So finden Sie Ihre Marktnische

Geschäftsideen | Ob Problemlösung, Innovation oder aktueller Trend: Es gibt viele Wege zu dauerhaftem Erfolg. Experten sind sich einig: Für Spezialisten ist immer Platz am Markt.

So finden Sie Ihre Marktnische

Fleiß kommt weiter. Roger Morgenthal sagt das so selbstsicher, denn langsam kann er die Früchte seiner Arbeit ernten. Vor acht Jahren hat er sein Unternehmen MCB Anlagensysteme in Wesel gegründet. Getrieben von der Idee, ein automatisches Rollschott zu bauen. „Alle haben 1999 Sandsäcke geschleppt“, erinnert sich der Maschinenbauschlosser an das damalige Frühjahrshochwasser. „Ich dachte immer, da muss es doch etwas geben, was selbständig aus der Erde fährt und Garagen und Keller vor Wasser schützt.“ Die Lösung war das „Aqua-Rollschott“, das bei schnell auftretenden Überflutungen automatisch Eingänge in kürzester Zeit abdichtet. Für große Einfahrten wie Tiefgaragen bietet Morgenthal das Aqua-Klappschott an.

Seine Hartnäckigkeit wurde schließlich mit Erfolg gekrönt. Mit Hilfe seines ersten Kunden, der Polizeidirektion Grimma, konnte Morgenthal das Aqua-Rollschott schließlich zur Marktreife bringen. Weitere Kunden folgten, wie die deutsche Botschaft in Paris und eine Chemiefabrik in der Schweiz.

Der 32-Jährige ist sich sicher, dass er als Erfinder mit seinem eigenen Produkt im Markt ganz anders auftreten kann. Sein Ziel heißt deshalb Wachstum. „Ich kann mir vorstellen, dass ich in fünf Jahren einen größeren Betrieb führe, unter dessen Dach das Aqua-Rollschott als eigene Unternehmenssparte läuft.“

Bedrohlicher Preisverfall

Sich vom Wettbewerb abzusetzen ist vielfach das oberste Ziel, das Gründer wie Unternehmer gleichermaßen verfolgen. Doch äußere Einflüsse, wie zum Beispiel die Novellierung der Handwerksordnung, können die Wettbewerbssituation in einer Branche innerhalb kürzester Zeit verschärfen. So hat die Abschaffung der Meisterpflicht in den damit zulassungsfreien B1-Branchen zu einem regelrechten Gründungsboom mit bis heute zusätzlichen 110000 Betrieben geführt. Bei den Fliesen-, Platten- und Mosaiklegern hat sich die Anzahl der Betriebe von Ende 2003 bis zum ersten Halbjahr 2007 mit 51043 Betrieben vervierfacht. Ähnlich bei den Gebäudereinigern: Deren Zahl ist von 6874 Ende 2003 auf 25779 im Stand Juni 2007 gestiegen.

„Diese Zahlen können nicht ohne Wirkung auf die Preise und die Wettbewerbsstrukturen bleiben, zumal die Märkte nicht gewachsen sind“, sagt Peter Weiss vom Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) in Berlin. Während die Notgründungen aus der Arbeitslosigkeit aufgrund der Abschaffung der Ich-AG deutlich zurückgegangen seien, halte der Gründungsboom unter den Mittel- und Osteuropäern unvermindert an. Von den insgesamt 18089 Gründungen im ersten Halbjahr 2007 wurden mehr als ein Viertel der Betriebe von Selbständigen aus Ländern wie Polen oder Bulgarien gestartet. Der ZDH vermutet dahinter Scheinselbständige, die meist in Gruppen auf Baustellen arbeiten. So würden sie den Mindestlohn am Bau unterlaufen.

