Policen zwischen Pommes und Popcorn

Versicherungsvertrieb | Der Handel entdeckt eine neue Einnahmequelle: den Verkauf von Versicherungen und Finanzprodukten. Ein Schnäppchen macht aber nur, wer sich vorab gründlich informiert.

Policen zwischen Pommes und Popcorn

Bei Penny hatten die Kunden die Wahl: Im Herbst konnten sich sich zwischen Konserven und Rechtsschutzversicherung entscheiden. Mit 99 Euro war die Police des Discounters auf den ersten Blick günstiger als viele Konkurrenzprodukte. Gezahlt wurde an der Kasse, dann konnte der Schutz über eine PIN-Nummer auf dem Kassenbon aktiviert werden: online, per Post oder per Fax.

Versicherungspolicen beim Lebensmitteldiscounter als neuer Vertriebsweg? Das erscheint ungewöhnlich, ist es aber gar nicht, wie Katrin Andrae, Referentin für Finanzen und Steuern beim Hauptverband des Deutschen Einzelhandels (HDE), betont. Schließlich sei der Einzelhandel schon seit Jahren bemüht, sein Sortiment zu erweitern, und eigentlich sogar darauf angewiesen, durch zusätzliches Geschäft Umsatz zu machen. Und eine Zusammenarbeit mit der Versicherungsbranche, so Andrae weiter, biete sich da geradezu an.

Ganz neue Möglichkeiten

50 Millionen Kunden erreicht der deutsche Einzelhandel täglich – mehr, als das über einen anderen Vertriebsweg möglich wäre. In Deutschland gibt es Handelsketten, die schon seit Jahren im Versicherungs- und Finanzdienstleistungsgeschäft aktiv und mittlerweile allgemein akzeptiert sind: siehe Tchibo und KarstadtQuelle.

Waren der Kaffeeröster und das Warenhaus jedoch bis zum Herbst 2006 fast allein auf weiter Flur, steigen nun immer mehr Konzerne in den Handel mit Finanzprodukten ein. Die ersten waren Mitte September C&A, die unter dem Label C&A Money mit dem Verkauf von Kfz-Versicherungen begannen und seitdem laut Aussage von C&A-Mitarbeiter Knut Brüggemann mehrere Tausend verkauft haben. Anfang Oktober zog deshalb Penny mit der Rechtsschutzversicherung nach, und Mitte desselben Monats startete auch der Otto-Versand mit dem Verkauf von Autoversicherungen. Wobei sich das Konzept des Versandhändlers etwas von denen der Konkurrenz unterscheidet. Otto gründete für das Finanzgeschäft ein eigenes Tochterunternehmen mit dem Namen „FinanzPlus“. Und anders als C&A oder Penny arbeitet Otto auch nicht mit einer bestimmten Versicherung zusammen, sondern agiert gegenüber dem Verbraucher als Versicherungsmakler.

Handel legt 2007 nach

In diesem Jahr, ließ die Otto-Gruppe verlauten, werden andere Angebote folgen: zuerst Produkte zur Existenzsicherung, dann Policen zur Alters- und Gesundheitsvorsorge und schließlich Privathaftpflicht- sowie Hausratversicherungen. Bei C&A will man sich zunächst mehr auf das Finanzgeschäft konzentrieren und Ratenkredite anbieten, die dafür benötigte Banklizenz wurde bereits beantragt. Später plant aber auch das Bekleidungshaus weitere Versicherungen ins Sortiment aufzunehmen. Dabei will man sich auf hoch standardisierte Produkte beschränken. Denn nur bei diesen, so Brüggemann, sei es möglich, so günstige Preise anzubieten, „wie sie aus unserem Hause erwartet werden“. Angedacht sind zunächst Haus-, Reise- und Tierhalterhaftpflichtversicherungen.

