Sozialversicherung Nachzahlung bei Prüfung ­vermeiden

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Betriebsprüfung

Alle vier Jahre müssen Unternehmer mit einem Besuch vom Prüfer der Rentenkasse rechnen. Um die oft sehr hohen Nachzahlungen zu vermeiden, sollten Firmenchefs ihre Meldungen sorgfältig kontrollieren. Worauf die Prüfer aktuell besonders achten.

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    © Lisa Hörterer
    Elisabeth Renner, Mitglied im Führungsteam beim Bauunternehmen Renner in München, hat inzwischen viel Routine im Umgang mit den Betriebsprüfern: »Die Prüfer von der Rentenversicherung nehmen unseren Familienbetrieb regelmäßig unter die Lupe.«
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    © Mittelmann
    Ursula Mittelmann, Fachanwältin für Sozialrecht bei der Kanzlei Plagemann in Frankfurt: »Wer ein Werbebudget hat, muss oft auch Künstlersozialabgabe zahlen.«

Elisabeth Renner kennt das Prozedere inzwischen nur zu gut: „Wir werden als familiengeführtes Bauunternehmen regelmäßig und über alle Jahre von der Deutschen Rentenversicherung unter die Lupe genommen.“ Renner gehört zum Führungsteam der Bauunternehmung Renner in München mit 78 Mitarbeitern. Die Betriebsprüfer checken bei diesen Terminen alle Abrechnungen rund um die Angestellten – von den Beiträgen zur Krankenversicherung bis zu den Abgaben an die Berufsgenossenschaft. Dabei bekam Renner zusätzlich im vergangenen Jahr noch einen Besuch von einem Prüfer von der Berufsgenossenschaft. „Wir müssen dann jedes Mal nachweisen, welche Tätigkeit der Mitarbeiter jeweils ausführt und ob wir ihn in die richtige Gefahrenklasse eingestuft haben“, so Renner.

Das Beispiel zeigt: Es ist im Einzelfall nicht so leicht für Unternehmen, alles richtig zu machen. Die Sozialversicherungsträger kassieren nach den Betriebsprüfungen jedes Jahr hohe Nachzahlungen. Allein im Jahr 2015 wurden laut Jahresbericht der Deutschen Rentenversicherung stolze 803 Millionen Euro nacherhoben. Bei dieser Summe wird klar, dass sich Fehler bei den Meldungen für große Handwerksbetriebe schnell zu fünf- oder sogar sechsstelligen Beträgen addieren können. Deshalb sollten Unternehmer die neuralgischen Punkte beim großen Check der Betriebsprüfer der Rentenversicherung stets im Blick haben.

Vor allem prüfen die Kontrolleure akribisch, „ob die Unternehmen ihrer Beitrags- und Meldepflicht zur Sozialversicherung korrekt nachkommen“, erklärt Stefan Braatz von der Deutschen Rentenversicherung Bund. Das Spektrum reicht von den Abgaben zur Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung bis hin zur Künstlersozialabgabe sowie den Unfallversicherungsbeiträgen. Ein solcher Besuch hat es daher in sich.

Damit die Prüfung zügig abgewickelt werden kann, muss der Unternehmer vorab alle relevanten Unterlagen parat haben. „Grundsätzlich erfolgt die Prüfung nach einer telefonischen Ankündigung durch den Rentenversicherungsträger vier bis sechs Wochen im Voraus“, so Braatz. Der Termin wird dann schriftlich bestätigt. „Das Ankündigungsschreiben dient gleichzeitig als Vorbereitungshilfe“, meint Braatz. Es steht genau drin, welche Unterlagen benötigt werden.

So müssen etwa nicht nur die Lohnunterlagen, sondern ebenso Bescheide und Prüfberichte der Finanzbehörden vorliegen. „Durch die enge Anbindung des Beitragsrechts der Sozialversicherung an das Einkommensteuerrecht haben Beanstandungen der Finanzbehörden grundsätzlich Auswirkungen“, so Braatz. Die Behörden arbeiten also mehr oder weniger Hand in Hand.

