Reserven heben

Liquiditätsmanagement | Viele Betriebe sind oft knapp bei Kasse, weil sie Geld verschenken. Sie binden viel Kapital im Warenlager oder ignorieren ihre Außenstände. Wer hier seine Hausaufgaben macht, wird schnell wieder liquide.

Reserven heben

Mit Bankern redet Manfred Hammer (Name von der Redaktion geändert) nicht gern. Der Heizungsbauer aus Oberbayern fühlt sich unwohl in der Welt der Anzugs- und Schlipsträger, die ihm betriebswirtschaftliche Fragen stellen, die er nicht immer beantworten kann. Daher ging er den einfachen Weg: Er finanzierte Kleingeräte und Maschinen über seine Kontokorrentlinie. Jetzt steht er mit 20000 Euro im Minus. Seine Banklinie ist voll ausgeschöpft, und dem Handwerksmeister fehlt der Liquiditätsrahmen, um das Tagesgeschäft zu finanzieren. Der Unternehmer kann sich nun nicht mehr vor einem Bankgespräch drücken. Er muss seine Kontokorrentlinie wieder frei bekommen und verhandelt mit der Hausbank über eine Umschuldung. Ein Berater unterstützt ihn, die Bank dazu zu bewegen, die 20000 Euro über fünf Jahre zu einem Zinssatz von etwa sechs Prozent zu finanzieren. Kein leichtes Unterfangen, denn am Kontokorrent verdient das Institut satte elf Prozent.

„Solch eine falsche Finanzierung ist gerade im Handwerk weit verbreitet“, weiß Betriebswirtin Alexandra Ledermann aus Erfahrung. Die Wirtschaftliche Beraterin der Handwerkskammer für München und Oberbayern stellt immer wieder fest, dass Handwerker häufig selbst Investitionsgüter wie Maschinen oder Fahrzeuge kurzfristig finanzieren. Sie bezahlen dafür nicht nur höhere Zinsen als bei einem langfristigen Kredit, sondern nehmen sich auch die notwendige Liquidität, um Betriebsmittel und Aufträge vorzufinanzieren. Wer seine Kontokorrentlinie bis zum Anschlag ausgeschöpft hat, kommt schnell ins Trudeln, wenn Kunden mal später oder gar nicht bezahlen. Ledermann warnt deshalb davor, Investitionen über den Kontokorrent zu finanzieren. Wer diesen Fehler begehe, habe es schwer, wieder sicheren Boden unter die Füße zu bekommen. „Banken spielen bei einer Umschuldung nur mit, wenn die Zahlen stimmen und der Handwerksbetrieb Sicherheiten stellen kann“, sagt die Beraterin. „Blanko bekommen Handwerker keinen Kredit.“

Klaus Geis sieht noch eine weitere Gefahr. Der frühere Inhaber eines Handwerksbetriebs und heutige Wirtschaftsberater stellt immer wieder fest, dass Unternehmer nicht kalkulieren. „Eine Umschuldung birgt auch die Gefahr einer Überschuldung“, sagt Geis, der mit einem Partner die Economic Betriebs- und Wirtschaftsberatung im hessischen Oberneisen führt. „Zwar ist die Kontokorrentlinie dann wieder frei, aber Handwerker beachten meist nicht, dass sie für den langfristigen Kredit Tilgungen zu leisten haben, die ihre Liquidität belasten.“ Er verbringt deshalb viel Zeit damit, eine Ertrags-, Umsatz- und Kostenplanung in den Betrieben einzuführen. Hieraus lässt sich dann leicht eine Liquiditätsplanung ableiten, die Handwerkern hilft, ihre Finanzen dauerhaft in den Griff zu bekommen. Wer seine Liquidität plant und Zahlungseingänge sowie Abbuchungen vom Firmenkonto regelmäßig prüft, kann auf Engpässe frühzeitig reagieren. „Handwerker sollten ihre Zahlungsziele straffen, mehr Abschlagszahlungen vereinbaren und frühzeitig mit der Bank sprechen, wenn es finanziell eng wird“, empfiehlt Geis. Wer seinen Betrieb aufmerksam durchforstet, findet viele Stellschrauben, um die finanzielle Basis zu verbessern. So schlummert oft ein Vermögen im Warenlager. Materialvorräte binden in Handwerksbetrieben viel Kapital. „Die Unternehmer horten gern“, scherzt Ledermann. „Sie wollen alles am Lager haben, dabei lässt sich heute innerhalb von 24 Stunden alles beschaffen.”

