Mitarbeiter noch flexibler einsetzen

Arbeitsrecht Betriebe dürfen Mitarbeiter jetzt leichter befristet einstellen und können so freier planen. Welche Möglichkeiten Firmen darüber hinaus haben, flexible Arbeit zu nutzen.

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    Gutes Betriebklima: Ob befristete oder reguläre Arbeitsverträge, Bäckermeister Roman Wunderlich kann sich auf Mitarbeiter wie etwa seinen Sohn Bäcker Siegfried Wunderlich und Konditorin Nicole Wichmann verlassen.
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    Gutes Betriebklima: Ob befristete oder reguläre Arbeitsverträge, Bäckermeister Roman Wunderlich kann sich auf Mitarbeiter wie etwa seinen Sohn Bäcker Siegfried Wunderlich und Konditorin Nicole Wichmann verlassen.
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    Flexible Arbeitsmodelle werden unterschiedlich genutzt: Bei Frauen sind oft wegen der Familie Teilzeitverträge begehrt. Auf befristete Verträge lassen sich Männer und Frauen fast gleichermaßen oft ein.
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    „Vor dem Fristablauf Mitarbeiter nur mit einer schriftlichen Verlängerung weiterbeschäftigen.“Jürgen Petzold, Hauptgeschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Vogtland, berät Roman Wunderlich.
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    Hilfreiche ZeitarbeitMalermeister Hartmut Gall (li. vorne) aus dem hessischen Hungen fährt gleich eine doppelt flexible Strategie: Gibt es weniger Aufträge bauen seine festen Mitarbeiter Überstunden ab, für Auftragsspitzen engagiert er Zeitarbeiter (in roten Pullis).
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    „Handwerker sollten sich nicht nur bei befristeten Arbeitsverträgen gut beraten lassen.“Jens Köhler, Fachanwalt für Arbeitsrecht im Haus des Handwerks, Köln.
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    Statistisch streiten Betriebe und Mitarbeiter am häufigsten wegen Kündigungen bis hinauf zum Bundesarbeitsgericht in Erfurt.
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    Autor: Harald Klein

Mitarbeiter noch flexibler einsetzen

B äckermeister Roman Wunderlich aus Markneukirchen im Vogtland stellte sechs Verkäuferinnen und einen Kraftfahrer für sechs Monate befristet ein. 95 Mitarbeiter waren zu diesem Zeitpunkt schon fest bei ihm beschäftigt und trugen zum Jahresumsatz von 4,2 Millionen Euro bei. „Um diesen noch weiter zu steigern, habe ich unser Filialnetz um zwei Verkaufsstellen auf 16 erweitert. Ich wollte aber erst einmal abwarten, ob auch genügend Kunden kommen“, begründet der Unternehmer seine Vorsicht. Jürgen Petzold, Hauptgeschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Vogtland beriet ihn arbeitsrechtlich, „denn bei befristeten Verträgen müssen Beriebe alle Feinheiten genau beachten“, sagt Petzold.

Bewegung am Arbeitsmarkt

Wie Roman Wunderlich, so nähern sich zunehmend mehr Handwerksunternehmer befristeten Verträgen und anderen Instrumenten des flexib-len Personaleinsatzes. „Sie haben den deutschen Arbeitsmarkt in Bewegung gebracht“, freut sich Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen im Interview mit handwerk magazin (Seite 16).

Zu noch mehr Bewegung hat jetzt das Bundesarbeitsgericht (BAG) beigetragen. Die Richter in Erfurt kippten das bisherige Vorbeschäftigungsverbot bei befristeten Verträgen: Wer früher in der Firma engagiert war, durfte nicht mehr ohne einen sogenannten Sachgrund, wie etwa Krankheitsvertretung, eingestellt werden. Unternehmer, die das übersahen, hatten ungewollt einen Mitarbeiter unbefristet eingestellt. Doch mit seinem Urteil 7 AzR 716/09 sieht das BAG frühere Beschäftigungen nicht mehr als Hindernisgrund für befristete Verträge, wenn sie mindestens drei Jahre zurückliegen. „Diese Entscheidung ist im positiven Sinne überraschend und überzeugt“, begrüßt Jobst-Hubertus Bauer, Rechtsanwalt der Kanzlei Gleiss, Lutz in Stuttgart und Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht im Deutschen Anwaltverein, die Grundsatzentscheidung.

Befristeter Vertrag jetzt interessanter

Der befristete Arbeitsvertrag ist damit zum wesentlich interessanteren Instrument flexibler Beschäftigung geworden: Ob Ausbau des Angebots, großer Auftrag oder einfach nur längerer Test eines neuen Mitarbeiters - in all diesen Fällen können Betriebe auf bis zu zwei Jahre befristete Verträge abschließen. Richtig eingefädelt, läuft dann das Arbeitsverhältnis nach Ablauf des Termins einfach aus. Keine Kündigung, keine Abfindung, kein Prozess. „Dennoch nutzen einige Handwerksunternehmer dieses Instrument noch nicht, weil sie es nicht richtig kennen“, weiß Jens Köhler, Fachanwalt für Arbeitsrecht im Kölner Haus des Handwerks und Arbeitsrechtsexperte im Onlineforum von handwerk-magazin.de. „Doch wenn Unternehmer befristete Verträge einsetzen wollen, sichern sie sich mit Hilfe eines versierten Rechtsanwalts und eines wasserdichten Vertragstextes gut ab.“