„Werden 450-Euro-Kräfte beispielsweise falsch abgerechnet und wurde das bei einer Lohnsteuerprüfung festgestellt, wird sich der Sozialversicherungsprüfer auch darauf stürzen“, sagt Ursula Mittelmann, Fachanwältin für Sozialrecht der Kanzlei Plagemann in Frankfurt. Bei den geringfügig Beschäftigten oder jenen, die in der Gleitzone zwischen 450,01 und 850 Euro im Monat beschäftigt sind, kommt es besonders häufig zu Nachzahlungen bei der Betriebsprüfung.
Die renommierte Expertin warnt die Inhaber von Handwerksbetrieben noch vor einem weiteren Problem: „Aufgrund der aktuellen Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes werden im Rahmen der Betriebsprüfung sehr häufig Minderheitsgesellschafter von GmbHs als sozialversicherungspflichtig angesehen. Das kann zu hohen Nachzahlungen führen, zum Teil noch mit Säumniszuschlägen.“ Früher konnte es bei einem Gesellschafter-Geschäftsführer zum Beispiel genügen, dass er der Einzige war, der Branchenkenntnisse hatte oder „Kopf und Seele“ des Betriebes war. Auch Vetorechte konnten als Indiz für eine Selbstständigkeit und damit Beitragsfreiheit gewertet werden. „So wird das heute in der Regel nicht mehr gesehen“, sagt Mittelmann.

Vorsicht, Scheinselbstständigkeit!

Die Rentenversicherung nimmt derzeit auch verstärkt die Verträge mit Subunternehmern ins Visier. „Sie klärt ab, ob die selbstständigen Auftragnehmer auch wirklich selbstständig sind“, weiß Holger Spiegelberg, Rechtsanwalt in Rostock. „In aktuellen Fällen hat die Rentenversicherung Unterstützung durch die Zollämter bekommen. Neben den Nachforderungen leiten sie dann häufig ein strafrechtliches Verfahren wegen Schwarzarbeit ein – eine ernstzunehmende Bedrohung für Unternehmer“, sagt Spiegelberg. Konkret klären die Prüfer dann ab, ob der Subunternehmer gegenüber seinem Auftraggeber weisungsgebunden ist oder zu festgelegten Arbeitszeiten zu erscheinen hat. Relevant für die Prüfer ist zudem, ob die Auftragnehmer in betriebliche Abläufe eingebunden sind. Kann der Subunternehmer Werkzeuge oder Fahrzeuge des Betriebs nutzen, ist das für die Beamten ein Indiz für eine Scheinselbstständigkeit.

Unterm Strich zählt weniger, welche Regelungen der jeweilige Vertrag vorsieht, als „vielmehr die tatsächlichen Verhältnisse im Alltag“, so Spiegelberg. Nur: Die Betriebsprüfungen finden in der Regel am Schreibtisch statt – entweder im Handwerksunternehmen oder auch beim Steuerberater der Firma. Eine Kontrolle vor Ort scheidet somit häufig aus. „Handwerksunternehmen, die mit Subunternehmern zusammenarbeiten, können in Zweifelsfällen für das konkrete, infrage stehende Auftragsverhältnis eine statusrechtliche Klärung bei der Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung Bund beantragen, um Rechtssicherheit zu erlangen“, rät Braatz. So lässt sich Stress zumeist vermeiden.

Gefahrenklassen im Blick haben

Wenn es um die Abgaben zur Berufsgenossenschaft geht, wird das schon schwieriger. Die Prüfer nehmen sich regelmäßig die gemeldeten Daten zur Unfallversicherung vor. Dabei geht es darum, ob die Beiträge korrekt geflossen und die Mitarbeiter etwa der richtigen Gefahrentarifstelle zugeordnet sind. Oder ob Lohnzuschläge berücksichtigt wurden: In der Regel unterliegen alle sozialversicherungspflichtigen Leistungen des Chefs der Unfallversicherung. Diese kennt beispielsweise auch keinen fiktiven Lohn. Das sieht bei den Sozialversicherungsprüfungen sonst anders aus. Beispielsweise sind die Beiträge zur Kranken- und Rentenversicherung abzuführen, wenn die Entgeltfortzahlung etwa im Krankheitsfall nicht ausgezahlt wurde.

Über solche Feinheiten können sich Unternehmer aber bei ihrer Berufsgenossenschaft informieren. Darüber hinaus veröffentlicht die DRV Bund im Rhythmus von drei Monaten Neuerungen in der Online-Zeitschrift Summa Summarum (summa-summarum.eu).

„Ziel ist es, Arbeitgebern den Umgang mit den sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften zu erleichtern und sie bei der Lohnabrechnung sowie im Meldeverfahren zu unterstützen“, so Braatz. Das Heft berichtet über aktuelle Themen des Versicherungs-, Beitrags- und Melderechts. Wer als Firmenchef nicht zum Lesen kommt, sollte die Lektüre an die zuständige Stelle im Betrieb weiterleiten. Denn die Regeln der Sozialversicherung ändern sich. Wer eine Neuerung nicht mitbekommt, greift bei der nächsten Prüfung dann vielleicht tief in die Tasche.