Die Beraterin der Handwerkskammer rät zu einer auftragsbezogenen Materialbestellung. Das setzt Kapital frei und verschafft den Betrieben neuen finanziellen Spielraum. Auch sollten Unternehmer ihren Kunden gegenüber hartnäckiger sein: „Handwerker dürfen nicht ein halbes Jahr in Vorleistung treten“, sagt Ledermann. Notfalls müssten sie auch mal einen Auftrag ablehnen, wenn der Auftraggeber sich nicht auf Abschlagszahlungen einlasse. Diese sollten mindestens die Materialeinkäufe abdecken. „Oftmals werden aber nur Pauschalen vereinbart, die die Kosten bei weitem nicht decken“, weiß Berater Geis. „Unternehmer müssen ihre Aufträge kalkulieren und entsprechende Abschlagszahlungen im Vorfeld vereinbaren.“

Auch beim Geldeintreiben sind Handwerker oft nachlässig. Meist stellen sie die Rechnung erst vier oder sechs Wochen, nachdem der Auftrag beendet wurde. Dazu komme, dass in vielen Fällen nicht alles Material abgerechnet werde. „Manche Handwerker haben keine ordentliche Dokumentation und überprüfen die Lieferscheine nicht, bevor sie die Rechnung stellen“, sagt Geis. Wenn der Unternehmer es mit der Rechnungsstellung nicht genau nimmt, lässt sich auch der Kunde Zeit mit dem Bezahlen.

Wer schnell Geld in die Kasse bekommen will, sollte deshalb innerhalb weniger Tage fakturieren, kurze Zahlungsziele einräumen, konsequent mahnen und darauf hinweisen, dass er notfalls auch einen Anwalt oder ein Inkassobüro einschaltet. „Wer das Zahlungsziel verkürzt, verbucht einen beachtlichen Liquiditätsgewinn“, rät der Berater zu mehr Konsequenz im Umgang mit säumigen Schuldnern. Zudem sollten sich Betriebsinhaber ihre Kunden genau ansehen. Besonders bei neuen Kunden ist es dabei wichtig, die Bonität des Auftraggebers rechtzeitig zu überprüfen. Auskunfteien, wie die Creditreform, helfen weiter.

Die Vorsorge ist wichtig, denn schlechte Kunden können Betrieben schnell zum Verhängnis werden: „Forderungsausfälle gefährden häufig die Existenz eines Handwerkbetriebs“, weiß auch Beraterin Ledermann.

Das erfährt Reinhard Fink (Name geändert) derzeit am eigenen Leib. Der Inhaber eines Heizungs- und Sanitärbetriebs aus Süddeutschland streitet sich mit einem Bauträger um 40000 Euro. Seit eineinhalb Jahren wartet der Handwerker auf sein Geld. Der Bauträger will Mängel geltend machen, die der Fachbetrieb als vorgeschoben betrachtet. „Es ist ein Gerangel um die Frage, wer welche Versäumnisse zu verantworten hat“, sagt Geis, der den Betrieb in dieser Frage berät. Noch ist die Sache nicht vor Gericht, aber es kann zum Rechtsstreit kommen, wenn sich die Kontrahenten nicht auf einen Vergleich einigen.

In der Tat ist es besonders für Firmen im Bauhaupt- und Baunebengewerbe schwierig, an ihr Geld zu kommen. Die öffentliche Hand zahlt nur schleppend und viele Bauträger zögern die Zahlungen bewusst hinaus. „Sie geben der Buchhaltung die Anweisung, generell erst nach der dritten Mahnung zu bezahlen“, weiß Geis. „Manche Bauträger planen auch Mängelrügen direkt in ihre Kalkulation mit ein.“ Wer mit den schwarzen Schafen der Branche Geschäfte macht, muss meist teure Kontokorrentzinsen zahlen, um liquide zu bleiben oder teure Prozesse führen.

Eine genaue Überprüfung der Auftraggeber und ein konsequentes Mahnwesen zahlt sich für Handwerker in barer Münze aus. Wer das Sparschwein Außenstände schlachtet, kommt schneller an sein Geld. Unternehmer haben dann sogar die Chance, noch mehr Liquiditätsreserven zu heben. „Wer seine Kontokorrentlinie nicht ausreizt, kann diese in Anspruch nehmen, um Skonto zu ziehen“, empfiehlt Ledermann.

Für Handwerksbetriebe ist das günstiger als Lieferantenkredite in Anspruch zu nehmen. Ein Beispiel: Bei einer Rechnungssumme von 15000 Euro kann der Firmenchef diese um drei Prozent drücken, wenn er innerhalb von zehn Tagen bezahlt. „Das bringt ihm eine Ersparnis von rund 450 Euro“, rechnet Ledermann vor. Nutzt er zur Vorfinanzierung seinen Kontokorrentkredit und zahlt dafür 12,25 Prozent Zinsen im Jahr, komme er auf rund 100 Euro Finanzierungskosten, sagt die Beraterin. Der Unternehmer spart
also 350 Euro. Konsequent eingesetzt, summieren sich Skontoersparnisse auch bei Kleinbetrieben schnell auf einige Tausend Euro.

- Sigrun an der Heiden

- cornelia.hefer@handwerk-magazin.de