Urteil schafft Klarheit

Gewährleistung | Was ist mit den Kosten einer Reklamation, falls die Überprüfung zeigt: Ein Mangel liegt nicht vor? Der Bundesgerichtshof hat jetzt entschieden, wann Verkäufer und Käufer in der Pflicht sind.

Urteil schafft Klarheit

Prompte Reaktion: Als ein Altenheim beim Elektroinstallationsunternehmen Petzold GmbH (Name geändert), Region Peine in Niedersachsen, die Funktion der Lichtrufanlage bemängelte, die Petzold dort eingebaut hatte, schickte der Chef einen Mitarbeiter hin. Weil der keinen Montagefehler finden konnte, stand für Petzold fest, das Problem musste in der Anlage stecken. Er reklamierte beim Hersteller. Also schickte der einen Servicetechniker, der auch den Fehler fand. Unklar war, ob der Grund für das Problem war, dass die Petzold-Mannschaft bei der Montage eine Kabelverbindung nicht korrekt hergestellt oder dass das Heimpersonal an der Einstellung der Anlage herumgebastelt hatte. Fest stand aber, die Anlage war mangelfrei.

Natürlich wollte der Hersteller nicht auf den Kosten sitzen bleiben, es ging immerhin um 773,95 Euro für 424 Kilometer Anfahrt plus vier Stunden Fahr- und zwei Stunden Arbeitszeit für die Überprüfung der Anlage. Zwei Jahre und drei Instanzen stritten beide Unternehmen, bis feststand: Petzold muss zahlen. Das Unternehmen hätte die tatsächliche Ursache des Defekts erkennen müssen und nicht reklamieren dürfen, entschied der Bundesgerichtshof (siehe Leitsatz).

Handwerker oft betroffen

Das Urteil rückt die Dinge ins Lot und sorgt für eine bessere Balance zwischen den Rechten von Verkäufer und Käufer. Das Handwerk betrifft es auf beiden Seiten, als Anbieter und auch als Kunde. „Bis zu diesem Urteil haben Gerichte unterschiedlich entschieden“, sagt Petzold-Anwalt Rainer Schröder, Kanzlei Piesker und Schröder in Hannover. „Manche gaben dem Verkäufer Ersatzansprüche nur, wenn der Kunde böswillig oder willkürlich Mängel behauptet hatte.“ Der BGH hat Klarheit geschaffen und gleichzeitig auch die Latte für Verkäuferrechte deutlich niedriger gelegt. Das dürfte mit der verbreiteten Unsitte Schluss machen, es erst mal mit Reklamation zu versuchen, wenn irgendetwas nicht funktioniert.
Dieser Dreh kann jetzt teuer werden. Er ist für den Verkäufer besonders ärgerlich, da seine Pflicht bei Mängeln seit der Gesetzesänderung von 2002 sehr weit geht. Er muss sämtliche Kosten tragen, die mit der Nacherfüllung, also der Mängelbeseitigung zusammenhängen.

Nicht immer Schadensersatz

Umso wichtiger ist es zu wissen, wo die Grenzen für die Kundenrechte liegen und wann die Schadensersatzpflicht beginnt. Der BGH hat nämlich keineswegs gesagt, dass der Kunde immer zahlen muss, wenn sich herausstellt, dass eine Reklamation unberechtigt war, weil in Wahrheit gar kein Mangel vorlag. Er muss nur zahlen, wenn ihn ein Verschulden trifft, wenn er also mindestens fahrlässig nicht erkannt hat, dass von einem Mangel keine Rede sein kann, weil er selbst für die Ursache des Problems verantwortlich ist. Der BGH will nicht, dass übermäßig scharfe Anforderungen zu einer Entwertung des Rechtes auf Mangelbeseitigung führen. Deshalb sagt das Gericht, dass der Kunde nur „im Rahmen seiner Möglichkeiten“ prüfen muss, ob wirklich ein Mangel vorliegt. Kann er das nicht klären, bleibt also eine Unsicherheit, darf er laut BGH reklamieren. Er braucht dann keine Schadensersatzforderungen zu fürchten, falls doch kein Mangel zu finden ist. Das Gericht betont, auf besondere Fachkenntnisse, wie sie unter Umständen der Verkäufer habe, komme es nicht an, denn die Prüfung durch den Käufer solle nur ausschließen, dass dieser selbst für den Fehler verantwortlich sei. Diese Regeln gelten für alle Käufer, für Verbraucher ebenso wie für Unternehmer.