Allerdings bleibt der befristete Arbeitsvertrag für den Betrieb nur dann flexibel, wenn er nicht wegen anderer Formfehler ungewollt zum regulären Vertrag wird. Roman Wunderlich stand beim Auslaufen der ersten Frist und der Verlängerung der Verträge kurz vor einer der tückischen Fallen: Wie der erste Arbeitsvertrag muss auch die Verlängerung schriftlich erfolgen. Eine mündliche Vereinbarung genügt nicht, auch nicht, wenn der schriftliche Vertrag nachgereicht wird. Von einem Kollegen aus der Fleischerbranche wusste Wunderlich, dass er 21000 Euro hatte zahlen müssen, weil er Verlängerungen um drei Monate nur mündlich angekündigt hatte. Der Fleischermeister hatte damit neue, regulär beschäftigte Mitarbeiter im Betrieb, die auf Kündigungsfristen und Lohnnachzahlung bestanden. Jürgen Petzold nennt eine ähnliche Falle, in die Arbeitgeber nicht selten hineintappen: „Sie lassen die Mitarbeiter nach Ablauf der ersten Befristung einfach weiter arbeiten und übergeben ihnen erst später den schriftlichen Vertrag mit der Verlängerung. Die Folge auch hier: Die Mitarbeiter bekommen, vom Betrieb ungewollt, einen unbefristeten Vertrag, von dem sich der Chef oft nur gegen eine Abfindung lösen kann“, warnt er. Sein Rat daher: „Schon vor Ablauf der ersten Befristung den nächsten Vertrag schriftlich abschließen“ (siehe Checkliste Seite 12).

Zeitarbeitskräfte einsetzen

Ein weiteres Instrument flexibler Beschäftigung als Alternative zu regulären Arbeitsverträgen ist der Einsatz von Zeitarbeitskräften. „Die Betriebe sollten mehr auf Zeitarbeit setzen“, rät Walter Heitmüller, Präsident der Handwerkskammer Hannover. Gemeinsam mit der Volkswagen-Tochter Autovision bemüht sich die Kammer, ihren Betrieben schnell passgenaue Mitarbeiter zu vermitteln - vermehrt auch Zeitarbeiter.

Die Vorteile: Arbeitgeber ist die Zeitarbeitsfirma. Der Entleihbetrieb muss sich weder um den Arbeitsvertrag noch um Kündigungsfristen kümmern. Auch die mögliche ungleiche Bezahlung der eigenen Mitarbeiter im Vergleich zu den Zeitarbeitern ist grundsätzlich nicht das Problem des Entleihbetriebes. Die Zeitarbeitsfirma muss die Tarifverträge beachten.

Gerade für den Fall von kurzfristigen Arbeitsspitzen, engen Terminen sowie urlaubs- oder krankheitsbedingten Ausfällen beschäftigt Hartmut Gall aus Hungen-Langd, in seinem Betrieb mit 500000 Euro Jahresumsatz Zeitarbeiter: „Ich habe eine Stammbesetzung mit sieben Personen samt Lehrlingen, die ich durch Jahresarbeitszeitkonten sehr flexibel einsetzen kann. Zusätzlich brauche ich aber auch die Zeitarbeiter“, so der Obermeister der Maler-Innung Gießen. Im ländlichen Bereich, so sein Eindruck, gebe es deutlich größere Auftragsschwankungen als in den Ballungszentren: „Wenn wenig zu tun ist, können unsere Mitarbeiter ihre Überstunden abbauen. Wenn besonders viel los ist, arbeite ich problemlos mit Zeitarbeitsfirmen. „Manche Zeitarbeiter sind schon seit Jahren bei uns. Das hat sich bewährt“ (siehe auch Checkliste zu den Vorteilen für Mitarbeiter auf Seite 13).

Richtig kündigen

Zum flexiblen Arbeitsrecht gehört schließlich auch, dass sich Betriebe ohne allzu großen Aufwand von Mitarbeitern trennen können. Brechen die Auftragseingänge ein, will oder muss der Betrieb rationalisieren, dann hilft die betriebsbedingte Kündigung. Sie ist beim Arbeitsgericht leichter durchsetzbar als eine verhaltensbedingte Entlassung, etwa wegen Krankfeierns, schlechter Leistung, oder chronischem Zuspätkommen (siehe Checkliste Kündigung rechts).

Auch bei älteren Mitarbeitern sollten Betriebe darauf achten, flexibel zu bleiben: „Der Irrtum, dass sie bei Erreichen der Regelaltersgrenze automatisch ausscheiden, ist weit verbreitet“, warnt Johannes Delheid, Rechtsanwalt aus Aachen. Das sei nur dann richtig, wenn die Befristung im Arbeitsvertrag steht. Andernfalls kann der Mitarbeiter die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ablehnen und eine Abfindung verlangen. Konsequenz: rechtzeitig, form- und fristgerecht, etwa zum 65. Geburtstag kündigen.

Ob befristeter Vertrag, Zeitarbeit oder geschickte Kündigung - clevere Unternehmer kennen ihre Rechte, überspannen aber angesichts des zunehmenden Fachkräftemangels den Bogen nicht. „Gerade Betriebe im Handwerk müssen ein vitales Interesse daran haben, gute Arbeitsbedingungen zu bieten und die besten Leute an sich zu binden“, meint Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen im Interview mit handwerk magazin. Und Praktiker Bäckermeister Roman Wunderlich in Markneukirchen, weiterhin auf Expansionskurs für sein Unternehmen, ergänzt: „Wir beschäftigen gerne befristete Mitarbeiter, auch wenn ich weiß, dass sich besonders gute Kräfte eher auf reguläre Arbeitsstellen bewerben.“

harald.klein@handwerk-magazin.de

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Die häufigsten Fehler der Betriebe im Arbeitsrecht nennen 30 Kreishandwerkerschaften. Zudem gibt es hier den Mustertext zum befristeten Arbeitsvertrag:
handwerk-magazin.de/ arbeitsrecht

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