Betriebsübernahme Risiko Altmitarbeiter

Wer einen Betrieb übernimmt, muss auch die bisherigen Mitarbeiter weiterbeschäftigen. Wie der Nachfolger richtig damit umgeht und sukzessive neue Leute einstellt.

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    © Stefan Thomas Kröger
    Hat 40 Mitarbeiter übernommen: Steinmetzmeister Werner Schultze.
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    © Sauer
    „Nur wer Mitarbeiter lückenlos informiert, schützt sich vor horrenden Forderungen.“Kathja Sauer,Fachanwältin für Arbeitsrecht in Stuttgart.

Werner Schultze aus Hannover hat bei der Nachfolge arbeitsrechtlich alles richtig gemacht. „Vor der Falle des Personalübergangs bin ich ausdrücklich gewarnt worden“, sagt der Steinmetz- und Steinbildhauermeister sowie jetzige Inhaber des Traditionsbetriebs Naturstein Krause GmbH. „Deshalb haben wir auf jedes Detail genau geachtet.“ Er meint damit den Paragrafen 613a des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB), die wichtigste Vorschrift beim Übergang eines Betriebs. Sie soll die Altmitarbeiter vor dem Verlust ihres Arbeitsplatzes schützen.

Dieses Thema betrifft jeden Nachfolger, der einen Betrieb samt Mitarbeitern übernimmt. Wer es kennt, kann richtig vorgehen und hohe Nachzahlungen oder Abfindungen vermeiden.

Zunächst achteten Werner Schultze und Verkäufer Manfred Beutel beim Übergang der zwei Spezialbetriebe für Restaurierung, modernen Fassadenbau und gehobene Arbeiten im Innenausbau darauf, dass die rund 40 Mitarbeiter rechtzeitig, also mindestens einen Monat vor der Übergabe, umfassend informiert wurden.

Umfassende Informationspflicht

Paragraf 613a sieht nämlich eine ganz bestimmte Abfolge der Übernahme vor (Kasten „Richtig informieren“, rechts). Kathja Sauer, Fachanwältin für Arbeitsrecht in Stuttgart: „Arbeitnehmer, die nicht übernommen werden wollen, müssen dem Betriebsübergang innerhalb eines Monats, nachdem sie von der Nachfolge informiert worden sind, widersprechen. Sonst bleibt ihr Arbeitsverhältnis mit dem alten Arbeitgeber bestehen.“

Die Anwältin erklärt auch, worin die von Schultze genannte Falle besteht: „Waren die Informationen lückenhaft und fehlten zum Beispiel Angaben über die wirtschaftliche Situation des Nachfolgers, beginnt die Frist zum Widerspruch nicht zu laufen, und die Mitarbeiter können auch viele Monate oder gar Jahre später noch widersprechen. Der überraschte Verkäufer hat dann eine Belegschaft ohne Betrieb.“ Er kann nur mit der ordentlichen Frist kündigen.

Übergang kein Kündigungsgrund

„Wegen des Betriebsübergangs darf weder der bisherige Arbeitgeber noch der neue Inhaber einen Mitarbeiter entlassen“, stellt Arbeitsrechtler Wolfgang Meyer aus Esslingen, Autor des Buchs „Arbeitsrecht - Führungswissen für kleine und mittlere Unternehmen“ (Holzmann Medien), klar. Das schließt aber Kündigungen aus anderen Gründen, beispielsweise wegen Rationalisierung oder wegen persönlicher Verfehlungen des Arbeitnehmers, nicht aus.

Dies nutzen manche Verkäufer eines Betriebs bereits im Vorfeld des Übergangs, um die Belegschaft etwa wegen Umatzrückgangs zu verringern, damit die Firma attraktiver zu machen und den Kaufpreis zu erhöhen. Auch bei geplanten Betriebsstilllegungen oder im Insolvenzverfahren nach dem sogenannten Erwerbermodell sind Kündigungen wegen des Übergangs ausnahmsweise erlaubt. Rechtsanwältin Sauer klärt auf: „Voraussetzung ist, dass ein verbindliches Konzept oder ein Sanierungsplan des Erwerbers vorliegt, dessen Durchführung bereits greifbare Formen angenommen hat.“

Nicht immer ist aber sicher, ob überhaupt ein Betriebsübergang vorliegt. Voraussetzung ist nämlich Kauf oder Pacht. „Nur die Geschäftsanteile zu übernehmen, wie wir das bei der Arno H. Heinrich GmbH gemacht haben, ist kein Betriebsübergang“, freut sich Dirk Häusgen, Vorstand der Dürener Dirk Häusgen Metallbau AG. „Denn der Betrieb wurde nicht veräußert, es fand lediglich ein Austausch der Gesellschafter statt, das Unternehmen besteht unverändert fort“, erklärt Rechtsanwältin Sauer. „Für die Belegschaft ändert sich erst einmal nichts.“

Im Fall des klassischen Betriebsübergangs jedoch muss der Nachfolger die Arbeitsverträge der Belegschaft mindestens für ein Jahr zu den alten Konditionen weiterführen. „Das gilt auch beim angestellten Ehegatten oder Kindern des Verkäufers, Auszubildenden, Praktikanten oder Langzeiterkrankten“, weiß Handwerksmeister Schultze, der auch Betriebswirt des Handwerks ist.

Neuer Chef haftet

Mit den Stellen gehen alle Forderungen der Mitarbeiter auf den neuen Chef über. „Selbst mündliche Vereinbarungen sowie Überstunden- und Zeitguthaben bleiben bestehen. Die alten Arbeitszeiten und Vergütungen dürfen grundsätzlich nicht abgeändert werden“, so Kathja Sauer.

„Die umfangreichen Informationspflichten des Paragrafen 613a kann man als Last, aber auch als eine Chance sehen, die Leistungsträger des alten Betriebs vom Inhaberwechsel zu überzeugen“, zeigt Ralf Müller eine eigene Sicht. Der Diplom-Ingenieur und Versorgungstechniker hat in Oberhausen die Firma Bartsch Sanitärtechnik GmbH mit vier Gesellen übernommen und den Betrieb inzwischen mit 27 Arbeitnehmern zu einem Spezialisten für Facility Management ausgebaut.

Vorher hat er mit Unterstützung seines Anwalts alle Möglichkeiten ausgenutzt, die neuen Mitarbeiter ausgiebig zu testen. Zum Beispiel durch den Abschluss von Probearbeitsverträgen als Sonderform eines befristeten Arbeitsvertrages (Kasten „Zunächst befristet einstellen“, unten). Mit Ablauf des Vertrags endet das Arbeitsverhältnis. Möchte der Arbeitgeber den Mitarbeiter behalten, muss er einen neuen Vertrag abschließen.

Bevor Müller nach Vermittlung und Beratung durch die Handwerkskammer Düsseldorf die Bartsch Sanitärtechnik GmbH übernahm, hatte er Kontakt mit einer anderen Firma, die von Insolvenz bedroht war und unter Umständen re-strukturiert werden sollte. „Wir haben diese Firma genau analysiert“, begründet Hubert Kers-ting, Betriebsberater der Handwerkskammer Düsseldorf, das beschlossene „Nein“. Eine nicht unbedeutende Rolle spielte dabei ausgerechnet Paragraf 613a. Ralf Müller: „Diese Vorschrift hätte die Sache noch schwieriger gemacht, als sie ohnehin schon war. Heute bin ich froh, dass alles so gekommen ist. Der sonst so berüchtigte Paragraf 613a hat mir Glück gebracht.“