Verbraucherstreitbeilegungsgesetz Welche neuen Pflichten Handwerker jetzt haben

Das neue Verbraucherstreitbeilegungsgesetz eröffnet Alternativen zum Gerichtsweg und bringt ab 2017 neue gesetzliche Informationspflichten für Handwerker. Beim Online-Vertrieb von Handwerkerleistungen und Produkten ist jetzt schnelles Handeln angesagt.

Handwerker und Kunde im Clinch: Neue Schlichtungsstellen sollen künftig Konflikte zwischen Verbrauchern und Firmen schlichten. - © contrastwerkstatt/Fotolia.com

Worum geht es im Verbraucherstreitbeilegungsgesetz?

Für die außergerichtliche Streitbeilegung mit der Kundschaft von beispielsweise Handwerkern und Einzelhändlern gibt es seit Kurzem ein neues gesetzlich geregeltes Verfahren. Grundlage ist das Verbraucherstreitbeilegungsgesetz (VSBG). Es ist seit 1. April 2016 in Kraft und setzt europarechtliche Vorgaben um. Genauer: die Anforderungen der EU-Richtlinie über alternative Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten.

Das neue Verfahren soll niedrigschwellige Möglichkeiten der Konfliktbeilegung schaffen und da, wo möglich, den Gerichtsweg durch ein Schlichtungsverfahren entbehrlich machen. Der Gesetzgeber sieht darin auch einen Beitrag zur Kundenzufriedenheit und Kundenbindung sowie zum Erhalt von Geschäftsbeziehungen.

Wer führt das neue Schlichtungsverfahren durch?

Das neue Verfahren dürfen nur zugelassene „Verbraucherschlichtungsstellen“ durchführen. Die Zulassung erteilt das Bundesamt für Justiz (www.bundesjustizamt.de). Derzeit ist ein flächendeckendes Netz solcher teils auch branchenbezogener Einrichtungen im Aufbau. Darunter sind auch einige, die bisher schon Streitigkeiten mit Verbrauchern geregelt haben und jetzt auch die Anforderungen des neuen Gesetzes erfüllen.

Für welche Streitigkeiten sind die neuen Schlichtungsstellen zuständig?

Das geht im Grunde schon aus dem Namen des Gesetzes hervor. Sie schlichten Konflikte zwischen Verbrauchern und Unternehmen insbesondere über Mängel von Produkten und Dienstleistungen. Das betrifft fast alle Arten von Verbraucherverträgen – von Onlinehandel bis Handwerkervertrag. Ausgenommen sind lediglich der Gesundheitssektor und einige staatliche Dienstleistungen. Ausgenommen sind immer auch Arbeitsverträge.

Ist ein Vertrag überhaupt zustande gekommen? Das ist oftmals schon der erste Streitpunkt, der ebenfalls mithilfe der Schlichtungsstelle geklärt werden kann.

Welche Schlichtungsstelle im konkreten Fall zuständig ist, ergibt sich aus der jeweiligen Streitigkeit. So bestehen schon seit Längerem spezialisierte Schlichtungsstellen für bestimmte Branchen, zum Beispiel für Energieversorgung, Versicherungen, Banken und Verkehr.

Welche Schlichtungsstelle kümmert sich um Streitigkeiten aus Handwerkerverträgen?

Für das Handwerk gibt es derzeit keine eigene branchenspezifische Schlichtungsstelle im Sinne des Gesetzes. Zuständig für Streitigkeiten zwischen Handwerker und Verbrauchern ist deshalb die Allgemeine Verbraucherschlichtungsstelle „Zentrum für Schlichtung e.V.“ mit Sitz in Kehl ( www.verbraucher-schlichter.de). Dort gibt es auch eine Übersicht sowie Links zu branchenspezifischen Schlichtungsstellen.

Sind andere Möglichkeiten der außergerichtlichen Streitbeilegung im Handwerk damit hinfällig?

