Mehr als nur Grillwürste

Firmenjubiläum | Seit 150 Jahren ist Stuckateur Ebinger für seine Kunden da – ein Grund zum Feiern und Spaß haben. Doch ein Firmengeburtstag ist auch ideal zur Kundenpflege und Neukundengewinnung.

Mehr als nur Grillwürste

Mit Bibel und Gesangbuch kam Jakob Ebinger vor 150 Jahren von Kirchentellinsfurt ins benachbarte Pfullingen. Eigentlich war er nur auf der Durchreise, doch dann schwängerte er die Tochter des örtlichen Weinkönigs: „Da musste er bleiben und für seine Familie eine Existenz aufbauen“, erzählt Sandra Ebinger. Ihr Vorfahre Jakob entschied sich für das Stuckateurhandwerk, errichtete ein Haus und gründete am gleichen Standort eine Gipserei. Die nächsten 150 Jahre, so Sandra Ebinger, fand sich für den Betrieb immer ein männlicher Nachfolger, seit 1998 leitet ihr Mann Stephan die Geschäfte. Da eine solche Historie selbst im traditionsbewussten Handwerk nicht oft vorkommt, haben die Ebingers ihr Jubiläum Anfang Juni mit Kunden, Freunden und Geschäftspartnern gebührend gefeiert.

„Gerade in den letzten Jahren nutzen Unternehmen verstärkt ihre Jubiläen, um sich von der Konkurrenz abzuheben“, weiß Ute Harland, Expertin für Geschichtsmarketing im hessischen Lichtenberg (siehe Interview Seite 33). Nach ihrer Einschätzung hat nicht zuletzt der rasante Zusammenbruch vieler hochgelobter Firmen der New Economy dafür gesorgt, dass Werte wie Tradition und Verlässlichkeit im Wirtschaftsleben an Bedeutung gewinnen. „Die Kunden“, so Harland, „haben gesehen, dass es gar nicht so leicht ist, ein Unternehmen mehrere Jahrzehnte am Markt zu halten.“ Insofern gäbe es einen Trend, die Firmengeschichte gezielt zu vermarkten.

Dass dies für Handwerksbetriebe und Konzerne gleichermaßen gilt, zeigt die Imagekampagne von Mercedes Benz. Darin weckt die Putzfrau morgens den nach langer Arbeit am Schreibtisch eingeschlafenen Gottlieb Daimler mit den rührenden Worten: „Herr Daimler, sie schaffen zu viel.“ Er erhebt sich seufzend und beteuert: „Ich will nur das Beste für die Kunden – oder nichts.“

Positive Emotionen auslösen

Wer als Unternehmer mit seiner Tradition punkten will, muss jedoch keinesfalls einen aufwändigen TV-Spot initiieren. Sondern es genügt, vorhandene Anlässe wie etwa ein Firmenjubiläum gekonnt zur Kundenpflege und Neukundengewinnung zu nutzen. „Ziel ist es, bei den Teilnehmern Emotionen auszulösen, die dann positiv mit dem Unternehmen verbunden werden und bleiben“, erklärt Ines Wissel, Marketingberaterin bei der „Landesgewerbeförderungsstelle des NRW-Handwerks“ (LGH) in Düsseldorf. Damit das gelingt, rät sie bei jeder Feier zu einem einprägsamen Motto, das sich als Leitfaden durch alle Aktivitäten (Vorschläge siehe Seite 33) zieht.

Sandra und Stephan Ebinger haben ihr 150-jähriges Jubiläum am Firmenleitbild „Qualität schafft Vertrauen“ ausgerichtet. So wurde die Leistung des Familienbetriebs nicht nur von den Festrednern aus Handwerk, Politik und Fachverband gewürdigt, sondern zur Untermauerung des Images als Qualitätsanbieter gab es Fachvorträge zu Schimmel, Feng-Shui sowie dem Baustoff Lehm. Um die Interessen ihrer Zielgruppe 50plus zu treffen, hat Sandra Ebinger die Referenten entsprechend gebrieft: „Besonders wichtig war mir das bei dem Feng-Shui-Thema, das sollte für unser bodenständiges Publikum praxisorientiert aufbereitet sein.“ Der Einsatz, so die Raumausstatterin, hat sich gelohnt. Fast 90 Minuten lauschten die Gäste dem Vortrag und diskutierten anschließend über die chinesische Lehre, die für ein harmonisches Miteinander des Menschen und seines Lebensraums steht.

