Komfortabel älter werden

Senioren | Die Generation „50 plus“ ist agil und hat Geld. Handwerker stellen sich mit seniorenfreundlichem Service zunehmend auf diesen Markt ein.

Komfortabel älter werden

Heinz Fleißner ist ein flotter 60-Jähriger. Graue Haare, flottes T-Shirt, wache Augen und engagiert in einer Vielzahl von Organisationen. Der Augsburger führt zusammen mit seiner Frau und zwölf Mitarbeitern eine Elektroinstallationsfirma in Augsburg und denkt gar nicht daran, damit aufzuhören. „Ich arbeite, bis ich keine Lust mehr habe“, verkündet der umtriebige Elektrotechnikermeister und gehört damit zu einer ständig größer werdenden Gruppe rüstiger „Silver-Ager“. Die hat Fleißner zusammen mit sieben anderen örtlichen Handwerksmeistern vor zwei Jahren als neue Zielgruppe entdeckt: Im Rahmen der Kooperation „rufdenprofi“ hat er sich durch den Bundesverband der Leistungsgemeinschaften im Bau-/Handwerk e.V. als „Seniorenfreundlich plus“ zertifizieren lassen. Die Elektriker, Sanitärhandwerker, Maler und Dachdecker wollen damit speziell den älteren Auftraggebern durch kompetente und leicht verständliche Beratung ihre Dienste anbieten.

Denn die Generation „50 plus“ ist agil und lebensfroh, denkt nicht ans Altersheim und sie hat Geld. Das hat auch Bundesministerin Ursula von der Leyen unlängst festgestellt: „Die ältere Generation verfügt über eine enorme Nachfragekraft. Jeder dritte Euro, der heute in Deutschland privat ausgegeben wird, stammt aus dem Portemonnaie eines Menschen über 60 Jahre.“ Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hat deshalb im Frühjahr 2008 die Initiative „Wirtschaftsfaktor Alter“ gestartet. Sie will Impulse geben für die Entwicklung seniorengerechter Produkte und Dienstleistungen und die damit befassten Unternehmen vernetzen. Aber auch den älteren Bürgern sollen entsprechende Informationen an die Hand gegeben werden, damit sie dieses Angebot nutzen können.

Der Markt ist enorm und er wächst beständig: Laut Statistik leben in Deutschland rund 20 Millionen Menschen, die 60 oder älter sind. Im Jahr 2035, so das Ministerium, wird Deutschland eine der ältesten Bevölkerungen der Welt haben. Knapp die Hälfte der Menschen wird dann 50 Jahre und älter, jeder dritte Mensch älter als 60 sein.

Doch die Senioren denken heutzutage gar nicht daran, zum alten Eisen zu gehören: Das Nürnberger Marktforschungsunternehmen GfK hat bei einer aktuellen Befragung von 11000 Senioren herausgefunden, dass sich drei Viertel von ihnen fast zehn Jahre jünger fühlen als sie tatsächlich sind. Mehr als die Hälfte bezeichnete den eigenen Gesundheitszustand als gut, zwölf Prozent sogar als sehr gut. Zu den häufigsten Beschäftigungen der Älteren gehören nach dieser Befragung Einkäufe, Ausflüge, der Besuch von Freunden und Verwandten oder der Gang zum Arzt.

Hohe Kaufkraft

Auch hier das Fazit: Die „Generation Silber“ verfüge in Deutschland über eine hohe Kaufkraft und werde als Zielgruppe für die Wirtschaft immer interessanter, so die Marktforscher: Ein Drittel der befragten Senioren hat keine monatlichen Belastungen wie Miete oder Abzahlung eines Eigenheims. Bei vielen sind auch hohe Ersparnisse vorhanden. Ein Viertel der jüngeren Senioren erwartet laut Umfrage, dass sich die finanzielle Lage in den kommenden Jahren durch Erbschaft oder Auszahlung einer Lebensversicherung noch verbessern wird.

Bei den Kunden jenseits der 50, die Fleißner und andere trendbewusste Handwerker anvisieren, kommen also mehrere Faktoren zusammen: ein gefülltes Portemonnaie und der Wunsch, sein Geld für die Annehmlichkeiten des Lebens auszugeben. Ebenso eine gewisse Lebenserfahrung, die dazu führt, dass sich die Generation 50 plus nicht einfach alles verkaufen lässt. Und ein volkswirtschaftliches Interesse daran, dass die „Silberlocken“ ihr Leben selbst gestalten, ihre Gesundheit selbst erhalten und sich ihren Alltag durch entsprechende Investitionen komfortabel einrichten.

Davon profitieren nicht nur die Fachleute vom Bau- und Ausbau, sondern alle Handwerker, die sich die Mühe machen, ihr Angebot seniorengerecht zu präsentieren. Dazu gehören Hausbesuche, Preislisten in größerer Schrift, klare Erklärungen von Produkten und Dienstleistungen. Naheliegend, dass Optiker und Orthopädiehandwerker schon allein davon profitieren, dass ihre ältere Kundschaft nicht mit dem Kassenmodell zufrieden ist. Aber auch Friseure, Bäcker und Fleischer können ihre Dienstleistungen und Produkte seniorenfreundlich gestalten: durch barrierefreie Zugänge, leicht erreichbare Regale oder kleinere Portionen beispielsweise.