Das neue Netz von Schlichtungsstellen ergänzt bereits bestehende und bewährte Möglichkeiten der alternativen Streitbeilegung wie etwa die Mediation oder auch das „Güteverfahren im Handwerk“, das Handwerkskammern, Innungen und Fachverbände ihren Auftraggebern anbieten. Handwerker können Konflikte mit Kunden natürlich auch da weiterhin regeln lassen. Es gelten dort aber andere Grundlagen und Verfahrensregeln.

Müssen Unternehmer mitmachen?

Die Teilnahme an der Schlichtung ist für beide Seiten freiwillig. Ob sie daran teilnehmen oder nicht, darüber müssen Unternehmen jedoch ab 2017 ab einer bestimmten Betriebsgröße informieren.

Nur im Ausnahmefall sind Unternehmer bestimmter Branchen gesetzlich zur Teilnahme verpflichtet wie beispielsweise Energieversorger und Fluggesellschaften. Oder sie haben sich hierzu freiwillig verpflichtet wie etwa die Versicherer (Ombudsmannverfahren).

Gelten für das neue Schlichtungsverfahren Streitwerte?

Bei der derzeit für das Handwerk zuständigen Stelle, der Allgemeinen Verbraucherschlichtungsstelle, darf der Streitwert nicht unter 50 Euro liegen und 50.000 Euro nicht überschreiten. In anderen Schlichtungsstellen kann es durchaus andere Grenzen für den Mindest- und Höchstreitwert geben.

Wer trägt die Kosten des neuen Schlichtungsverfahrens?

Für Verbraucher ist das Schlichtungsverfahren kostenlos. Nur im Falle eines „missbräuchlichen“ Antrags kann die Schlichtungsstelle vom Verbraucher eine Gebühr von höchstens 30 Euro verlangen.

Die Finanzierung wird vor allem von den Unternehmen, die sich freiwillig am Schlichtungsverfahren beteiligen, in Form von Fallpauschalen und Mitgliedsbeiträgen geleistet. Bei der für das Handwerk zuständigen Stelle beträgt der Mindestbetrag 50 Euro. Auch Kostenerleichterungen sind möglich, wenn die Beschwerde offensichtlich unbegründet war. Bis dahin, dass die Kosten entfallen.

Wer kann wann einen Schlichtungsantrag stellen?

Nur der Verbraucher kann einen Antrag einreichen. Er muss den Unternehmer aber schon auf die strittige Sache angesprochen haben. Hier hakt auch die Schlichtungsstelle beim Beschwerdeführer nach: Hat er selbst schon versucht, eine Konfliktlösung herbeizuführen? „Dafür reicht zum Beispiel ein E-Mail-Austausch“, sagt Felix Braun, Jurist und Vorstand des Zentrums für Schlichtung e.V. in Kehl. „Abgesehen davon, dass dies ohnehin Verfahrensvoraussetzung ist, ist es immer besser, vorher einen gescheiten Dialog mit dem Kunden hinzubekommen. Denn wenn das gut läuft, muss es erst gar nicht zum Verbraucherschlichtungsverfahren kommen.“

Wie läuft das Verfahren ab?

Das ist abhängig von der jeweiligen Verfahrensordnung der Schlichtungsstelle, die darüber auf ihrer Webseite informieren muss. In der Regel handelt es sich um ein schriftliches Verfahren. Dadurch können Streitigkeiten häufig schneller und kostengünstiger beigelegt werden als vor Gericht. Ein Rechtsanwalt muss nicht eingeschaltet werden.

Am Ende steht ein Schlichtungsvorschlag, dem immer eine objektive rechtliche Analyse vorausgegangen ist. „Es gibt auch Fälle, wo noch keine Rechtsprechung existiert oder wo sie unklar ist, da es gegenläufige Urteile der Amtsgerichte gibt. Darauf müssen die Parteien ebenfalls aufmerksam gemacht werden, damit der Schlichtungsvorschlag nachvollziehbar wird. Aber auch, damit die Parteien ermessen können, dass ein Gericht anders entscheiden könnte“, klärt Braun auf.

Ist das Ergebnis des Verfahrens für die Teilnehmer bindend?

