Studie: Von den besten Betrieben lernen

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Manufactum-Studie

Mehr als 700 Unternehmen beantworteten für die Reinhold-Würth-Handwerks-Studie „Manufactum“ Fragen aus allen Betriebsbereichen. Die Analyse zeigt, was moderne Handwerker erfolgreich macht.

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    Rainer Fritz und Hansjörg Ludwig (r.), Geschäftsführer der Gebäudetechnik Hermann GmbH, Plüderhausen. „Je mehr Projekte wir realisiert haben und je mehr Know-how im Unternehmen ist, desto mehr können wir unserem nächsten Kunden anbieten.“ Hansjörg Ludwig, ­Geschäftsführer ­Herrmann GmbH, ­Plüderhausen.
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    Kontaktpunkte des Unternehmens im Blick: Robert Mayer und Roland Okken (r.), Gerüstbau Ro2, Berlin. „Wir tragen keine Turnschuhe und Jogginghosen.“ Robert Meyer, ­Geschäftsführer ­Gerüstbau Ro2 GmbH
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    Setzt auf fachkundige Beratung vor Ort: Thomas Ihle, Dachdeckermeister, Dachkonzept-Ihle, Berlin. „Wir stehen für kompetente Mitarbeiter.“ Thomas Ihle, ­Dachdeckermeister, Dachkonzept-Ihle, Berlin
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    Der Kunde steht im Zentrum: Felix und René Möller (r.), Geschäftsführer bei Metallbau Möller GmbH, Erfurt. „Wir nutzen die Bedürfnisse der Kunden zum Cross-­Selling und ­generieren so unser Wachstum.“ Felix Möller (l.), ­Geschäftsführer, ­Metallbau Möller GmbH, Erfurt.

Volker Geyer gibt sich nicht mit weißen Wänden ab. Wenn er mit seiner Firma „Aperto – Handwerk & Wohnen“ in Wiesbaden einen Auftrag übernimmt, wird es edel: Der Malermeister trägt Bronzefarben auf Böden auf oder spachtelt mediterranen Zierputz an Küchenwände. Wenn ein Kunde auf seiner stuckverzierten Altbau-Decke einen Himmel sehen und beim Einschlafen auf eine sattgoldene Wand mit metallischen Spezialeffekten blicken möchte, dann ist er bei Geyer an der richtigen Adresse. „Ich bin in der glücklichen Lage, mir meine Kunden mittlerweile selbst aussuchen zu können“, sagt der Malermeister. „Wenn ich mit jemandem nicht auf einer Wellenlänge bin, dann lehne ich den Auftrag ab.“

Geyer ist teurer als viele seiner Konkurrenten. Seine Kunden können sich das aber leisten: Sie besitzen Lofts oder Villen, die sie nach den Feng-Shui-Grundsätzen gestalten wollen; sie können sich den Luxus erlauben, über die optimale Gestaltung einer Kaminwand nachzudenken. Der unternehmerische Erfolg der Firma hat messbare Gründe: Geyer hat nach der Insolvenz seines ehemaligen Familienbetriebes mit 100 Mitarbeitern noch einmal von vorne angefangen, mit der Absicht, alles neu und anders zu machen. Früher war er Chef eines klassischen Maler- und Trockenbauunternehmens, das Aufträge vor allem über öffentliche Ausschreibungen gewonnen hat. Heute konzentriert sich Volker Geyer zusammen mit 28 Mitarbeitern auf Premium-Dienstleistungen und auf die passende Vermarktung. Er informiert auf seinem Blog, seiner Website und sozialen Medien über seine Arbeit: berichtet von neuen Projekten, zeigt die Goldwände in Marmoroptik. Er präsentiert aber auch kleine Fehler, die ihm unterlaufen sind. Das bringt nicht nur Sympathien ein, sondern vor allem neue Kunden.

