Steuerfahndung Selbstanzeige: Harte Zeiten für reuige Sünder

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Selbstanzeige bei Steuerdelikten

Steuerfahnder schöpfen aus immer mehr Quellen – nicht zuletzt wegen des weltweit erodierenden Bankgeheimnisses. Das Problem: Wer jetzt eine Selbstanzeige abgibt, kommt nicht mehr ungeschoren davon. Die Behörden legen die Regeln immer strenger aus. Was Betroffene wissen sollten.

»Eine Selbstanzeige wirkt auf jeden Fall strafmildernd.« Rainer Biesgen, Steuerstrafrechtler bei der Kanzlei Wessing & Partner in Düsseldorf. - © Steven Miric/iStockphoto.com

Dass Betriebsprüfer Bargeldgeschäfte genau unter die Lupe nehmen, war dem Schrotthändler aus Niedersachsen klar. Deshalb sorgte er dafür, dass jede Cash-Auszahlung an Lieferanten von Metallabfällen – darunter Privatleute und zahlreiche metallverarbeitende Handwerksbetriebe – penibel in den Büchern dokumentiert wurde.
Als die Prüfer schließlich anrückten, waren sie dennoch unzufrieden. Der Händler habe zwar die Namen der Lieferanten überwiegend korrekt erfasst – aber nicht geprüft, ob es sich um Strohmänner handele, monierten sie. Und in der Branche sei es leider üblich, dass Metallbetriebe sogenannte „Schreiber“ einsetzen, um ihre Namen aus der Sache raushalten und Erträge risikolos schwarz einstreichen zu können.

Die Botschaft der Steuerprüfer an den Händler: Entweder, du nennst die wahren Lieferanten – oder wir kürzen den Betriebsausgaben-Abzug um 50 Prozent. Doch vor wenigen Wochen stoppte das Niedersächsische Finanzgericht die eifrigen Beamten: Es sei dem Schrotthändler „nicht zuzumuten, mögliche Hintermänner zu ermitteln“, stellten die Richter klar (3 K 155/14).

Handwerker, die mit dem Verkauf von Metallabfällen über „Schreiber“ ein heimliches Zusatzgeschäft machen, sollten trotzdem gewarnt sein. Denn mancher Geschäftspartner in der Branche dürfte wissen, für wen der Strohmann wirklich arbeitet – und Namen preisgeben, wenn es hart auf hart kommt und Betriebsprüfer Informationen einfordern.

Der Fall zeigt: Die Finanzbehörden versuchen mit wachsender Entschlossenheit, Steuervergehen aufzudecken – auch bei kleinen Unternehmen und Handwerksbetrieben. Selbst Methoden, die lange problemlos funktionierten, werden deshalb deutlich riskanter; zugleich gibt es kaum noch sichere Verstecke für erwirtschaftetes Schwarzgeld, wie die „PanamaPapers“ und der globale Informationsaustausch ab 2017 zeigen.

Das Problem: Wer angesichts dieser Entwicklungen reinen Tisch machen will, muss sich auf eine zunehmend kritische Prüfung seiner Selbstanzeige einstellen. Denn der Gesetzgeber hat nicht nur die Anforderungen verschärft (siehe Kasten „Daten aus aller Welt“, rechts): Fast noch gefährlicher ist, dass Finanzbeamte vielerorts dazu übergehen, bereits länger existierende Regeln strenger auszulegen und Selbstanzeigen deshalb immer öfter als ungültig einstufen oder überraschend hohe Nachzahlungen festsetzen. Aber wie argumentiert der Fiskus? Was müssen reuige Sünder beachten?

Wer zu spät kommt …

„Wegen der strengeren gesetzlichen ­Vorgaben prüfen Finanzbeamte Selbstanzeigen in der Regel deutlich strukturierter als früher“, sagt Jesco Idler, Partner bei Flick Gocke Schaumburg in Bonn. „Das führt dazu, dass sie öfter als unwirksam eingestuft werden – wegen Verstößen gegen neue Vorschriften, aber häufig auch, weil schon länger existierende Vorgaben nicht eingehalten wurden.“ Bisher sei das nicht immer aufgefallen. Zudem scheint die Bereitschaft, ein Auge zuzudrücken, bei vielen Beamten gesunken zu sein: „Bis 2007/2008 waren Schwarzgeldkonten in der Schweiz nahezu unerreichbar“, berichtet ein Fahnder aus dem Rheinland. „Da war man eher froh, wenn jemand freiwillig aus der Deckung kam.“ Das habe sich „definitiv geändert“.

