Mehr Freiheit für Gründer

Arbeitsagentur | Wer bisher arbeitslos gemeldet war und sich mit Zuschuss selbständig machen will, hat nach einem Urteil des Bundessozialgerichts dafür jetzt mehr Zeit. Worauf es im Detail ankommt.

Mehr Freiheit für Gründer

Seyfi Kücükakyüz hat seinen Kampf um Gerechtigkeit gleich gegen vier Kontrahenten gewonnen: das Gesetz, die Arbeitsagentur, das Sozialgericht Mannheim und das Landessozialgericht Baden-Württemberg in Stuttgart. „Erst vor dem Bundessozialgericht in Kassel bekam ich Recht“, freut sich der 1964 in der Türkei geborene Handwerker. Abweichend vom wörtlichen Text im Sozialgesetzbuch bestätigten die Richter, dass ein Gründer auch dann den Zuschuss der Arbeitsagentur bekommen kann, wenn er kein Arbeitslosengeld mehr bezieht. Für die oberste Instanz im Sozialversicherungsrecht genügt es, wenn zwischen der Abmeldung als Arbeitssuchender und dem Beginn der Selbständigkeit nicht mehr als etwa ein Monat Zeit verstrichen ist (Az. B 11 AL 11/09 R).

Was Seyfi Kücükakyüz durchgezogen hat, nutzt allen Gründern, die bisher arbeitslos gemeldet waren und sich selbständig machen wollen. Neben einer guten Geschäftsidee, dem Rat von Experten und einem Businessplan hilft der Zuschuss jetzt noch mehr Gründern beim Sprung vom Arbeitnehmer zum Unternehmer.

Trend konjunkturabhängig

Über 137000 Gründer registrierte die Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg zuletzt und investierte über 1,5 Milliarden Euro in ihren betrieblichen Start. „Der Trend ist dabei stark konjunkturabhängig“, weiß Ilona Mirtschin von der Bundesagentur. „In schlechten Zeiten nutzen viele die Chance der Selbständigkeit, wagen den Sprung ins kalte Wasser, in guten Zeiten suchen sie sich lieber wieder einen festen Arbeitsplatz.“

Für Seyfi Kücükakyüz stand der Gründergedanke schnell fest. Zusammen mit einem früheren Arbeitskollegen firmierte er zur RöKü GbR, die mit zwei Beschäftigten vor allem für Hausverwaltungen Dächer deckt und repariert. Auf die Idee kamen die beiden, nachdem ihr früherer Chef keinen Nachfolger gefunden und den Betrieb kurzerhand stillgelegt hatte. Auf Rat der Arbeitsagentur in Mannheim meldete er sich nur einen Tag lang arbeitslos, dann wieder ab, um aus der laufenden Stellenvermittlung herauszukommen, und beantragte dann den Gründungszuschuss. Bis alle Papiere einschließlich Businessplan und Gewerbeanmeldung zusammen waren, verstrichen zehn Tage. Die Arbeitsagentur verweigerte den Gründungszuschuss, weil er nicht mehr arbeitslos gemeldet war.

Handwerkskammer hilft

„Das Bundessozialgericht hat eine lebensgerechte Lösung gefunden“, lobt Vigor Fröhmcke, gelernter Werkzeugmacher und Rechtsanwalt im badischen Mülheim die Übergangsfrist. Er hat Seyfi Kücükakyüz vertreten und erfolgreich mit Sinn und Zweck des Gesetzes argumentiert. „Schon danach genügt ein zeitlicher Zusammenhang zwischen Arbeitslosmeldung und Antrag auf Gründungszuschuss“, so Fröhmcke, „die Arbeitsagentur wollte den aber bis zum Urteil aus Kassel nicht sehen.“ Schützenhilfe hatte der Experte von einer Juristin aus der Familie Kücükakyüzs bekommen, die ihn bereits vor dem Sozial- und dem Landessozialgericht vertreten hatte.

Weiter unterstützt werden Gründer durch Betriebsberater wie etwa Kay Schlüter von der Handwerkskammer Südwestfalen in Arnsberg. Mit Jörg Schuhmacher, Teamleiter des gemeinsamen Arbeitgeberservice der Arbeitsagentur Iserlohn und der ARGE Märkischer Kreis, vermittelt er den künftigen Selbständigen zunächst eine zweieinhalbstündige Orientierungsveranstaltung. Anschließend bietet die Handwerkskammer ein fünfstündiges Gründerseminar an. „Dort erfahren die künftigen Unternehmer alle wichtigen Punkte, mit denen sie ihren Start optimal vorbereiten können“, so Schlüter. Zum Komplettpaket zählt der Berater auch den gemeinsam erstellten Businessplan, Finanzierungstipps zum Umgang mit der Hausbank samt Hinweisen auf Förderprogramme der NRW-Bank, der KfW und zur Meistergründungsprämie des Landes von 7500 Euro. Diese Hilfe ist für Gründer kostenlos.

Auch Kraftfahrzeugtechnikermeister Frank Schmidt in Lüdenscheid hat von dieser Hilfe profitiert und musste sich gegen die Arbeitsagentur durchsetzen. „Die Sachbearbeiterin dort wollte mir die Gründung ausreden – ich solle mich auf feste Stellen bewerben, die Selbständigkeit bringe doch nichts“, erinnert sich Schmidt.

„Ich habe mich dann einfach nicht mehr beworben, den Gründungszuschuss beantragt und bekommen“, freut er sich. „Eigentlich sollte die Arbeitsagentur froh sein. Ich bin raus aus der Statistik und schaffe bald zwei, drei Stellen.“ Klingt praktisch – vielleicht zu praktisch für manchen Sachbearbeiter in der Behörde.

harald.klein@handwerk-magazin.de