Falscher Zwang zu Innovation

Also nur noch in den richtigen Branchen gründen, doch dann mit einer brillanten Geschäftsidee? Strategieberaterin Kerstin Friedrich aus Dünsen hält die Suche nach der genialen Idee in der heutigen Überflussgesellschaft für reine Zeitverschwendung. „Dieses Denken führt genau zum Gegenteil. Es lähmt, statt zu beflügeln, und es steigert den eigenen Anspruch ins Unermessliche.“ Denn wirklich wichtig ist ihrer Meinung nach die systematische Suche und Analyse unerfüllter Kundenwünsche und -probleme (siehe Kasten Seite 26 oben), die zur Spezialisierung und damit zwangsläufig zum Erfolg führen.

Erfolgreiche Spezialisten

Welche Ursache Erfolg hat, untersuchte bereits in den 70er Jahren der Frankfurter Sozialforscher Wolfgang Mewes. Sein Ergebnis lautete: Spezialisierung. Denn praktisch jeder Konzern, so Mewes, fing irgendwann einmal mit einem einzigen Produkt an: Oetker mit Backpulver, Bosch mit dem Magnetzünder und VW mit dem Käfer. Diese Erfahrung hat auch Oliver Enderlein (siehe Seite 22) gemacht, der eher zufällig als 14-jähriger Schüler den Grundstein für sein Unternehmen legte. Er entwickelte eine Website, mit deren Hilfe sich potenzielle Kunden ihren ganz individuellen Carport zusammenstellen können. Im vergangenen Jahr hat der 23-Jährige im brandenburgischen Herzfelde mit seinen 60 Mitarbeitern bereits sechs Millionen Euro erwirtschaftet.

Wenn die Theorie von Wolfgang Mewes stimmt, könnte Oliver Enderlein in Zukunft eine gigantische Expansion ins Haus stehen. Allerdings erst aus einer Situation der Stärke heraus, nämlich der des Marktführers mit einem Produkt.

Bei seinen Untersuchungen stieß Mewes auch auf unterschiedliche Spezialisierungsprobleme wie Entfremdung vom Ergebnis der Arbeit, Langeweile und Monotonie, auf die schon der englische Wirtschaftswissenschaftler Adam Smith aufmerksam gemacht hatte. Er schaffte es jedoch, dieses Probleme in Chancen umzuwandeln, was heute unter dem Begriff Engpass-Konzentrierte Strategie – kurz EKS – bekannt ist.

Kundenprobleme lösen

Kern der Engpass-Konzentrierten Strategie ist es, den betrieblichen Engpass zu finden, also das Problem, welches das eigene Unternehmen am Wachstum hindert. Der äußere Engpass begrenzt die Entwicklung und den Erfolg der Zielgruppe. Laut Mewes sollten Unternehmer zunächst den Engpass der Zielgruppe ermitteln. Je besser Sie deren Problem lösen, desto besser können sie auch ihre eigenen Probleme beseitigen.

Bevor Firmenchefs jedoch auf die Suche nach der idealen Spezialisierung gehen (Kasten Seite 26), rät EKS-Stratege Wolfgang Mewes zu einer gründlichen Stärken/Schwächen-Analyse.

Unternehmen sollten dazu folgende Fragen beantworten und auch die Sicht der Kunden dazu einholen:

-Was sind unsere ganz besonderen Stärken?

-Was unterscheidet uns vom Wettbewerb?

-Welche Kunden oder Kundengruppe bedienen wir besonders gut?

-Auf welche Kundengruppe können wir uns besonders konzentrieren?

-Mit welchen Kooperationspartnern können wir gemeinsam den Marktbedienen?

-Welche besonderen Erfahrungen/welches Know-how haben unsere Mitarbeiter?

-Welchen Nutzen verkaufen wir mit unserer Leistung beziehungsweise mit unseren Produkten?

-Welchen zwingenden Nutzen können wir unseren Kunden bieten?

Allrounder oder Spezialist?

