Klapprige Kisten im Wüstensand

Allgäu-Orient-Rallye In alten Autos müssen die Fahrer in zwei Wochen bis Aserbaidschan kommen, auf Land- und Nebenstraßen. Maschinenbau-Unternehmer Christian Weigele ist mit von der Partie.

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    © Wilfried Gehr
    Autobahnen und Mautstraßen sind bei der Rallye tabu. Ansonsten gilt freie Streckenwahl.
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    Stolzes Ergebnis: Christian Weigele vor den Rallye-Jeeps. handwerk magazin unterstützt den Trip.

Klapprige Kisten im Wüstensand

Würden Sie mit Ihrem alten Golf einen 5000-Kilometer-Trip in die Wüste machen? Nein? Die Teilnehmer der Allgäu-Orient-Rallye schon. In alten, teils gebrechlichen Fahrzeugen versuchen die Fahrer, in zwei Wochen von Oberstaufen über Istanbul nach Aserbaidschan zu kommen. Die Fahrzeuge müssen entweder 20 Jahre alt sein oder dürfen nicht mehr als 1111,11 Euro kosten. So mancher Wagen bleibt da auf der Strecke. Daher reicht es, wenn die Teams von drei Fahrzeugen eins über die Ziellinie bringen.

Zu den „tollkühnen Menschen in ihren klapprigen Kisten”, wie der frühere Regierungssprecher Bodo Hauser die Rallye-Teilnehmer einmal nannte, gehört auch Christian Weigele mit seinem „Team Mindeltal“. Den Geschäftsführer eines Maschinenbaubetriebs reizen gerade das Niedrigbudget-Konzept der Veranstaltung und die Gewissheit „gerade nicht genau zu wissen, was auf einen zukommt“.

Ausgleich durch Adrenalin

Extreme Hobbys entstehen oft aus extremen Situationen. Und so war es auch bei Christian Weigele: Arbeitswochen mit 80 Stunden und ein plötzliches Beziehungsaus forderten ihren Tribut. Seitdem sucht der Unternehmer seinen
Stressausgleich im Adrenalin: Vor zwei Jahren marschierte er 700 Kilometer den Jakobsweg entlang, zudem läuft er sechs bis sieben Marathons im Jahr und segelt die Küsten im Mittelmeer ab.

Für die Allgäu-Rallye haben Christian Weigele und sein Team sich einen wohltätigen Dauerlauf auferlegt: Die Mindeltaler wollen auf der Strecke Mutter-Theresa-Häuser in Ljubljana und Tiflis sowie eine Kleinstadt in Ostanatolien mit Hilfsgütern beliefern. Darüber hinaus bringt das Rallyeprogramm die Teilnehmer über verschiedene Aufgaben mit den Menschen vor Ort in Kontakt. Im letzten Jahr mussten sie mit türkischen Köchen Spätzle braten, dieses Jahr geben die 600 Rallyefahrer ein Ständchen: Sie singen und spielen mit unbekannten Musikinstrumenten ein türkisches Lied auf einer Istanbuler Stadtbrücke.

Die Instrumente werden schließlich an verschiedene Musikschulen verschenkt. Die Rallye steht unter der Schirmherrschaft des Welternährungsprogramms der Vereinten Nationen und verbindet wohltätige Zwecke mit einem außergewöhnlichen Wüstentrip. Das Rallye-Komitee hat es den Teams zudem zur Aufgabe gemacht, jeweils ein Stück Stahl mitzuführen, das türkische Gastarbeiter Anfang der Sechzigerjahre in einem deutschen Betrieb gefertigt haben. Aus den Bestandteilen will ein Künstler in Istanbul dann ein Denkmal konstruieren. „Wir wollen einen Einkaufswagen auf dem Dach transportieren“, erklärt Weigele mit schelmischem Lächeln.

Suche Fahrzeug: stabil, groß, wertlos

Welchen Wagen nimmt man am besten für solche Strapazen? Keine einfache Frage. Trotz der Rallye-Vorgaben für Wert oder Alter müssen die Autos viel Platz bieten: für Ersatzteile, Hilfsgüter und eventuell zum Schlafen. Auch sollten sie widerstandsfähig sein für schlaglöchergespickte Straßen, weil den Teilnehmern Autobahnen und Mautstraßen verboten sind. Weigele und Co. entschieden sich schließlich für drei Jeeps „Cherokee“, Baujahre um 1990: Mit Unterbodenschutz und Allradantrieb sollen die Jeeps verlässliche Begleiter in der Wüste sein.

Beim Kauf aber waren die Fahrzeuge noch in desolatem Zustand. Einer der Jeeps blieb noch auf dem Rückweg vom Verkäufer stehen. Löcher in den Außenhüllen musste das Team mit Stahlblechen provisorisch stopfen. 500 Arbeitsstunden später waren die Autos dann durch den TÜV.

Den Aufwand hat das Team nur für die zweiwöchige Tour betrieben. Am Ziel werden alle Fahrzeuge für einen guten Zweck versteigert. „Das wird schwer, die Jeeps am Schluss zurückzulassen“, sagt Christian Weigele mit wehmütigem Blick. „Wir haben uns richtig an sie gewöhnt“.

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