Nutzen für die Gäste bieten

„Der Besucher muss einen Mehrwert haben und etwas mitnehmen, wovon er profitieren kann“, bestätigt Dominik Deubner, Geschäftsführer der Agentur Domset. Entscheidend für eine gelungene Feier ist nach Erfahrung des Experten für Life-Kommunikation denn auch nicht das Budget, sondern eine schlüssige Zielsetzung. Soll das Jubiläum vorrangig der Kundenpflege und –gewinnung dienen? Oder geht es vor allem darum, das Betriebsklima zu stärken? Natürlich, so Deubner, lassen sich auch beide Ziele kombinieren, allerdings sei bei der Umsetzung Fingerspitzengefühl gefragt: „Kaviar für die Kunden und Würstchen für die Mitarbeiter – diese Unterschiede in der Wertigkeit sind nicht gerade motivierend.“

Dass es durchaus gelingen kann, verschiedene Zielgruppen im Rahmen eines Jubiläumswochenendes mit unterschiedlichen Programmpunkten anzusprechen, zeigt das Beispiel von Sturm Heizung und Sanitär in Sulz (Schwarzwald). In nur zehn Jahren hat es Ulfried Sturm geschafft, einen erfolgreichen Betrieb mit 34 Mitarbeitern aufzubauen. Natürlich ein perfekter Anlass, sich bei Kunden, Mitarbeitern und Geschäftspartnern zu bedanken, gleichzeitig aber auch neue Kunden in der Region auf sich aufmerksam zu machen. „Ziel der Veranstaltung war ganz klar auch die Neukundengewinnung“, erklärt Ulfried Sturm.

Um möglichst viele potenzielle Neukunden anzusprechen, hat er in Zusammenarbeit mit einer Agentur eine Firmenzeitschrift herausgegeben. Diese wurde in einer Auflage von 50000 Stück der Regionalpresse beigelegt und enthielt ebenfalls eine Einladung zum „Tag der offenen Tür“. Zu diesem Ereignis mit zahlreichen Attraktionen lud Sturm auch seine bestehenden Kunden und Geschäftspartner ein, für die besonders treuen und umsatzstarken Stammkunden gab es am Vorabend zudem einen Exklusivvortrag: „Ich wollte meinen Gästen ein Thema bieten, das alle interessiert und von dem sie auch persönlich profitieren können“, erklärt Sturm die Zielsetzung.

Schwester Teresa für Stammkunden

Entschieden hat er sich für Schwester Teresa, die vor den 240 geladenen Gästen unterhaltsam und stimmungsvoll zum „Befreienden Umgang mit Fehlern“ referierte. „Wir haben uns vorher getroffen und beschnuppert, das hat sofort gepasst“, erinnert sich Sturm an die erste Begegnung mit der prominenten Geistlichen. Was dann folgte, war Routine: Zielgruppe und Interessen der Zuhörer abstimmen, Termin und Ablauf klären sowie das Honorar aushandeln. 2500 Euro bekam die Schwester für ihren mitreißenden Vortrag. Ulfried Sturm fand das in Ordnung, schließlich ist das Jubiläum für ihn eine Investition in die Zukunft. Erste Anzeichen, dass sein Konzept funktioniert, gab es gleich nach der Feier: „Wir haben aus den zwei Tagen so viele Anfragen, dass wir kaum mit dem Abarbeiten nachkommen.“

Bei Sandra und Stephan Ebinger in Pfullingen fing der Angebotsstress sogar schon vor der eigentlichen Feier an: „Durch die Sonderveröffentlichung in der örtlichen Presse sind viele Kunden vorab in die Ausstellung gekommen, um sich zu informieren“, erinnert sich Sandra Ebinger. So konnte sie zwar nicht – wie geplant – in aller Ruhe die Ausstellungsräume herrichten, doch die positive Resonanz der Gäste habe den persönlichen Einsatz und das Budget von rund 10000 Euro mehr als gerechtfertigt: „Das Wochenende hat uns gezeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind“, freut sich Sandra Ebinger. Schließlich soll ihr neunjähriger Sohn Marc Simon später einmal etwas mehr Startkapitel haben als nur eine Bibel und ein Gesangbuch.

kerstin.meier@handwerk-magazin.de