Interview Markus Hollfelder: „Nie das gleiche Passwort“

Markus Hollfelder, Rechtsanwalt, Europajurist und Fachanwalt für IT-Recht bei der Kanzlei Behrmann Roensch in Bamberg, über die rechtlichen Hintergründe beim digitalen Vererben.

Rechtsanwalt Markus Hollfelder
Rechtsanwalt Markus Hollfelder empfiehlt seinen Mandanten, unmissverständliche Regelungen festzulegen. - © Foto-Kohler oHG
handwerk magazin: Wer erbt den digitalen Nachlass?

Markus Hollfelder: Ohne letztwillige Verfügung wie Testament, Erbvertrag oder gemeinschaftliches Testament erben die gesetzlichen Erben, also die mit dem Erblasser am nächsten Verwandten. Diese treten nach der „Universalsukzession“ in alle Rechte und Pflichten des Erblassers ein. Diese allgemeinen Grundsätze des Erbrechts gelten quasi eins zu eins auch für das digitale Erbe, was der Bundesgerichtshof im berühmten Facebook-Urteil bekräftigte, das BGH-Urteil vom 12.07.2018, Az.: III ZR 183/17. Infolgedessen haben die Erben einen Anspruch gegen die Anbieter auf uneingeschränkten Zugang zum Account einschließlich der darin vorgehaltenen Kommunikationsinhalte.

Was sollte man als Handwerksunternehmen rechtzeitig regeln?

Am einfachsten ist es, wenn der Unternehmer per Testament den Erben seines kaufmännischen Betriebs auch den digitalen Nachlass zukommen lässt – wie die Homepage des Unternehmens mit entsprechenden Zugängen. Regelmäßig wird der Unternehmer ohnehin eine abgespeicherte oder schriftlich notierte Übersicht zu den bestehenden Online-Konten und -Diensten haben, deren Speicher- oder Aufbewahrungsort dem Erben zu Lebzeiten oder im Testament mitgeteilt werden könnte.

Wie sollte man mit Passwörtern verfahren?

Aus Sicherheitsgründen sollte grundsätzlich nie das gleiche Passwort für verschiedene Dienste verwendet werden – ich empfehle ein Verschlüsselungssystem für die Passwörter, das dem Erben entweder bereits zu Lebzeiten oder per Testament mitgeteilt oder im Safe aufbewahrt werden kann, zu dem dann der Erbe oder Testamentsvollstrecker Zugriff hat.

Kann man auch eine Stilllegung einzelner Online-Verträge und -Accounts post mortem festlegen?

Per Testament können den Erben Auflagen (§§ 2192 ff. BGB) auferlegt werden, etwa die Verpflichtung zur Stilllegung bestimmter Online-Kanäle, -Dienste und -Accounts. Es besteht allerdings die Gefahr, dass sich die Erben darüber hinwegsetzen, was durch Einsatz eines Testamentsvollstreckers verhindert werden kann, der mit der Vollziehung der Auflagen betraut wird.

Gibt es Unterschiede zwischen privatem und gewerblichem Nachlass?

Während die Nichtregelung des digitalen Nachlasses im privaten Bereich grundsätzlich keinen großen Schaden anrichten kann, sieht dies im gewerblichen Bereich anders aus. Ein Verstorbener darf etwa nicht über einen längeren Zeitraum als Inhaber einer gewerblichen Homepage geführt werden. Spätestens nach sechs Wochen ist das Impressum zu korrigieren, damit die Erben nicht der Gefahr einer kostenpflichtigen Abmahnung ausgesetzt sind.

Welche Formalitäten gilt es zu beachten?

Um unnötige Auslegungsschwierigkeiten zu vermeiden, sollten private und gewerbliche Angelegenheiten in nur einem Testament umfassend und unmissverständlich geregelt werden. Der Hauptbestandteil der Regelung des digitalen Nachlasses kann und sollte ein Testament sein. Die meisten anderweitig getroffenen Vereinbarungen, zum Beispiel schriftlich niedergelegte Wünsche, sind nicht rechtssicher, da diese die Erben nicht rechtlich binden und daher möglicherweise nach dem Tod nicht wunschgemäß umgesetzt werden. Eine Ausnahme bilden aber gegebenenfalls Regelungen im Gesellschaftsvertrag des Unternehmens, weshalb ein Testament unbedingt auf die bestehenden Gesellschaftsverträge abgestimmt werden muss. Wird der digitale Nachlass testamentarisch geregelt, so sind die allgemeinen Wirksamkeitsvoraussetzungen für ein Testament zu beachten, insbesondere beim privatschriftlichen Testament, dass dieses eigenhändig geschrieben und unterschrieben sein muss. Es empfiehlt sich, einen Rechtsanwalt bei der Erstellung eines Testaments zu Rate zu ziehen oder andernfalls ein notarielles Testament zu erstellen.

Vielen Dank für das Gespräch!