Teures Qualitätssiegel

Vergaberecht | Während sich Betriebe vor der Vergabe öffentlicher Aufträge für 500 Euro penibel prüfen lassen müssen, bezahlen Bund, Länder und Kommunen Rechnungen immer schleppender.

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    © Martin Jehnichen
    Verzichtet wegen der hohen Gebühren auf öffentliche Aufträge: Ina Liebold, Metallbauunternehmerin in Hohenleuben.
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    © Felix Pakleppa
    Lobt die Zertifizierung: Felix Pakleppa vom Zentralverband des Deutschen Baugewerbes in Berlin.

Teures Qualitätssiegel

Viele Jahre lang stand die Firma Liebold Metallbau in Hohenleuben bei Gera auf der Liste öffentlicher Auftragnehmer. „Vor allem vom Staatsbauamt Thüringen kamen regelmäßig Aufträge“, blickt Ina Liebold zurück, die den Betrieb von ihrem Mann übernommen hat. Ein Fünftel des Jahresumsatzes von 100000 Euro brachte das dem kleinen Handwerksunternehmen mit drei Beschäftigten ein.

Doch vor gut zwei Jahren versiegte diese Auftragsquelle, ohne dass Liebold Metallbau über den Grund informiert wurde. Bis die Chefin nachhakte und mitgeteilt bekam, dass ihre Firma nicht auf der Liste der präqualifizierten stehe und deshalb nicht mehr berücksichtigt werde.

Bereits seit 2008 läuft bei den Vergaben des Bundes und zunehmend auch der Länder ohne eine detaillierte Qualitätsprüfung der Betriebe nichts mehr. „Präqualifizierung“ ist der etwas sperrige Begriff für den Check wichtiger Merkmale eines Unternehmens, das sich um öffentliche Aufträge bewerben will (siehe Kasten unten). Nur die Städte und Gemeinden sind noch etwas zögerlich. Zehn Prozent der 20000 Kommunen in Deutschland vergeben zurzeit Aufträge ausschließlich an zertifizierte Unternehmen.

Um auf der Liste präqualifizierter Unternehmen eingetragen zu werden, hätte Ina Liebold 28 Seiten ausfüllen und die bisher schon vorgelegten Nachweise beibringen sollen. „Am meisten aber ärgere ich mich noch immer über die Kosten von jährlich 500 Euro für große Unternehmen ist das in Ordnung, für uns aber unmöglich“, schimpft sie. Der Betrieb verzichtet jetzt auf diese Aufträge, aus Prinzip sozusagen.

Der Zentralverband des Deutschen Baugewerbes (ZDB) in Berlin dagegen sieht vor allem die Vorteile für die Betriebe. „Wir sind sehr zufrieden“, sagt Felix Pakleppa, Leiter der Rechtsabteilung. „Das Verfahren entlastet die Betriebe, weil sie nicht jedem Gebot alle Unterlagen für ihre Zuverlässigkeit beilegen müssen“, erklärt er. Dass dieses mit 500 Euro jährlich viel Geld kostet, räumt Pakleppa ein. Er macht dann aber gleich die Gegenrechnung auf: „Wenn eine Sekretärin für jedes Gebot des Handwerksbetriebes die Unterlagen zusammensuchen, kopieren und verschicken muss, kostet das im Zweifel mehr.“ Zudem bestehe dabei das Risiko, ein Papier zu vergessen und vielleicht nur deshalb einen lukrativen öffentlichen Auftrag nicht zu bekommen. Der Experte räumt allerdings ein: „Betriebe, die keine öffentlichen Auftraggeber haben, können auf die Präqualifikation verzichten.“ Zumindest so lange, bis mehr Kommunen auf das Gütesiegel Wert legen und auch gewerbliche sowie private Auftraggeber im Internet (siehe Seite 36) nachschauen, ob ihr potenzieller Auftragnehmer registriert ist.

Was nicht zu den Qualitätsanforderungen der öffentlichen Auftraggeber passt, ist ihre derzeitige Zahlungsmoral, wie der Zentralverband des Deutschen Baugewerbes festgestellt hat: Nur 34 Prozent der Handwerksbetriebe bezeichnen den Zahlungseingang von Bund, Ländern und Kommunen als „gut“ oder „sehr gut“. Bei über der Hälfte der öffentlichen Aufträge verstreichen mehr als die zulässigen zwei Monate ab Eingang der Schlussrechnung, bis das Geld überwiesen wird. „Wir fordern die öffentliche Hand auf, die Zahlungsziele der VOB endlich einzuhalten“, wettert ZDB-Präsident Hans-Hartwig Loewenstein.

Immerhin haben die Betriebe bei öffentlichen Auftraggebern die Gewissheit, dass sie ihr Geld bekommen. Da lohnt sich auch der Aufwand für die Präqualifikation, um Aufträge zu bekommen.

harald.klein@handwerk-magazin.de