Aktuelle Fälle zeigen, dass die Beamten nun sehr genau prüfen, ob die Selbstanzeige zu spät kommt. „Ein sogenannter Sperrgrund liegt zum Beispiel vor, wenn die Tat bereits entdeckt wurde und der Steuerpflichtige zudem mit der Tatentdeckung rechnen musste“, erklärt Rainer Biesgen, Steuerstrafrechtler bei der Kanzlei Wessing & Partner in Düsseldorf.

Das Kriterium des „Rechnenmüssens“ war bislang vielfach die Rettung. Denn zahlreiche Steuersünder waren zwar bereits aufgeflogen, als sie – aufgeschreckt von Medienberichten über Datenkäufe – ihre Selbstanzeige einreichten. Allerdings hatten die Behörden oft noch kein Strafverfahren eingeleitet oder den Verdächtigen zumindest noch nicht darüber informiert.
Da dies mehrere Wochen dauern kann, blieb ein großzügiges Zeitfenster, in dem wohlmeinende oder überlastete Beamte Selbstanzeigen durchwinken konnten. Doch jetzt schauen sie genauer hin – und können sich auf aktuelle Urteile berufen, wenn sie einen „Sperrgrund“ konstatieren.

Richter sorgen für Rückenwind

Eines davon hat das Oberlandesgericht Schleswig vor wenigen Monaten gefällt (2 Ss 63/15). Es ging um einen Steuerhinterzieher, der dem Finanzamt am 9. September 2012 mehrere Konten und Depots bei verschiedenen Schweizer Banken offenbart hatte, darunter Julius Bär. Auslöser waren Berichte über den Kauf von Julius-Bär-Daten durch die nordrhein-westfälische Finanzverwaltung.

Am Tag der Selbstanzeige war das Steuerstrafverfahren zwar eingeleitet – aber die Behörden hatten den Schwarzgeld-Anleger noch nicht darüber informiert. Trotzdem habe er wegen der Berichte über den Datenkauf „mit Tatentdeckung rechnen müssen“, urteilten die Richter. Dieser Zeitpunkt sei bereits erreicht, wenn Beschuldigte die Entdeckung für „durchaus möglich oder wahrscheinlich“ halten – und nicht erst, wenn sie vom Strafverfahren erfahren.

Ins selbe Horn stieß nahezu zeitgleich das Oberlandesgericht Hamm in einem ähnlichen Fall (5 RVs 119/15). Zudem wiesen die Richter darauf hin, dass „angesichts der verbesserten Ermittlungsmöglichkeiten“ und der engeren internationalen Kooperation „keine hohen Anforderungen an die Annahme des ‚Rechnenmüssens‘“ mehr gestellt werden könnten.

Das sind schlechte Nachrichten für Steuerhinterzieher, die mithilfe einer Briefkastenfirma Schwarzgeldkonten verschleiert haben und dabei die Dienste der weltweit aktiven Panama-Kanzlei Mossack Fonseca in Anspruch nahmen. Denn das dortige Datenleck war unter dem Stichwort „PanamaPapers“ ab Anfang April ein großes Thema in der Öffentlichkeit.

Zudem berichteten etliche Medien im Mai, dass die Finanzverwaltung Kontakt zu dem Informanten aufgenommen hat, der Journalisten mit den Mossack-Fonseca-Daten versorgt hatte. Es spricht also vieles dafür, dass Betroffene längst „mit Entdeckung rechnen müssen“. Ist aber auch das zweite Kriterium – die Tat-entdeckung – erfüllt?

Firmen zur Verschleierung

Auch das könnte früher der Fall sein, als viele glauben. Denn der Bundesgerichtshof hat 2010 in einem Grundsatzurteil (1 StR 577/09) klargestellt: Für eine Entdeckung reicht es in bestimmten Fällen, wenn der Name eines Hinterziehers auf einer Liste mit Kunden von Banken oder Treuhandfirmen auftaucht. Ein Abgleich mit der Steuererklärung, um sicherzustellen, dass Kapitalerträge tatsächlich nicht deklariert wurden, ist nicht immer nötig.