Volker Geyers „Aperto“ ist einer der Erfolgsbetriebe, die in der jetzt erschienenen Handwerks-Studie „Manufactum“ vorgestellt werden. Denn die Firma zeigt, welches Potenzial im intelligenten Einsatz von Social - Media steckt. Und dass die Vermarktung per Internet Handwerkern hilft, ist ein zentrales Ergebnis der
Studie, die zum vierten Mal von der Würth-Unternehmensgruppe in Kooperation mit dem Münchner Marktforschungsunternehmen Servicebarometer erstellt wurde. 718 Betriebe
haben dafür Anfang des Jahres online einen umfangreichen Fragebogen beantwortet. „Manufactum“ verfolgt als einzige Studie den Anspruch, das deutsche Handwerk umfassend abzubilden, seine Stärken und Schwächen auszuloten und deutlich zu machen, wo die Betriebe noch besser werden können. Andere Analysen stellen dagegen eher konjunkturelle Fragen ins Zentrum. Eine besondere Stärke von „Manufactum“ liegt in ihrer Kontinuität. „Wir haben vor allem Unternehmen ausgewählt, die schon in früheren Umfragen mitgemacht haben“, erklärt Simone Wydra von Servicebarometer. Weil es bereits die vierte Auflage von Manufactum ist, können die Forscher Zeitreihen erstellen und untersuchen, wie sich das Handwerk über die Jahre hinweg verändert hat. Um zu zeigen, welche Faktoren einen Betrieb besonders erfolgreich machen, haben die Forscher die Antworten der 74 erfolgreichsten Handwerksbetriebe eigens ausgewertet. Diese rund zehn Prozent der Teilnehmer sind die „Top 10“, und sie liefern konkrete Anhaltspunkte, was andere Betriebe noch besser machen können. Insgesamt haben die Forscher vier große Bereiche genauer beleuchtet und darin die künftigen Erfolgsfaktoren definiert: Management, Handwerksleistung, Mitarbeiter und Kunden.

Management

Eine klare Innovationsstrategie, unmissverständ­liche Botschaften an die Belegschaft, Kooperationen mit anderen Betrieben. Erfolgreiche Handwerker sind vor allem gute Unternehmer.

Nur wenn die Geschäftsführung klare Signale an ihre Belegschaft sendet und deutlich kommuniziert, worauf es in ihrem Unternehmen ankommt, kann ein Betrieb langfristig erfolgreich sein und wachsen. Die absolute Grundvoraussetzung: Die geleistete Arbeit muss in hervorragender Qualität ausgeführt werden – und das sollte auch eines der wichtigsten Betriebsziele sein. Besonders erfolgreiche Unternehmen haben diese Einstellung stärker verinnerlicht als der Durchschnitt, zeigt die Studie. Außerdem auffällig: Die Gruppe der Top-10-Betriebe fördert die Entwicklung innovativer Produkte und Dienstleistungen deutlich stärker als andere. Hier achten Chefs darauf, dass ihre Mitarbeiter genug Zeit bekommen, Neues zu entwickeln und weiterzudenken.

Für Handwerksbetriebe werden auch Kooperationen mit anderen Branchen und Gewerken immer wichtiger. „Das ist eine der größten Herausforderungen, mit denen die Betriebe derzeit konfrontiert werden“, sagt Frank Dornach von Servicebarometer, unter dessen Leitung die Studie erstellt wurde. „Diese Erkenntnis zieht sich durch alle Bereiche, die wir untersucht haben. Wenn ein Kunde sein Bad neu machen lässt, möchte er nicht mit fünf verschiedenen Betrieben zusammenarbeiten.“ Ein Grund: Je mehr Betriebe beteiligt sind, desto schwieriger werden die Absprachen untereinander. „Die Kunden wollen einfach nicht mehr Fliesenleger, Elektriker und Sanitärfachleute beschäftigen und die Arbeiten dann koordinieren müssen“, sagt Dornach. Gerade für kleinere Betriebe sei das ein Problem. Sie könnten auf solche Kundenwünsche kaum eingehen, weil ihnen die Ressourcen dafür fehlten. Wer aber mit anderen Betrieben zusammenarbeitet – am besten branchenübergreifend – kommt seinen Kunden entgegen und kann so ein größeres Leistungsspektrum anbieten.

Erfolgreiche Chefs beobachten auch Wettbewerber, analysieren den Markt und setzen sich anschließend von der Konkurrenz ab. Die Befragung zeigt, dass die besonders erfolgreichen Betriebe deutlich besser informiert sind, wenn es um Stärken und Schwächen ihrer Konkurrenz geht. „Wer weiß, wo er steht, kann sein Preisniveau richtig verorten, weiß genau, mit welchen Leistungen er sich von den Konkurrenten unterscheidet, und kann sich entsprechend vermarkten“, erklärt der Forscher.