Risiko Künstlersozialabgabe

Besonders aufpassen müssen auch Unternehmer, die häufiger Aufträge an einen selbstständigen Werbegrafiker, Texter oder Fotografen vergeben. Denn sie müssen an die Künstlersozialkasse (KSK) Beiträge abführen – was viele Firmenchefs eben nicht wissen. Die Betriebsprüfer der Rentenversicherung prüfen das mit. Aber auch die Mitarbeiter der Künstlersozialkasse können Firmen ins Visier nehmen.

Wer beispielsweise seine Internetseite von einem Profi gestalten lässt, sollte vorab geklärt haben, ob Künstlersozialabgaben zu leisten sind. Abgabepflichtig sind alle Betriebe, die nicht nur gelegentlich einen solchen Auftrag vergeben. Für die Künstlersozialkasse bedeutet dies, dass die Summe der Entgelte in einem Kalenderjahr maximal 450 Euro beträgt.

Die Höhe der Künstlersozialabgabe wird jährlich festgelegt. Ab 2017 sind es 4,8 Prozent. Umsatzsteuer oder steuerfreie Aufwandsentschädigungen werden herausgerechnet. „Besonders die Position Werbung in der Finanzbuchhaltung kann den Prüfern Anhaltspunkte geben“, sagt Ursula Mittelmann. Der Unternehmer muss beim Sozialversicherungs-Check seine relevanten Rechnungen vorlegen. „Betroffen ist nahezu jedes Unternehmen mit einem Werbebudget“, warnt Mittelmann. So unterliegt die Vergütung selbstständiger Fotografen der Künstlersozialabgabe genauso wie die eines freien Journalisten, der für ein Unternehmen ein Kundenmagazin erstellt oder eine Pressemitteilung formuliert. Die Künstlersozialkasse will auch kassieren, wenn mehrere Jahre hintereinander ein Moderator das Firmenfest eröffnet oder ein Entertainer die Firmenparty begleitet.

Wie viel Fehlerpotenzial hier besteht, zeigt ein Beispiel: Angenommen, die Agentur gestaltet eine große Werbefeier für den Betrieb. In den Geschäftsräumen findet für die Kunden eine spektakuläre Werbeveranstaltung statt. Neben Musikern sind auch Köche engagiert. Dann sollten die Kosten in der Rechnung jeweils separat aufgeschlüsselt sein. Denn ein Koch unterliegt in der Regel nicht der Künstlersozialabgabe, die Musiker allerdings schon.

Wichtig, wenn ein Prominenter ins Spiel kommt: Nach einem Urteil des Bundessozialgerichtes (B 3 KS 1/07) fällt zum Beispiel für einen prominenten Sportler keine Künstlersozialabgabe an. Er kann also am Ende billiger kommen als ein Schauspieler auf der Bühne. Auf der sicheren Seite sind nur Handwerksunternehmer, die ausschließlich Agenturen beauftragen, die als GmbH, KG oder OHG geführt werden. In diesen Fällen muss prinzipiell keine Künstlersozialabgabe gezahlt werden.
Solche Details sollten Unternehmer im Blick haben – um für die nächste Prüfung der Rentenversicherung gewappnet zu sein und auch, um am Ende nicht unnötig viel zu bezahlen.

Ad-hoc-Meldepflicht: Was Sie sofort melden müssen

Einige Branchen, in denen zumindest nach Ansicht der Behörden die Gefahr von Schwarzarbeit besonders groß ist, dürfen bei der Meldung von Mitarbeitern quasi keine Minute verlieren. Betroffen sind Bauunternehmen, Gebäudereiniger sowie Firmen der Fleischwirtschaft.

Alle Mitarbeiter dieser Branchen sind sofort bei Beginn ihrer Beschäftigung anzumelden – innerhalb von wenigen Stunden. Dazu gibt es zwei Wege: Entweder über eine Ausfüllhilfe, die Unternehmen in den Sozialversicherungsportalen sv.net oder itsg.de zur Verfügung gestellt wird. Oder die Daten werden direkt aus den Abrechnungsprogrammen an die Sozialversicherungsträger übermittelt. Durchzugeben sind Familien- und Vorname, Versicherungs- und Betriebsnummer sowie der Tag der ersten Beschäftigung. Die Daten werden dann gespeichert und dem Zoll sowie der Unfallversicherung zur Verfügung gestellt.
Wichtig: Wer als Chef gegen die Regeln verstößt, muss mit bis zu 25.000 Euro Geldstrafe rechnen.