Das gilt für Anlagemodelle oder Firmenvehikel, bei denen „die Art und Weise der Verschleierung nach kriminalistischer Erfahrung ein signifikantes Indiz“ für Steuerhinterziehung ist. Dieses Indiz dürfte mancher Finanzbeamte bei Briefkastenfirmen als erfüllt ansehen.

Experte Biesgen sieht das anders: „Für eine Tatentdeckung müssen Finanzbeamte zumindest wissen, dass die Gesellschaft auch Zinserträge oder andere Einnahmen erzielt hat.“ Die Tatsache, dass ein Steuerpflichtiger Anteilseigner sei, reiche nicht. „Viele sogenannte Briefkastenfirmen haben einen legalen Hintergrund und dienen nicht dazu, Einnahmen zu verschleiern.“ Auch bei möglicher Entdeckung ist es aber sinnvoll, sich dem Fiskus zu offenbaren. „Eine Selbstanzeige wirkt auf jeden Fall strafmildernd“, sagt Biesgen von Wessing & Partner.

Verjährungsfrist: 23 statt 10 Jahre

Wenn die erste Hürde genommen ist und Straffreiheit eintritt, drohen bisweilen dennoch böse Überraschungen. Das betrifft derzeit vor allem Fälle, in denen Bürger ein Schwarzgeldkonto im Ausland geerbt und dies dem Fiskus zunächst verschwiegen haben – was laut Steueranwälten ein Klassiker ist, weil Geheimkonten im letzten Jahrhundert weit verbreitet waren und jetzt nach und nach an die nächste Generation weitergereicht werden.

Das Problem: Wer ein solches Erbe nachträglich per Selbstanzeige offenbart, muss mit Ungemach rechnen. „Vielerorts legen die Finanzbehörden Verjährungsvorschriften strenger aus und fordern für bis zu 23 Jahre Steuern nach“, sagt Idler von Flick Gocke Schaumburg.

Als eine der Ersten erwischt hat es eine Zahnarztwitwe aus der Eifel, die 2005 zwei ausländische Schwarzgelddepots von ihrem Gatten geerbt hatte und dies dem Fiskus erst fünf Jahre später offenbarte. Doch überraschenderweise beließen es die Beamten nicht dabei, nachträglich Erbschaftsteuer sowie Steuern auf die Kapitalerträge der letzten zehn Jahre zu fordern: Die Dame sollte auch auf die in den 90er-Jahren erzielten Kapitalerträge Steuern zahlen.

Das Argument des Finanzamts: Als die Witwe 2005 ihr Erbe verheimlichte, habe sie eine Straftat begangen. Und deshalb sei alles, was damals nicht verjährt war, auch zum Zeitpunkt der Selbstanzeige 2010 nicht verjährt gewesen. Das bedeute, dass Steuern ab 1994 fällig seien, da von 2005 an zurückgerechnet werde und die zehnjährige Verjährungsfrist für das Jahr 1994 am Ende des Folgejahres 1995 begann. Das Finanzgericht Rheinland-Pfalz gab dem Finanzamt 2014 recht (3 K 2599/12). Seither berufen sich immer mehr Beamte auf den Richterspruch, berichtet Steuerberater Idler, der mehrere Betroffene berät und derzeit Klagen prüft.

Vorsicht, Vermögenssteuer!

Die Chance, dass andere Finanzgerichte zu einem anderen Ergebnis kommen, schätzt er als hoch ein. „Die Rechtsauffassung des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz ist fragwürdig“, meint er. Sie führe zu einer Ungleichbehandlung, die „nicht dem Willen des Gesetzgebers“ entspreche: „Wer ein eigenes Konto nachdeklariert, muss für zehn Jahre nachzahlen – wer es geerbt hat, für weitaus längere Zeiträume.“

Maximal seien angesichts der unterschiedlichen Fristanläufe im komplexen Verjährungsrecht 23 Jahre möglich, so- dass einige Betroffene sogar noch die bereits 1996 abgeschaffte Vermögenssteuer nachzahlen müssten. Hinzu kommt, dass der Fiskus neben Steuernachzahlungen auch hohe Zinsen von sechs Prozent pro Jahr festsetzt. „Das kann die zu zahlende Summe leicht verdoppeln“, sagt Idler. Wer zum Beispiel für 1994 Steuern nachzahlt, muss nach Ablauf einer 15-monatigen Schonfrist – also ab April 1996 – Zinsen von 0,5 Prozent pro Monat berappen.