Die auf Gebäudetechnik spezialisierte Hermann GmbH mit Sitz im baden-württembergischen Plüderhausen vereint gleich mehrere dieser Erfolgsfaktoren. Der Betrieb rüstet Gebäude mit der nötigen Technik aus, um Klimaanlagen, Heizungen, Licht und Belüftung zentral zu steuern. Das Leistungsangebot ist groß, das Unternehmen arbeitet mit vielen verschiedenen Technik-Anbietern zusammen. Grundsätzlich bietet das Unternehmen Standardlösungen an. Sobald ein Kunde einen Sonderwunsch hat, sorgen die Chefs aber dafür, dass der auch ermöglicht wird. Denn der Betrieb nutzt eine Software, die lernfähig ist. „Je mehr Projekte wir realisiert haben, und je mehr Know-how im Unternehmen ist, desto mehr können wir unserem nächsten Kunden anbieten“, erklärt Geschäftsführer Hansjörg Ludwig. Konkret heißt das: Jeder Sonderwunsch erweitert das Leistungsangebot des Betriebs – und gehört künftig zu den Standardlösungen. Das Konzept funktioniert: Inzwischen kommen neue Kunden zum Großteil über Empfehlungen.

Handwerksleistung

Eine realistische Kalkulation, sorgfältig gestaltete Angebote, umfassender Service. Ein erfolgreicher Handwerker sollte sich nicht unter Wert verkaufen, muss aber auch das Beste geben.

Viele Handwerker kennen das: Ein Interessent fragt, was ein neues Dach, eine massive Eingangstür oder ein Anbau kosten würde. Der Betrieb kalkuliert: Materialkosten, Arbeitsstunden, der allgemeine Aufwand, eventuelle zusätzliche Kosten – und eine kleine Marge obendrauf, damit man nicht zu teuer wird. Dann fängt der Kunde an zu feilschen. Und die Marge schwindet. Erfolgreiche Betriebe machen es anders. Sie orientieren sich nicht nur an den marktüblichen Preisen ihrer Wettbewerber, sondern stärker an der Rendite, die sie haben wollen. Wer die höheren Preise durchsetzen möchte, muss dann aber auch mehr Sorgfalt in die Angebote stecken. Die Top-10-Gruppe achtet auf verständliche Angebote, die etwa mit Bildern und Skizzen versehen sind. „Um höhere Preise durchzusetzen, muss bereits im Angebot der Mehrwert für den Kunden klar herausgearbeitet werden“, betonen die Forscher. Dazu gehört eine genau aufgelistete Dokumentation der Leistungen und eine ausführliche Präsentation der Angebote – und im besten Fall ein Rundum-sorglos-Paket, das dann auch seinen Preis haben darf.

Ein Unternehmen, das genau darauf Wert legt, ist die Ro² GmbH aus Berlin. Für den Gerüstbauer ist nicht nur hervorragende Arbeit selbstverständlich: Kunden sollen sich bei Ro² auch um so wenig wie möglich kümmern müssen. Sie sollen ganz genau wissen, welche Leistungen sie erwarten können und mit welchen Kosten sie rechnen müssen. Der Betrieb übernimmt die Abstimmung mit Behörden und anderen Baudienstleistern und listet die Kosten dafür in seinen Angeboten genau auf.

Das Konzept ist eigentlich eher aus der Not geboren: Als Roland Okken und Robert Meyer das Unternehmen vor knapp 15 Jahren gründeten, waren die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen eine Herausforderung. Die Konjunktur lief schlecht, es gab nur wenige Aufträge. Das junge Unternehmen musste also seine eigene Nische finden. Okken und Meyer setzten auf Komplett-Angebote und Extra-Services – und um diesen hohen Anspruch zu unterstreichen, achten sie akribisch darauf, wie sie und ihre 35  Mitarbeiter auftreten. Es geht um eine professionelle Außendarstellung in allen Kontaktpunkten des Unternehmens. Die Firmenfarben Orange und Blau finden sich nicht nur auf der einheitlichen Arbeitskleidung wieder, sondern auch auf Geschäftspapier, Visitenkarten, Flyern und Fahrzeugen. „Unsere Leute da draußen sind unsere Visitenkarte“, sagt Robert Meyer. „Wir sehen aus wie Bauhandwerker, wir tragen keine Turnschuhe und Jogginghose, wie das zum Teil bei anderen Gerüstbauern immer noch üblich ist. Das hebt uns von der Masse ab.“

Mitarbeiter

Regelmäßiges Feedback, Teamgeist, permanente Fortbildungen. Kompetente und zufriedene Mitarbeiter sind das wichtigste Kapital eines erfolgreichen Handwerksbetriebes.

