Sicher arbeiten leichter gemacht

Arbeitsschutz Endlich Schluss mit starren Vorgaben: Ab 2011 haben Unternehmer mehr Freiheit bei der Umsetzung von Schutzmaßnahmen. Was die neue Vorschrift für die betriebliche Praxis bringt.

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    Stefan Jäger (re.) sorgt zusammen mit Berater Peter Haas für weniger gefährliche Arbeitsplätze im Malerbetrieb.
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    Abwärtstrend: In den letzten Jahren ist die Zahl der Arbeitsunfälle stetig zurückgegangen.
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    Aufwärtstrend: Lärm und Staub sind die häufigsten Verursacher von Berufskrankheiten, deren Zahl tendenziell zunimmt.
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    „Der Chef kann nun flexibler entscheiden, welche Betreuung er braucht.“Walter Eichendorf, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung.

Sicher arbeiten leichter gemacht

Wer auf der Baustelle gleichzeitig schnell und sicher arbeiten will, stößt manchmal an Grenzen. Stefan Jäger, Inhaber eines Malerbetriebs im hessischen Obertshausen, nennt als Beispiel das „Leiter laufen“: „Statt beim Streichen ständig auf- und abzusteigen und die Leiter zu verrücken, laufen die Mitarbeiter gerne samt ihrer Stehhilfe in die nächste Arbeitsposition“, erklärt der Chef von 40 Mitarbeitern. Das sei sicherheitstechnisch zwar eine Katastrophe, so Jäger, doch wenn ein Kollege auf die Unfallgefahr hinweist, heißt es oft: „Stell dich nicht so an.“ Als Chef eines seit drei Generationen bestehenden Familienbetriebs ist Jäger natürlich auf eine möglichst hohe Produktivität angewiesen, allerdings sollen die Arbeitsplätze laut Jäger „auch so sicher wie irgend möglich sein“. Ein schwieriger Spagat, zumal bei ständig wechselnden Baustellen mit unterschiedlichen Gefährdungspotenzialen. Um das Dilemma zu lösen, hat Jäger einen externen Berater mit der professionellen Umsetzung des Arbeitsschutzes im Betrieb beauftragt.

„Die meisten Unternehmer sind trotz guter Schulungsangebote der Berufsgenossenschaften mit der Umsetzung der Vorschriften überfordert“, weiß Arbeitsschutzexperte Peter Haas, der auch Jäger betreut. Als Beispiel nennt Haas die Gefährdungsbeurteilungen, von denen auch in Kleinbetrieben zehn bis fünfzehn zu erstellen sind. Bei größeren Betrieben addiere sich die Zahl laut Haas je nach Art der Arbeit leicht auf 40 bis 50.

Klare Aufgaben statt starre Zeiten

Mit der Neuregelung der „DGUV-Vorschrift 2“ (siehe Tabelle unten), die ab 1. Januar 2011 gilt, erhält der Unternehmer bei der Umsetzung der Spielregeln zwar deutlich mehr Gestaltungsspielraum, aber auch eine größere Verantwortung. Anstelle fester Einsatzzeiten für Arbeitssicherheit und Arbeitsmedizin gibt es bei der Regelbetreuung in Betrieben über zehn Mitarbeitern vor allem Aufgaben- und Leistungskataloge, die der Unternehmer entsprechend den individuellen Erfordernissen abarbeiten soll. „Die alte Regelung mit starren Vorgaben hatte den Nachteil, dass die Einsatzzeiten häufig erheblich unter oder über dem betrieblichen Bedarf lagen“, erklärt Dr. Walter Eichendorf, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV). Darüber hinaus soll die Neuregelung dazu beitragen, dass gleichartige Betriebe auch die gleichen Vorgaben bei Arbeitssicherheit und Arbeitsmedizin erfüllen müssen. Bislang gibt es noch große Unterschiede: Je nach Firmengeschichte kann es sein, dass der eine Kfz-Betrieb die umfangreichen Vorgaben der Metall-Berufsgenossenschaft (BG) erfüllen muss, sein bei der BG-Handel eingestufter Konkurrent jedoch deutlich geringere Auflagen hat. Um diesen Missstand zu beseitigen, hat die Bundesregierung die Unfallversicherungsträger dazu aufgefordert, bis 2011 eine für alle Branchen verbindliche Vorschrift zu erlassen. Obwohl die Neuregelung erst Anfang Dezember verkündet wurde, gibt es keine Übergangsfristen. „Sorgen“, so DGUV-Chef Eichendorf, „muss sich deswegen niemand machen, es gibt vorerst keine Sanktionen für Unternehmer.“

Für Stefan Jäger ist der Druck des Gesetzgebers sowieso nur ein Randaspekt. „Als Unternehmer habe ich schließlich auch eine Fürsorgepflicht für meine Mitarbeiter, sie sollen im Betrieb keinesfalls ihre Gesundheit riskieren.“ Da er die Einhaltung der Vorschriften nicht überall kontrollieren kann, hat sich Jäger für das von Maler- und Stuckateurmeister Haas entwickelte Modell (Details siehe unten) entschieden. Ziel ist es, durch Standardisierung den Bürokratieaufwand zu verringern und die Mitarbeiter stärker zur Einhaltung der Vorschriften zu motivieren.

Strafen für Schutz-Muffel

Bei der Jäger GmbH ist beides prima gelungen: die drei Bauleiter können jetzt mit wenig Aufwand individuelle Gefährdungsbeurteilungen für jede Baustelle erstellen, die Mitarbeiter wissen, dass die Einhaltung der Schutzvorschriften ebenfalls zu ihren Pflichten gehört. Wer seine vorgeschriebene „Persönliche Schutzausrüstung“ (PSA) nicht trägt, muss mit einer Abmahnung rechnen. „Früher hatten wir ein paar Jedermann-Gummistiefel für alle, die sich die Mitarbeiter bei Bedarf so passend wie möglich ausgesucht haben“, erinnert sich Jäger mit einem Schmunzeln an jahrzehntelange Gewohnheiten. Die sind heute jedoch nicht nur wegen der neuen funktionalen Arbeitsschuhe (siehe Testaktion rechts) überholt, wie Experte Haas bestätigt: „Auch immer mehr öffentliche Auftraggeber verlangen eine systematische Organisation des Arbeitsschutzes auf ihren Baustellen.“ Während Unternehmen wie die Jäger GmbH die entsprechenden Formulare in zwei Minuten erstellen können, bräuchten andere dafür mindestens zwei Tage. Insofern, so Haas, ist gut organisierter Arbeitsschutz ein echter Wettbewerbsvorteil.

kerstin.meier@handwerk-magazin.de

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