Bei einer Selbstanzeige Ende Juni 2016 wären damit für 231 Monate Zinsen in Höhe von 115,5 Prozent der Nachzahlung fällig – ein mehr als einträgliches Geschäft für den Fiskus. Allerdings ist umstritten, ob der Fiskus angesichts des Dauerzinstiefs noch Zinsen von sechs Prozent fordern darf (siehe handwerk magazin 2/2016, Seite 64).
Wer sich wehrt, dürfte gute Chancen haben – muss aber vor Gericht ziehen.

Kompliziert und teuer

Der Gesetzgeber hat die Vorschriften für Selbstanzeigen peu à peu verschärft.

Alles beichten. Im Jahr 2011 stellte die Bundesregierung mit dem „Schwarzgeldbekämpfungsgesetz“ klar: Haben Bürger in den letzten fünf Jahren weitere Abgaben in derselben Steuerart hinterzogen, müssen sie auch dies beichten. Sonst kann die Selbstanzeige nachträglich als ungültig eingestuft werden – und die Straffreiheit ist futsch. Anfang 2015 wurde der Zeitraum, der komplett offengelegt werden muss, auf zehn Jahre verlängert.

Zuschlag zahlen. Ebenfalls mit dem Schwarzgeldbekämpfungsgesetz hat die Bundesregierung einen „Strafzuschlag“ von zunächst fünf Prozent für Hinterziehungssummen ab 50.000 Euro eingeführt. Anfang 2015 wurde er auf zehn Prozent erhöht und die Grenze auf 25.000 Euro gesenkt. Bei mehr als 100.000 Euro sind nun 15 Prozent fällig, ab einer Million Euro 20 Prozent.

Daten aus aller Welt

Welche Informationen ausländische Banken künftig an den deutschen Fiskus liefern, wo Schlupflöcher bleiben.

Einnahmen. Im nächsten Jahr geht’s los: 2017 liefern ausländische Banken und Finanzdienstleister erstmals eine Vielzahl von Daten an die deutschen Finanzbehörden. „Der künftige automatische Informationsaustausch betrifft sämtliche Kapitalerträge“, erklärt Lukas Bien, Steuerberater bei PKF Fasselt Schlage in Duisburg. Wenn Anleger mit Wohnsitz in Deutschland anderswo Zinsen, Dividenden, Aktiengewinne oder Erträge aus privaten Lebens- oder Rentenpolicen einstreichen, müssen sie deshalb damit rechnen, dass ihr hiesiges Finanzamt wenig später davon erfährt.

Steueroasen. Aktuell haben sich rund 100 Staaten verpflichtet, beim Info-Austausch mitzumachen – darunter zahlreiche einstige Steueroasen wie die Schweiz, Luxemburg, Singapur und inzwischen sogar Panama. „Viele liefern bereits 2017 Informationen über die 2016 erzielten Kapitalerträge“, sagt Bien. Einige Staaten beginnen erst ein Jahr später.

Schlupflöcher. Ausweichstrategien gibt es nur noch wenige. Schließfächer und deren Inhalt melden Banken beispielsweise nicht. Allerdings informieren sie jährlich über die Konto- und Depotsalden. Wenn größere Summen verschwinden, kann das deshalb zu Nachfragen von Finanzbeamten führen.

Wohnsitz. Steuerfahnder fürchten zudem, dass wohlhabende Schwarzgeldanleger kurzerhand eine Wohnung vor Ort mieten und sich bei der Bank als „Ansässige“ eintragen lassen. Dann gelten sie steuerlich gesehen nicht als Deutsche, und es fließen keine Daten in die Heimat.

Briefkästen. Eine weitere Verschleierungsstrategie hat durch die PanamaPapers weltweite Aufmerksamkeit erfahren: Anleger können Firmen gründen, die als offizielle Eigentümer von Konten und Depots fungieren. Setzen sie zugleich einen Treuhänder als Strohmann ein, erfährt die Bank nicht, dass dahinter ein Deutscher steckt – und der Info-Austausch greift ins Leere. Allerdings plant die Staatengemeinschaft ein Firmenregister, das die wahren „wirtschaftlich Berechtigten“ auflistet; zudem prüfen Banken zunehmend genau, wer hinter einer Firma steckt.