeit, ihren Einsatz so zu koordinieren, wie Netzwerke es tun, oder für andere Kollegen mit- und vorauszudenken. Im Stuttgarter Handwerk-Netzwerk arbeiten acht Gewerke vom Bauunternehmer bis zum Schreiner zusammen und bieten Leistung aus einer Hand. Einer davon ist Hartmut Dobler. Geschäftsführerin Monika Kurfeß schätzt, dass die zehnjährige Teamarbeit eine weitere Effizienzsteigerung bringt, von der die Kunden profitieren: Durch eine kompetente, acht Gewerke
übergreifende Beratung und geringere Kosten. Das Handwerk-Netzwerk hat für die Ingenieurin in der Stuttgarter Schreinerei Zwinz einen ganz praktischen Wert: „Wir unterstützen uns gegenseitig.“ Nach der Empfehlung durch andere Kunden ist der Tipp eines zuverlässigen Handwerkers die überzeugendste Werbung.

Der freiberufliche Verkaufstrainer August Breil (siehe Kasten) bemängelt, dass Handwerker in Verkaufsgesprächen nur ihre Leistungen anbieten, aber nicht den Wert ihrer Leistung. So verkaufe beispielsweise ein Maler lediglich 75 Quadratmeter Tapete, sagt der Ludwigsburger, der 20 Jahre im Außendienst tätig war. Viel wichtiger sei dagegen der geschaffene Wert: Die Freude am neu gestalteten Zimmer. „Während des Beratungsgesprächs muss der Kunde dieses Zimmer vor Augen haben“, animiert Breil die Maler. Entscheidungen würden zwar oft analytisch durchdacht, aber letztlich gebe „das Bauchgefühl“ des Kunden den Ausschlag.

Auf Kunden eingehen

Deshalb ist es wichtig, dass sich Handwerker für Verkaufsgespräche Zeit nehmen und sich in ihre Kunden und deren Situation einfühlen: Haben sie einen gehetzten Manager vor sich, der es gewohnt ist, schnelle Entscheidungen zu treffen? Oder kommt jemand entspannt und bereit zum Smalltalk? Handwerker, die zu schnell auf einen Vertragsabschluss drängen, bedienen ein altes Klischee: alles versprechen, nichts halten. Das gelte besonders für kleine Betriebe mit drei, vier Beschäftigten, meint der 67-jährige Breil, der sich seit 1985 im Berufsverband für Trainer, Berater und Coaches (BDVT), dem ältesten und größten Verband dieser Art, engagiert. Wenn sich Kunden während des Gesprächs nicht gewürdigt fühlten, vermuteten sie, dass auch das Tapezieren lieblos passiere. Nach dem Motto: Hauptsache fertig. Wenn das Thema auf die Schnelligkeit reduziert werde, stehe der Preis im Mittelpunkt, der ständig weiter gedrückt wird. Dann muss der Handwerker Umsatz über Masse machen – die Negativspirale setzt sich in Gang.

Wichtig sei dagegen, in einem Gespräch den tatsächlichen Bedarf des Kunden zu ermitteln. Ein Meister des Verkaufsgesprächs frage so, dass sich der Kunde die Leistung praktisch selbst verkaufe, sagt BDVT-Trainer Breil. Ist die alte Tapete noch tragfähig? Wie viel ist ihnen eine neue Tapete wert? Wann hätten Sie den Anstrich am liebsten? Wie lange darf es dauern? Das Angebot sollte am Ende drei Alternativen enthalten, rät der Ludwigsburger: „Eines mit Goldrand. Eines für arme Leute. Und eines, das ich am liebsten machen würde.“ Damit bleibe dem Kunden der Gang zur Konkurrenz erspart, denn drei Angebote habe er bereits in der Hand.

Jens Gieseler

gudrun.bergdolt@handwerk-magazin.de