Auch der Rewe-Konzern zeigte sich mit dem Abverkauf der Rechtsschutzversicherungen bei seiner Discount-Tochter Penny zufrieden. Wegen der regen Nachfrage wurde die Aktion sogar verlängert. Ob man den Weg weitergeht, wollte Unternehmenssprecher Andreas Krämer offen lassen. „Auszuschließen ist es nicht“, so seine Stellungnahme, die möglicherweise auch deshalb so unklar ausfiel, weil gerade die Penny-Police, die in Kooperation mit Arag angeboten wurde, ins Kreuzfeuer der Kritik geriet.

Wenig Schutz für wenig Geld

Der Grund: Für wenig Geld gab es auch nur wenig Schutz, denn ein ganz wichtiger Baustein einer Rechtsschutzversicherung, nämlich Privatrechtsschutz, war ausgeschlossen. Ob der neue Vertriebsweg gerade im Versicherungsbereich den Kunden wirklich Vorteile bringt, darüber gehen die Meinungen noch auseinander. Die Konzerne stellen dabei vor allem das Kostenargument in den Vordergrund. Weil man so eine große Kontaktfläche zum Kunden habe und somit Policen in großer Stückzahl verkaufen könne, sei man auch in der Lage, ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis zu bieten. Wer ohnehin eine Million Kunden in den Filialen hat, erläutert Brüggemann für C&A, braucht kein Geld für Werbekampagnen in Zeitschriften oder Fernsehen ausgeben. Bei Otto stößt man ins gleiche Horn.

Verbraucherschützer dagegen kritisieren vor allem die mangelnde Möglichkeit, den Kunden wirklich umfassend zu informieren. Nicht selten, erläutert Bianca Höwe vom Bund der Versicherten, sei man beim Einkauf unter Zeitdruck, elementare Infos wie fehlende Bausteine fielen dabei schnell unter den Tisch. Und selbst wenn sich der Verbraucher nicht unter Druck setzen ließe, könnten Verkäuferinnen oder Kassiererinnen bei Discountern unmöglich dieselbe Aufklärungsarbeit leisten wie Versicherungsspezialisten. Während sich der Bund der Versicherten darum eindeutig gegen den Vertriebsweg Einzelhandel ausspricht, urteilen andere Verbraucherschützer nicht ganz so streng. Wenn das Produkt wie eine Autoversicherung oder eine einfache Risikolebensversicherung wenig Erklärungsbedarf habe, könne der Verkauf über den Einzelhandel durchaus eine Alternative sein, meint Hermann-Josef Tenhagen, Chefredakteur des Magazins Finanztest. Handele es sich dagegen um komplexe Produkte wie Policen zur Altersvorsorge, „wird das kaum funktionieren“. Insbesondere nicht im Hinblick auf die EU-Vermittlerrichtlinie, die umfassende Aufklärung vor Abschluss des Vertrages zur Pflicht macht.

Extrem wichtig beim Kauf von Vorsorgeprodukten sei es auch, so betont ein Referent für Versicherungen beim Bundesverband der Verbraucherzentralen, nicht situativ zu entscheiden, sondern zuerst eine genaue Analyse des eigenen Bedarfs zu machen und dann die infrage kommenden Produkte zu vergleichen. Wenn jemand dies tue und sich dann im Nachgang für ein günstiges Produkt aus dem Handel entscheide, spräche zunächst einmal nichts dagegen, so der Experte. Bei befristeten Aktionen an der Kasse, die den Verbraucher zu einer schnellen Entscheidung drängen, haben die Verbraucherschützer dagegen Bedenken.

Experten raten den Verbrauchern auch bei vermeintlich günstigen Handelsprodukten zu Ruhe und Umsicht. Denn das Kostenargument des Handels zieht nicht immer. Als die Redaktion von Finanztest Ende 2006 Kfz-Versicherungen analysierte, war das Ergebnis eindeutig. Teuer, so Tenhagen, sei die C&A-Police nicht, „aber die günstigste ist sie auch nicht.“

Sabine Hildebrandt-Woeckel

cornelia.hefer@handwerk-magazin.de