Ohne motivierte, gute Mitarbeiter kann kein Betrieb langfristig erfolgreich sein. Sie repräsentieren die Firma, kommunizieren mit Kunden, und sie sind es, die letztlich einen großen Teil der Arbeit abliefern. Umso wichtiger ist es, dass Mitarbeiter sich mit ihrem Arbeitgeber eng verbunden fühlen. Das ist bei Personal von Zeitarbeitsfirmen automatisch weniger gegeben als bei Festangestellten. Wer langfristig erfolgreich sein möchte, beauftragt möglichst keine Leiharbeiter. Die Umfrageergebnisse beweisen auch, welche Bedeutung weiche Faktoren für den Unternehmenserfolg haben: In besonders erfolgreichen Betrieben gibt es demnach ein größeres Zusammengehörigkeitsgefühl. Mitarbeiter sind stolz auf ihren Job und setzen sich überdurchschnittlich für den Unternehmenserfolg ein. Damit sie sich stark mit ihrem Arbeitgeber identifizieren können, sollten sie regelmäßig Lob erhalten, empfehlen die Forscher. Immerhin: Die überwiegende Mehrheit aller befragten Betriebe achtet auf die Mitarbeiterzufriedenheit. Die Top-10-Gruppe setzt zudem häufiger auf Geld- und Sachprämien sowie Lohn- und Gehaltserhöhungen. Auch das stärkt die Identifikation mit dem Betrieb und motiviert Mitarbeiter. Wie wichtig gute, motivierte Angestellte sind, hat auch der Zimmerer- und Dachdeckermeister Thomas Ihle erkannt. Der Chef von 15 Mitarbeitern leitet die Firma Dachkonzepte-Ihle im Süden Berlins. Das Unternehmen baut massive, hochwertige Holzhäuser, futuristisch anmutende Konstruktionen aus Holz für öffentliche und private Auftraggeber, luxuriöse Terrassen mit Süd-West-Ausrichtung und ganze Villen im Berliner Nobelviertel Lichtenrade. „Wir stehen für kompetente Mitarbeiter“, weiß Ihle. „Gerade für die Privatkunden, die wir bedienen, ist es wichtig, auch mit den Handwerkern vor Ort über den Bauablauf sprechen zu können“, sagt der Dachdeckermeister. Die Wintermonate, in denen naturgemäß weniger gearbeitet werden kann, nutzt Ihle also, um seine Mitarbeiter weiterzubilden. Er ist sicher: Es ist eine lohnende Investition.

Kunden

Gute Erreichbarkeit, ein professioneller Umgang mit Beschwerden, volle Konzentration auf die
Bedürfnisse des Auftraggebers. Wer Kundenzufriedenheit ernst nimmt, wird belohnt.

Der Umgang mit Kunden ist essenziell für jeden Betrieb. Nur ein zufriedener Kunde wird eine Firma noch einmal beauftragen oder weiterempfehlen. Dazu gehört auch, Beschwerden schnell zu beantworten, selbst wenn der Auftrag schon längst erledigt ist. Wer langfristig erfolgreich sein will, sollte bei der Kundenkommunikation Standards setzen, empfehlen die Forscher. Die Top-10-Gruppe bemüht sich deutlich stärker um Stammkunden als andere. Sie nimmt das Thema Kundenzufriedenheit ernster als der Durchschnitt. Beschwerden von Kunden werden dort besonders schnell bearbeitet und gelöst. Top-10-Chefs sorgen etwa dafür, dass keine E-Mails liegen bleiben. Um Kunden zufriedenzustellen, lassen sich einige Betriebe noch mehr einfallen. Wie etwa das Unternehmen Metallbau Möller mit Sitz in Erfurt. Der Betrieb hat sich auf Bauprojekte spezialisiert, in denen hauptsächlich Metall zum Einsatz kommt. In der Branche, in der das Unternehmen tätig ist, toben immer wieder heftige Preiskämpfe. Doch René Möller, einer von zwei Geschäftsführern des Unternehmens, behauptet sich gut am Markt. Möller realisiert bundesweit große Aufträge, wie etwa beim Erfurter Hauptbahnhof oder einem Teil des neuen Berliner Bürokomplexes im „Humboldthafen Eins“, eine hochmoderne quaderförmige Immobilie mit großflächiger Verglasung. Nicht nur öffentliche Auftraggeber gehören zum Kundenstamm, sondern auch viele gewerbliche Kunden.

Erfolgsgeheimnis ist eine Strategie, die Experten Cross-Selling nennen: Möller denkt von den Bedürfnissen seiner Kunden her. Weil seine Auftraggeber oft Filialisten sind, hält er genau nach, ob einer seiner Stammkunden irgendwo in Deutschland wieder eine neue Niederlassung bauen möchte. Und dann bewirbt er sich ganz gezielt auf solche Projekte, bei denen er den Kunden und die Anforderungen ja bereits kennt. Das hebt Synergien und ist effizient, besonders für den Kunden: Würde der jedes Mal ein anderes Unternehmen beauftragen, würde es deutlich teurer für ihn werden. So sind alle zufrieden.