Sind Sie ein guter Chef?

Mitarbeiterführung Im Handwerk ist der Inhaber oft gleichzeitig Vorarbeiter, Personaler und oberster Stratege des Betriebes. Wie Chefs sich durchsetzen und ihre Mitarbeiter motivieren.

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    Schreiner Tobias Rehder aus Stuttgart versucht, seine Leute zu Höchstleistungen anzuspornen und als Team zusammenzuschweißen. Mit Sporttagen, einem Mitarbeiterstammtisch und einem offenen Ohr.
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    Motivationsfaktoren bei MitarbeiternFragt man Mitarbeiter nach ihren Wünschen an den Chef, geht es neben Arbeitsplatzsicherheit um das soziale Miteinander im Betrieb. Solche Faktoren sind Mitarbeitern wichtiger als die Höhe des Gehalts.
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    Wenn Handwerker sich selbständig machen, stehen selten unternehmerische Ziele dahinter.

Sind Sie ein guter Chef?

Die Frage, ob er ein guter Chef für seine Leute ist, stellt sich Tobias Rehder „eigentlich jeden Tag“. Der 48-jährige Schreinermeister führt seit 18 Jahren die Türenmann GmbH in Stuttgart, die sich auf den Einbau von Türen und Fenstern, auf Innenausbau und Haus-Reparaturen spezialisiert hat. Rehder hat inzwischen fast 50 Mitarbeiter, und bei denen vergewissert er sich ständig, ob sie mit seiner Führung zufrieden sind.

Dreimal im Jahr veranstaltet der Unternehmer einen Mitarbeitertag, an dem er sich mit allen 20 Monteuren zusammensetzt und fragt, wo sie der Schuh drückt. Zweimal pro Monat lädt er zum Stammtisch ein, bittet um Kritik und Verbesserungsvorschläge. Um seine Leute zu motivieren, geht Rehder selbst mit gutem Beispiel voran: „Wenn auf einer meiner Baustellen Sonntagsarbeit ansteht, bin ich der erste dort. Ich beziehe meine Autorität aus meinen Fähigkeiten und meiner Arbeitsmoral. Die Mitarbeiter merken das.“

„Chef sein“ ist unvermeidlich

Rehder ist ein vorbildlicher Chef, sagt Markus Glasl, Geschäftsführer des Ludwig-Fröhler-Institut (LFI) in München, das sich mit Management-strategien im Handwerk beschäftigt. Und das macht ihn zur Ausnahme: „Viele Handwerker vernachlässigen leider ihre Führungsaufgaben.“ Das Selbstverständnis vieler Chefs gleiche dem aus alter Zeit: Der Inhaber tritt als Patriarch auf, trifft Entscheidungen, ohne die Erfahrungen seiner Mitarbeiter zu nutzen. Anreiz- oder Motivationssysteme? Fehlanzeige. Komunikation und Teilhabe kommen ebenfalls oft zu kurz.

Dabei könnten gerade Handwerker viel bessere Chefs sein. Sie sind dank kleiner Betriebsgrößen nah an ihren Mitarbeitern, könnten also aus ers-ter Hand erfahren, was nötig ist, um das Team zu motivieren. Sie könnten Ihren Leuten helfen, den Job gut zu machen - schließlich arbeiten Chef und Angestellte täglich Hand in Hand. Und sie sollten eigentlich mitbekommen, wenn ihr Geselle gerne einen Meisterkurs absolvieren würde.

LFI-Experte Glasl wundert es nicht, dass viele Chefs all das selten beherzigen: „Handwerker machen sich selbständig, weil sie auf eigenen Füßen stehen und in Ruhe arbeiten wollen.“ Umfragen zeigen: Die wenigsten gründen die Firma aus kaufmännischen Motiven. Wenn die Geschäfte gut gehen, immer neue Mitarbeiter dazu kommen, werden sie aber zum Unternehmer. Und damit zur Führungskraft. Ob sie wollen oder nicht.

„Chef“ lernen dauert Jahre

Wie aber wird man ein guter Chef? Der erste Schritt: „Man muss sich in die Mitarbeiter hineinversetzen“, sagt Gerhard Bruns, Gründer und Chef des Münchener Geva-Instituts, das über Mitarbeiterbefragungen misst, wie man seine Mitarbeiter optimal motiviert. Exklusiv für Leser von handwerk magazin hat Geva eine Befragung entwickelt, mit der Chefs prüfen können, ob sie ihre Leute gut führen (siehe Seite 18).

Studien beweisen immer wieder, dass Angestellte sich Anerkennung wünschen, ein gutes Betriebsklima und Entscheidungsfreiheit. Gefordert sind Respekt, außerdem ein Vorgesetzter, der Fehler zugeben kann. Spaß an der Arbeit haben Beschäftigte im Handwerk meist von sich aus. „Es geht aber auch darum, die Leute für ein gemeinsames unternehmerisches Ziel zu begeis-tern“, erklärt Wolfgang Trefzger, von der Landes-Gewerbeförderungsstelle des nordrhein-westfälischen Handwerks (siehe Seite 14 „Motivieren“).

Der Stuttgarter Schreiner Tobias Rehder lässt seine Leute über die Arbeitsabläufe im Betrieb mitentscheiden. Er spendiert jedem Kollegen ein Abo fürs Fitnessstudio und geht mit dem Team Bergsteigen. Als 2000 die Baukrise kam, kürzte Rehder aber auch das Grundgehalt und führte Gewinn-Provisionen ein. Damit hat er zudem die Fehlerquote um 80 Prozent gesenkt. Fördern und fordern also.