Detaillierte Mängelprüfung

Die Frage ist wie bei allen juristischen Formeln nur: Was heißt das in der Praxis? Anwalt Schröder: „Welche Qualität die Prüfung haben muss, hängt sicher von den Kenntnissen des Käufers ab, von Verbrauchern wird wohl weniger erwartet als von einem Handwerksunternehmen in seinem Fachgebiet.“ Klar war für den BGH immerhin: Die Petzold GmbH hätte als Elektroinstallationsunternehmen erkennen können und müssen, dass für den Ausfall der Anlage ein eigener Fehler oder ein Eingriff durch den Kunden verantwortlich war.
Von einem Laien wird weniger erwartet. Ein Verbraucher könnte sich schadensersatzpflichtig machen, wenn er ein Fernsehgerät als mangelhaft reklamiert, das den Geist aufgegeben hat, nachdem es ihm heruntergefallen ist, nennt Anwalt Peter Vocke, Kanzlei Hölters & Elsing in Düsseldorf, ein Beispiel. Sein Münchner Kollege Marc Laukemann von Schaal & Partner hatte kürzlich privat mit dem Problem zu tun: Nach dem Einbau einer neuen Küche funktionierte der Herd nicht, der Anwalt ließ den Küchendienst kommen und der fand heraus: kein Mangel. Eine Sicherung war he-rausgesprungen. Laukemann: „Natürlich muss ich das zahlen.“ Solche einfachen Sachen könne und müsse auch ein Laie überprüfen, bevor er den Verkäufer mit einer Mängelanzeige behellige. „Das sagt einem schon der gesunde Menschenverstand.“

Aufforderung ist kein Auftrag

Es ist wichtig, das Urteil des BGH genau anzusehen. Da geht es um die Aufwendungen für die Überprüfung der Reklamation. „Der Verkäufer der Lichtrufanlage verlangte auch Bezahlung der Reparatur und behauptete, er hätte dafür einen Auftrag von meinem Mandanten bekommen“, berichtet Anwalt Rainer Schröder, „doch das konnte er nicht nachweisen.“ Das Problem: „Die Aufforderung, einen angeblichen Mangel zu beseitigen, ist nicht automatisch gleichzeitig der Auftrag für eine kostenpflichtige Reparatur, falls kein Mangel vorliegt“, erklärt Marc Laukemann. Peter Vocke: „Es gibt zwar juristische Konstrukte wie ungerechtfertigte Bereicherung oder Geschäftsführung ohne Auftrag, mit denen sich unter Umständen ein Anspruch auf Bezahlung der Reparatur auch ohne Auftrag rechtfertigen lässt, doch darauf ist nicht immer Verlass.“

Große Sorgfältigkeit wichtig

Für die Handwerksunternehmen bedeutet das BGH-Urteil, dass sie bei Reklamationen gegenüber ihren Lieferanten und Auftragnehmern noch sorgfältiger sein müssen. Dabei liegt es immer im Interesse beider Seiten, Klarheit zu schaffen. Das gilt auch für die Frage, ob in jedem Fall repariert werden soll, bei Mangelfreiheit eben gegen Bezahlung. Denn das hätte im Fall der Lichtrufanlage auch im Interesse der Petzold GmbH gelegen. Ohne klaren Auftrag bestand die Gefahr, dass der Servicemitarbeiter des Verkäufers nach der Diagnose „mangelfrei“ wieder weggefahren wäre, ohne zu reparieren. Petzold hätte nochmalseinen Monteur schicken müssen, was erheblich teurer gekommen wäre. Die Rechtsexperten empfehlen einhellig, vorher für Klarheit zu sorgen, gleich bei Annahme der Reklamation oder später durch Rückfrage beim Kunden.

Kunde muss Prüfung zahlen

Gegenüber den Forderungen der eigenen Kunden gibt das BGH-Urteil ein gutes Gefühl: Allzu dreisten Forderungen kann besser entgegengetreten werden. Typisch dürfte es sein, wie es bei Hans Medele, Obermeister der Kfz-Innung München und Oberbayern sowie Chef des Autohauses Medele & Geyer in Weilheim, läuft: „Bei den meisten Reklamationen macht die Prüfung keinen großen Aufwand. Den berechnen wir den Kunden schon aus Kulanz natürlich auch dann nicht, wenn kein Mangel vorlag.“ Ist jedoch absehbar, dass die Überprüfung wie bei einem angeblichen Getriebemangel eine größere Sache wird, „dann lassen wir uns unterschreiben, dass der Kunde das bezahlt, falls kein Mangel zu finden ist“. Ohne Unterschrift geht bei solchen Aufträgen gar nichts.

Thomas Münster

harald.klein@handwerk-magazin.de