Den Teilnehmern steht es frei, das Schlichtungsergebnis anzunehmen oder auch nicht. Der Rechtsweg steht beiden Parteien in jedem Stadium des Verfahrens offen. Das heißt, sie können Klage bei Gericht einreichen.

Rechtlich bindend wird das Schlichtungsergebnis erst, wenn beide Seiten es freiwillig annehmen.

Mit der gegenseitigen Annahme schließen die Parteien einen Vergleichsvertrag, der  auch eingeklagt werden kann, falls sie sich anschließend nicht daran halten.

Wie lange dauert das Verfahren?

Spätestens 90 Tage nach Eingang der vollständigen Beschwerdeakten sollte das Schlichtungsverfahren abgeschlossen sein. Nach bisherigen Erfahrungen dauert es meist nicht so lange. Die Allgemeine Verbraucherschlichtungsstelle, die auch für Handwerker zuständig ist, strebt eine Verfahrensdauer von acht Wochen an.

Wirkt sich das neue Schlichtungsverfahren auf Verjährungsfristen von Vertragsansprüchen aus?

Unternehmen sollten unbedingt beachten, dass es hier eine Neureglung zur Fristenhemmung gibt. Bislang war die Verjährungsfrist von vertraglichen Ansprüchen erst dann gehemmt, wenn wirklich ein Dialog über das Problem zustande kam. Jetzt gilt das, sobald der Antrag bei der Verbraucherschlichtungsstelle eingegangen ist und der Unternehmer darüber informiert wurde. „Selbst wenn er beim Schlichtungsverfahren nicht mitmacht, ist die Frist dennoch gehemmt“, informiert Braun. Allerdings greift die sechsmonatige Hemmung eben nur, wenn der Antrag bei einer staatlichen oder staatlich anerkannten Schlichtungsstelle eingeht. Bei anderen Schlichtungsstellen greift die Fristenhemmung weiterhin erst, wenn beide Parteien am Verfahren teilnehmen.

Was qualifiziert die Streitmittler für dieses Amt?

Die Streitmittler von Verbraucherschlichtungsstellen machen die Schlichtungsvorschläge. Sie haben eine Qualifikation zum Richteramt und verfügen über besondere Kenntnisse im Verbraucherrecht sowie Erfahrungen in der Schlichtung. Sie sind bei ihren Schlichtungsvorschlägen an keinerlei Weisung gebunden und der Neutralität besonders verpflichtet. Ab dem 1.September 2017 können auch zertifizierte Mediatoren Streitmittler werden.

Welche allgemeinen Informationspflichten haben Handwerksbetriebe aufgrund des neuen Gesetzes?

Ab 1. Februar 2017 müssen sie wie auch alle anderen Unternehmen ab einer bestimmten Mitarbeiterzahl in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen und auf ihrer Firmenhomepage informieren, ob sie bei dem neuen Schlichtungsverfahren mitmachen oder nicht. Dabei können sie ihre Teilnahme auch einschränken – zum Beispiel nur für bestimmte Arten von Ansprüchen: für eine strittige Zahlungsforderung ja, aber nicht für Gewährleistungsfragen. Oder Teilnahme beispielsweise erst, wenn der Streitwert bei 300 Euro liegt und 5.000 Euro nicht überschreitet. „Einen gewissen Spielraum lässt das Gesetz.“ Darauf weist Jurist Braun hin.

Tipp: Vorab können sich Unternehmer an die Handwerkskammer wenden oder sich von einem Anwalt beraten lassen.

Wer sich generell für die Teilnahme entscheidet, ist dann allerdings auch daran gebunden und kann im Einzelfall keinen Rückzieher machen, sondern muss die Verfahrenskosten tragen. Es sei denn, der Antrag des Verbrauchers ist mutwillig oder offensichtlich ohne Aussicht auf Erfolg. Wer mitmacht, muss außerdem die Kontaktdaten der zuständigen Verbraucherschlichtungsstelle angeben.

Bei Handwerkern ist das derzeit die
Allgemeine Verbraucherschlichtungsstelle des Zentrum für Schlichtung e.V.,
Straßburger Str. 8,
77694 Kehl am Rhein,
Fax: 07851/ 79579 41,
E-Mail: mail@verbraucher-schlichter.de

Die Mitarbeiteranzahl bestimmt die gesetzlichen Informationspflichten?