Wer sich selbst nicht spezialisieren will, kann zumindest dem Wunsch vieler Kunden nach einem Spezialistenvermittler nachkommen, der die Leistung einzelner Branchenprofis koordiniert und organisiert. In dieser Organisationsform sieht zumindest Peter Wippermann vom Trendbüro Hamburg (siehe Kasten Seite 22) mehr Zukunft als in einem klassischen Kleinbetrieb. Allerdings hat sich seiner Meinung nach die Organisationsform „Alles-aus-einer-Hand“ inzwischen dahingehend geändert, dass das Herzstück der Organisationsform heute die Datenbank ist, mit deren Hilfe sich die Leistung vor Ort beim Kunden organisieren lässt.

Einzige Gefahr für Spezialisten ist laut Kerstin Friedrich, dass ihnen der technische Fortschritt oder Modetrends gefährlich werden. „Das passiert allerdings nur, wenn sie betriebsblind werden und einfach nur noch vor sich hinwerkeln.“ Trendexperte Christian Hehenberger ist daher sicher, dass sich Unternehmen neue Umsatz- und Gewinnchancen eröffnen, wenn sie auf die Trends Energiekosten sparen, die Gesellschaft der 100-Jährigen und Full-Service setzen (Kasten Seite 24).

Wer heute noch als Allrounder gut existieren kann, gilt sowohl bei Trendexperten als auch bei Strategieprofis fast schon als Exot oder wird hinter vorgehaltener Hand zum Auslaufmodell abgestempelt. „Spezialisierung ist der einfachste und sicherste Weg, um sich abzuheben und dem Preisdruck zu entgehen“, ist Kerstin Friedrich überzeugt. Zudem wüssten die Kunden heute genau, dass sie vom Spezialisten immer eine bessere Leistung erwarten können als vom Allrounder. „Wer eine Herzoperation braucht, geht selbstverständlich zu einem Spezialisten“, argumentiert sie. Diese Erkenntnis mache sich auch im Wirtschaftsleben breit.

Verzicht für mehr Gewinn

Vor allem etablierten Betrieben fällt die Konzentration ihres Leistungsumfangs schwer. „Viele können es sich schlicht nicht vorstellen, dass sie auf einem scheinbar kleineren Markt ihren Umsatz und Gewinn um das Mehrfache steigern können“, sagt Kerstin Friedrich. Sie weiß jedoch, dass sich Spezialisierungsängste in zwei Situationen überwinden lassen: bei Gründungen und kurz vor der Insolvenz. Gründer würden aus kleinen Verhältnissen heraus wachsen und hätten daher nicht den Druck eines etablierten Kollegen, der Bankkredite bedienen und Gehälter zahlen muss. Und wem das Wasser sowieso bis zum Hals stünde, der habe den notwendigen Veränderungsdruck zu einem radikalen Strategiewechsel. „Denn diese Unternehmen wissen genau, dass ein Weiter-wie-bisher in den sicheren Untergang führt.“

Ist die Analyse der Stärken und Schwächen abgeschlossen und eine lohnende Marktnische gefunden, die zum Unternehmen passt, bleibt dem Unternehmer nur noch die eigene Energie und die seiner Mitarbeiter einzusetzen, die einen Betrieb für gewöhnlich voranbringt:

1. Der Wille, es besser zu machen als andere, in Verbindung mit Fleiß, Organisationstalent und nach wie vor der Bereitschaft zur Veränderung.

2. Die Fähigkeit, gute Mitarbeiter zu finden und zu halten – ihnen eine sinnvolle Beschäftigung zu bieten und ihre Leistung anzuerkennen.

3. Eine Strategie, die sich konsequent an den Wünschen der Kunden orientiert.

Bei der Gründung ihres Bierlaboratoriums (siehe Seite 24) ließen sich Tobias Weber und Steffen Marx sicher nicht nur von Kundenwünschen, sondern auch schlicht vom Spaß am Bierbrauen leiten. Dennoch haben sie mit ihrer kleinen Brauerei ins Schwarze getroffen. Die Nachfrage war schon nach einem halben Jahr so groß, dass die beiden ihre Produktion verdoppeln mussten.

gudrun.bergdolt@handwerk-magazin.de