Die Bau- und Ausbauhandwerker setzen auch darauf, dass jüngere Menschen ihr Häuschen altersgerecht planen und Ältere es nachrüsten. Dazu gehören etwa ein Bad ohne Stolperfallen, breite Türen, durch die auch ein Rollstuhl passt, Lichtschalter mit Fernbedienung oder auch ein TV-Anschluss im Schlafzimmer. „Brauchen wir nicht,“ hört Elektromeister Fleißner hier oft. „Aber was ist, wenn sich mal einer ein Bein bricht oder aus anderen Gründen das Bett hüten muss?“, antwortet er in solchen Fällen.

Einfühlsame Frauen

Noch weiter gehen Architekten, die beispielsweise die übliche Raumaufteilung umkehren: Da finden sich die Schlaf- und Sanitärräume leicht zugänglich im Erdgeschoss, während im ersten Stock die Wohnräume platziert werden, die man später in separate Einheiten umwidmen kann. Und die Einbauküche ist so konzipiert, dass sich Schränke und Arbeitsplatten später auf Rollstuhl- oder Sesselhöhe absenken lassen.

Bärbel Rumohr hat entdeckt, dass sich in den neuen Markt besonders Frauen gut einfühlen können. Die Frau eines Malermeisters in Krefeld hat ebenfalls das Zertifikat „Seniorenfreundlich plus“ erworben. Die 45-Jährige sieht in der Beratung von älteren oder altersbewussten Kunden eine Chance, dass Handwerkerfrauen, die sonst dem Beruf ihres Mannes eher fern stehen, sich hier positiv „einmischen“ können. „Nicht umsonst sind in den sozialen Berufen größtenteils Frauen beschäftigt“, so die gelernte Gärtnerin, „die haben einfach ein besseres Händchen und mehr Interesse an den sogenannten weichen Faktoren.“ Bärbel Rumohr hat in der Weiterbildung viel über verschiedene, altersbedingte Krankheiten gelernt und wie man mit ihnen im Alltag umgeht. Sie möchte die Kunden vor allem dafür sensibilisieren, barrierefreie Einrichtungen wie das Verlegen von Steckdosen von der Bück- zur Greifhöhe frühzeitig anzugehen am besten zusammen mit ohnehin anstehenden Renovierungen: „Wenn man erst mal ein Pflegefall ist, dann hat man weiß Gott andere Sorgen, als sich um den Umbau der Wohnung zu kümmern.“

Barrierefrei und seniorengerecht bauen dafür bekommt man ab 2009 sogar Unterstützung von der KfW-Bank. Das dafür zuständige Bundesministerium hat 50 Millionen Euro für Maßnahmen zur Verfügung gestellt, die von der flexiblen Raumaufteilung bis zur komfortablen Badeinrichtung reichen. Ähnlich wie das Thema „Energiesparen“ wird damit auch der Zukunftstrend „Seniorengerecht und barrierefrei“ durch staatliche Unterstützung angekurbelt.

Die Thematik betrifft alle Gewerke, vom Tourismus bis zu den öffentlichen Verkehrsräumen. Dies demonstriert eine Fachmesse, die 2008 zum ersten Mal in Augsburg stattfand und sich ausschließlich mit dem barrierefreien Leben, nicht nur für Senioren, beschäftigte. „Barrierefreiheit nützt nicht nur behinderten und älteren Menschen, sondern ebenso Eltern mit kleinen Kindern, aber auch jedem, der nur vorübergehend, zum Beispiel durch eine Sportverletzung, gehandicapt ist“, begründete Michael Pausder, Pressesprecher des VdK Bayern, das Engagement des Sozialverbands für die Fachmesse „b_free“, die auch im kommenden Herbst wieder stattfinden soll.

Supermarkt ausgezeichnet

Elektromeister Fleißner mit seinen seniorenfreundlichen Angeboten wird auch dann wieder dabei sein. Seine Initiative hat sich inzwischen über das eigene Geschäft und die Handwerkerkooperation hinaus ausgedehnt: So zeichneten die Augsburger „Seniorenhandwerker“ beispielsweise einen Supermarkt aus, der rund 15 Kriterien für eine altersgerechte Einrichtung erfüllte. Auch bei den Seniorenberatern im Landkreis ist die Initiative inzwischen bekannt. „Bisher konnten diese zwar zahlreiche Möglichkeiten aufzeigen, mit denen sich ältere Menschen das Leben leichter machen können“, so Fleißner, „doch sie hatten keine Antwort auf die Frage, wer das denn umsetzt.“

Doris Karl

reinhold.mulatz@handwerk-magazin.de