Kommunalabgaben: Hütchenspieler in den Gemeindeparlamenten

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Kommunale Abgaben

Immer mehr Bundesländer wollen ihren Gemeinden erlauben, eine kommunale Tourismusabgabe zu erheben. Die sollen nicht nur Hotels, sondern auch Handwerksbetriebe zahlen. Der Ärger ist groß.

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    Neues Spiel, neues Glück: Die Kommunen tricksen Handwerker bei neuen Abgaben aus.
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    „Die Tourismusabgabe ist ungerecht, weil sie zu Wettbewerbsverzerrungen führt.“ Frank Ahlborn, ­Diplom-Volkswirt bei der Handwerkskammer Braunschweig-Lüneburg- Stade.

Not macht erfinderisch. Weil viele Gemeinden weit über ihre Verhältnisse leben, schrauben sie kräftig an den Gewerbe- und Grundsteuern, verlangen Bettensteuern, Spielgerätesteuern, Hundesteuern oder Zweitwohnungssteuern. Das Recht dazu nehmen sie sich aus der Verfassung. Und Artikel 106 Absatz 6 des Grundgesetzes gewährt ihnen sogar ein eigenes Steuererfindungsrecht, vorausgesetzt, die Bundesländer schaffen in den Kommunalabgabegesetzen den rechtlichen Rahmen für die gemeindlichen Abgabesatzungen.

Vierstellige Mehrbelastungen

Derzeit motzen die Gemeinden eine unter der altmodischen Bezeichnung Fremdenverkehrsabgabe bekannte Steuer mächtig auf, die sie jetzt Tourismusabgabe nennen. Nach der überwiegenden Zahl der kommunalen Abgabegesetze sind bisher zwar nur solche Gemeinden zur Erhebung einer Tourismusabgabe berechtigt, die als Kur- und Erholungsorte staatlich anerkannt sind. Doch immer mehr Bundesländer wollen den Gemeinden die Erlaubnis zur Steuererhebung auch dann erteilen, wenn die Kommune nur touristisch geprägt ist oder dort besondere Freizeiteinrichtungen oder Sehenswürdigkeiten stehen.

Aus Sicht der kleinen und mittleren Handwerksbetriebe hat diese Entwicklung allerdings einen entscheidenden Haken: „Nicht nur für Beherbergungsbetriebe, Gaststätten und Einzelhandelsgeschäfte wird ein Vorteil durch den Tourismus vermutet, sondern ebenso für nahezu sämtliche ortsansässigen Handwerksbetriebe. Von Fremdenverkehrsbeiträgen betroffen sind Bäckereien, Fleischereien und Friseure – aber auch zum Beispiel Kfz- und Baubetriebe“, zählt Diplom-Volkswirt Frank Ahlborn auf. Der Leiter Stabsabteilung Wirtschaftspolitik und Regionalmanagement der Handwerkskammer Braunschweig-Lüneburg-Stade sieht auf die Unternehmen aus der Erhebung von Fremdenverkehrsbeiträgen jährliche finanzielle Mehrbelastungen in bis zu vierstelliger Höhe zukommen, die zusätzlichen Bürokratiebelastungen und Meldepflichten nicht eingerechnet.

Niedersachsen kurz vor Einführung

Noch sind in der überwiegenden Anzahl der Bundesländer nur Gemeinden und Gemeindeteile, die als Kur- und Erholungsorte staatlich anerkannt sind, zur Erhebung einer Tourismusabgabe bzw. Fremdenverkehrsabgabe berechtigt. In Bayern, Nordrhein-Westfalen, Sachsen-Anhalt und Thüringen ist der Kreis der erhebungsberechtigten Gemeinden erweitert auf Gemeinden, in denen die Zahl der Fremdenübernachtungen im Jahr in der Regel das Siebenfache der Einwohnerzahl übersteigt. Das sächsische, baden-württembergische, brandenburgische und seit 2014 auch das schleswig-holsteinische Kommunalabgabengesetz eröffnet die Möglichkeit der Erhebung einer Tourismusabgabe auch in sonstigen Tourismus- bzw. Fremdenverkehrsgemeinden. Als nächstes Bundesland könnte Niedersachsen die erleichterte Tourismusabgabe einführen.

Ein entsprechender Gesetzentwurf macht derzeit bei den Verbänden die Runde, die bis zum 11. Dezember Stellung nehmen sollen. „Sofern tatsächlich wirtschaftliche Vorteile durch den Tourismus für ortsansässige Unternehmen entstehen sollten, wird sich das bereits in einem höheren Gewerbeertrag und damit höheren Gewerbesteuerzahlungen widerspiegeln. Ein zusätzlich erhobener Fremdenverkehrsbeitrag wirkt im Ergebnis wie eine zweite Gewerbesteuer auf die Handwerksbetriebe“, kritisiert Frank Ahlborn das Gesetzesvorhaben. Über die Festlegung der Gewerbesteuer-Hebesätze hätten die Gemeinden bereits eine wirkungsvolle Stellschraube, um die Wirtschaft an der Finanzierung kommunaler Leistungen angemessen zu beteiligen. „Wir sehen daher weder Grund noch Bedarf, weitere Abgaben in Form von Fremdenverkehrsbeiträgen einzuführen und damit die kleinen und mittleren Unternehmen mehrfach zu belasten.“

Gegen die Tourismusabgabe spricht auch, dass sich die Gemeinden und Länderparlamente schon morgen andere Branchen herauspicken könnten, die sie besonders fördern wollen und von denen Betriebe in einer bestimmten Region profitieren. Das könnte zum Beispiel eine Kfz-Abgabe sein. Denn sicher partizipieren branchenfremde Betriebe davon, wenn ein großer Autohersteller für Arbeitsplätze und damit Kaufkraft sorgt. „Derartige Abgaben führen zu einer Wettbewerbsverzerrung, die ausschließlich die Unternehmen vor Ort trifft. Amazon muss dagegen nicht zahlen“, moniert Ahlborn.

In Schleswig-Holstein erarbeitet gerade die Bürgerschaft der Hansestadt Lübeck eine Tourismusabgabesatzung. „Wir haben die Abgabe im Vorfeld für die Handwerksberufe kategorisch abgelehnt und sehen auch bei der konkreten Umsetzung und Berechnung rechtliche Bedenken“, sagt Pressesprecher Ulf Grünke von der Handwerkskammer Lübeck. Es bestehe die Gefahr einer undifferenzierten Erhebung, wenn auch solche Firmen abgabepflichtig würden, die nur mittelbar vom Tourismus leben. Fallen darunter auch Bestatter? Wohl kaum. Denn Touristen kommen sicher nicht nach Lübeck, um sich dort beerdigen zu lassen. Das Beispiel zeigt: Der Teufel steckt hier im Detail.