Führungsqualitäten werden einem nicht in die Wiege gelegt. Das weiß auch Textilpfleger Daniel Deppe aus Rheda-Wiedenbrück, der vor zwei Jahren den Betrieb seines alten Chefs übernommen hat. Mit gerade einmal 31 Jahren stieg er vom Kollegen zum Inhaber der Sieben-Mann-Firma auf. Gleich zu Beginn ging eine ganze Charge schlecht gebügelter Textilien zum Kunden, erinnert sich Deppe. „Das haben mir die Kollegen zuerst verschwiegen. Dabei sage ich immer: Hätte mir auch passieren können.“ Deppe musste seinem Team beibringen: Wenn Fehler vorkommen, ist es seine Aufgabe, das Problem gemeinsam mit ihnen zu lösen. „Ich lasse mir nicht auf der Nase herumtanzen“, stellt der Jung-Chef klar. „Aber ich erkläre jeden Schritt, lerne die Leute an. Und die merken: Der Deppe kann ja selber bügeln!“ So, findet der Handwerker, verdient er sich den Respekt der Truppe. Noch etwas ist Deppe wichtig: „Ich stehe jetzt nicht höher als die anderen. Ich bin nur derjenige, der das Konto zusammenhält.“

Klare Zahlen für klare Ziele

Experten wie der Mittelstandsforscher Arist von Schlippe geben Deppe recht (Interview Seite 18). Ein Chef sollte Angestellten zwar das Gefühl geben, sie zu führen, aber eben im Sinne von „anleiten“ oder „unterstützen“.

Rolf Steffen, selbst Inhaber eines Heizung- und Sanitärbetriebs in Alsdorf bei Aachen, hat sich seit Gründung seiner Firma 1983 intensiv mit dem Thema Führung befasst - so intensiv, dass er inzwischen als Unternehmensberater für Handwerker arbeitet und mehrere Bücher über Management verfasst hat. Er findet: „Ob Mitarbeiter wollen, liegt nur indirekt in der Hand des Chefs.“ Da ist das Thema: Motivation. Führen hingegen heiße, Erfolg überhaupt erst möglich machen: „Mitarbeiter müssen das Nötige wissen“, sagt Steffen. „Sie müssen die Aufgabe beherrschen, also können. Und das Nötige dann auch tun dürfen.“ (siehe Seite 15„Führen“).

Zur guten Führung, betont der Berater, gehörten klare Ziele. Dafür müssten Handwerker oft zunächst Strukturen aufbauen: „Viele kennen nicht einmal die Produktivität ihrer Leute, machen keine ordentliche Umsatzplanung“, sagt Steffen. Als zusätzlichen Antrieb teilt Steffen 20 Prozent des Gewinns mit seinen Angestellten.

Gleichzeitig setzt er darauf, seine Mitarbeiter bei ihrer fachlichen und persönlichen Entwicklung zu unterstützen. Das ist die dritte Aufgabe eines guten Chefs (siehe rechts „Entwickeln“). Rhetoriktraining für den Heizungsableser? „Klar, warum nicht, wenn der das will?“, sagt Steffen. „So etwas ist gut für die Leute.“ Ganz nebenbei könne der Unternehmer auch finanziell von selbstbewussten, zufriedenen und beredten Mitarbeitern profitieren: „Mit dem Satz, wissen Sie eigentlich, wie schön Ihr Haus gelegen ist? Mit so einem Satz können Sie bares Geld verdienen.“

Von der Kunst zu begeistern

Für Bauunternehmer Matthias Krieger aus Dingelstädt im Harz wird das Thema Personalentwicklung seit Jahren großgeschrieben. Das ist auch nötig, denn die Firma, 1992 als Zwei-Mann-Betrieb gegründet, beschäftigt inzwischen 70 Mitarbeiter. Gerade wurde Krieger beim renommierten „Top Job“-Wettbewerb zu einem der „Arbeitgeber des Jahres“ gewählt.

Kriegers Mitarbeiter haben drei Jahre lang in regelmäßigen Treffen Teamregeln festgelegt. Jeder Mitarbeiter absolvierte einen Talentetest, um zu ermitteln, was ihm wirklich liegt. Eine Kollegin in der Buchhaltung etwa erwies sich als weniger zahlenorientiert als gedacht. „Die setzen wir jetzt bei Kundenbefragungen ein“, erzählt Krieger. Wer einen Fehler macht, bekommt einen Preis verliehen - sofern er die Fehlerquelle beseitigt hat. Der ehemalige Leistungssportler Krieger setzt auf klare Vorgaben, beteiligt sein Team finanziell am Erfolg. Und er versucht, seine Leute für die Firma zu begeistern. „Sich um solche Dinge zu kümmern, ist der wichtigste Teil des Unternehmertums. Wenn ich fleißig bin, und die anderen gucken nur zu, dann gehe ich pleite.“

Arbeit am statt im Betrieb

Dass im Handwerk verhältnismäßig wenige Chefs derart viel Zeit in die Arbeit am Unternehmen stecken wie Krieger, wundert den 48-Jährigen nicht. „Es gehört nicht zur Ausbildung und zum Selbstverständnis.“ 80 Prozent seiner Arbeitszeit gehen inzwischen für Personalführung, Strategie und das Tüfteln an der idealen Organisation drauf, sagt Krieger. „Auch die Chefs kleiner Handwerksbetriebe sollten 50 Prozent ihrer Zeit dafür

investieren.“ Nach diversen Management-Seminaren, der Lektüre Dutzender Bücher und 20 Jahren Experimenten im Betrieb hat der Unternehmer für sich erkannt: „Je mehr ich andere machen lasse, desto erfolgreicher werde ich.“

holger.externbrink@handwerk-magazin.de

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