Teilnahme am Schlichtungsverfahren ja oder nein: Darüber müssen zwingend nur Betriebe informieren, die mehr als zehn Personen beschäftigen. Kleinere Betriebe bis einschließlich zehn Beschäftigten müssen sich hierzu nicht erklären. Maßgebend hierfür ist tatsächliche Zahl der Beschäftigten im Unternehmen am 31. Dezember des vorangegangenen Jahres – unabhängig ob Voll- oder Teilzeitbeschäftigung vorliegt.

Tipp:
Unternehmer sollten das jährlich zum genannten Stichtag überprüfen.

Kleinere Betriebe können folglich von Fall zu Fall flexibel entscheiden, ob sie beim Schlichtungsverfahren mitmachen. Diese Option steht auch den Unternehmen offen, die zuvor ihre Nichtteilnahme erklärt haben.

Welche besonderen Informationspflichten hat der Unternehmer im konkreten Streitfall?

Unabhängig davon, wie sich der Unternehmer im Vorfeld zum Streitschlichtungsverfahren stellt und was er dabei bereits erklärt hat: Sofern er eine Kundenbeschwerde bekommt und selbst keine Abhilfe schafft, muss er immer den Beschwerdeführer schriftlich auf die zuständige Verbraucherschlichtungsstelle hinweisen, mit Anschrift und Website. Außerdem muss er angeben, ob er bereit oder verpflichtet ist, am Schlichtungsverfahren dieser Stelle mitzuwirken. Diese zusätzliche gesetzliche Informationspflicht greift unabhängig von der Mitarbeiterzahl ebenfalls ab 1. Februar 2017.

Welche Informationspflichten gelten für Handwerker, die auf ihrer Website Dienstleistungen und Produkte anbieten und vertreiben?

Unternehmer, die ihr Dienstleistungs- oder Warenangebot auch über das Internet vertreiben, müssen auf ihrer Homepage außerdem auf die Online-Streitbeilegungsplattform der EU hinweisen oder verlinken (https://webgate.ec.europa.eu/odr/). Hinweis und Link müssen zudem leicht auffindbar sein, typischerweise im Impressum.

Ein Bäcker zum Beispiel, der über seine Website Online-Bestellung von Brot und Brötchen ermöglicht, ist hier in der Pflicht. Anders, wenn seine Homepage einzig Werbezwecken dient und er seine Produkte und Dienstleistungen dort lediglich präsentiert, jedoch  nur direkt im Geschäft verkauft und nicht online.

Warum sollten Handwerker, die eine Website kommerziell betreiben, hier schnellstens handeln?

„Wer bis jetzt noch nichts getan hat, ist im Prinzip abmahngefährdet“, sagt Jurist Felix Braun. „Es gibt bereits erste Abmahnungen und sogar schon ein erstes Urteil.“ Der Unternehmer hatte nicht auf die Plattform hingewiesen und wurde abgemahnt – zu Recht, wie das LG Bochum entschied.

Die Pflicht zu Hinweis und Verlinkung auf die EU-Plattform gilt schon seit Anfang 2016 und unabhängig davon, wie viele Mitarbeiter der Betrieb hat und ob er am Verbraucherschlichtungsverfahren teilnehmen möchte. Sie geht auf eine neue EU-Verordnung zurück (ODR-Verordnung= Online Dispute Resolution Plattform). Ihre Wirkung entfaltet die Plattform vor allem bei grenzüberschreitenden Streitigkeiten.

Insbesondere sorgt sie dafür, dass Verbraucher automatisch zur richtigen Streitschlichtungsstelle finden und räumt zumindest teilweise das Sprachhindernis aus. „Ein spanischer Verbraucher zum Beispiel gibt dort seine Beschwerde ein, die mit einem Klick dann auch beim deutschen Handwerker ankommt – und bereits zumindest in wesentlichen Teilen übersetzt ist. Diese Idee liegt der Plattform zugrunde“, so Braun.