Kino im Wohnzimmer

Fernsehen | Die Internationale Funkausstellung in Berlin zeigt die neuesten Trends: Das Wohnzimmer wird umgekrempelt. Der klobige Kasten kommt raus, das superflache und riesengroße TFT-Panel kommt rein.

Kino im Wohnzimmer

Die Zeit des Dornröschenschlafs ist vorbei. Die deutschen Hersteller – soweit es noch welche gibt – sind aufgewacht. Sie präsentieren auf der Messe IFA in Berlin rund um die Konsumelektronik Neuheiten, die das Wort auch verdienen. Das Spektrum reicht von riesigen Flachbild- TV-Giganten über innovative Heimkinoprodukte bis zum Mobiltrend mit TV-Handys. Es kommt Bewegung in die Branche, und die Konsumenten sollen endlich aus der Kauf-Lethargie herauskommen. Tatsächlich sind die neuen Hausgeräte komfortabel, versprechen mit intelligenten Technologien höheren Nutzen und einfachere Bedienung, sie sparen Energie und geben mit eindeutigen Standards Zukunftssicherheit.

Das war nicht immer so. DIN- oder Cinch-Stecker, Betamax oder VHS-Video, das Ende von Schallplatte und Musicassetten – das alles hat verunsichert und die Konsumenten verschreckt. Jetzt ist vieles geklärt und in Standards gegossen:

Die Frage nach Analog oder Ditgital stellt sich nicht mehr wirklich. Die Unterhaltungselektronik hat sich mit der PC-Industrie arrangiert.

Das Fernsehbild wird langfristig digital und hochauflösend. Die Norm dafür ist HDMI – und das wird auf lange Sicht so bleiben.

TFT-Bildschirme lösen den Kathodenstrahler ab. Plasma-bildschirme waren also nur eine Übergangslösung und sind heute allenfalls bei Riesenformaten für beschränkte Einsatzfelder eine Alternative.

Das Videogerät wird durch Digital-Recorder mit Festplatte als Speichermedium ersetzt.

Die bisherige CD wird von Blu-Ray abgelöst. Es gibt daneben mit HD-DVD keine zweite Industrienorm.

Mit klaren Standards in allen Bereichen des Sehens und Hörens verspricht die Industrie Zukunftssicherheit. Das tut der Branche gut. Noch besser aber: Mit weniger Industrienormen schafft die Branche Klarheit, vermeidet die unsinnigen Parallelentwicklungen und reduziert die Produktionskosten. Das Ergebnis: Die Preise fallen, und das setzt eine Konsumspirale in Gang.

Blu-Ray wird billiger

Für ein Blu-Ray-Laufwerk waren vor einem Jahr noch 500 Euro zu berappen, jetzt kostet es nur noch ein Drittel. Und wer solch ein Laufwerk hat, möchte natürlich auch mehr sehen. Tatsächlich laufen in Blu-Ray-Technik aufgenommene Filme nur dann höchstauflösend, wenn HDMI und ein entsprechendes TV-Gerät dahinter stehen. Das schafft Nachfrage nach hochwertigen TV-Panels und hat wiederum zur Folge, dass die ehemalige Hi-Fi-Anlage mit einem AV-Receiver erweitert oder ganz ersetzt wird. Besser sehen schafft auch das Bedürfnis nach besserem Hörgenuss, nach neuen Lautsprechern, Headsets mit Surround-Klang oder Audiogenuss auf allen Ebenen in allen Räumen des Hauses. Kurz und gut, die Spirale ist erfolgreich in Gang gesetzt. Wer jetzt ein Teil der TV- oder Hi-Fi-Anlage durch ein Neugerät ersetzt, will bald mit allen Komponenten besser hören und sehen.

Doch wie sieht eine moderne Technik im Wohnzimmer eigentlich aus? Im Zentrum steht jetzt ein LCD-Flachbildschirm. Die Größe hängt von den Sehgewohnheiten und dem Abstand der Betrachter ab, natürlich auch von den räumlichen Restriktionen. Diagonalen von 40 bis 42 Zoll, also etwa einem Meter, sind jetzt gefragt und lassen sich wohl auch am besten im Wohnzimmer integrieren. Solche TV-Geräte sind mit den Fernsehern von einst nicht zu vergleichen. Die Bildauflösung muss „High Definition“ sein, am besten 1080p im Full-HD-Modus mit 1920 x 1080 Pixeln (was sonst noch ein zukunftssicheres TV-Gerät von einer einfachen Flimmerkiste unterscheidet, haben wir im nebenstehenden Kasten zusammengestellt). Das Bild kommt über eine HDMI-Verbindung via Kabel, Sat oder terrestrisch ins HDTV-Gerät. Für die Industrie ist der Begriff HD oder High Definition jetzt ein schlagkräftiges Zauberwort für alle Medienplattformen geworden. Zu Recht, denn nur über HD lassen sich schnelle Datenverbindungen realisieren, die bewegte Bilder in höchster Auflösung samt gutem Ton wie im Kino garantieren. Über HD laufen die Bilder vom TV-Receiver, dem Blu-Ray-Laufwerk, Camcorder oder AV-Receiver direkt auf das Display.

Langsamere Übertragungsprotokolle bedeuten weniger Qualität. Zum Vergleich: HDMI schaufelt 5 Gigabit pro Sekunde zum Flachbildschirm. Die in der Computertechnik bekannte USB-Verbindung schafft im günstigsten Fall eine Datenrate von 480 Megabit pro Sekunde zwischen zwei Geräten. Das ist also gerade mal ein Zehntel der HDMI-Leistung.

Noch wenig HDTV-Bilder

Zwar könnten die Geräte mit High Definition überragend gute Bilder ins Wohnzimmer strahlen, aber die Sendeanstalten liefern diese noch viel zu selten. Österreichische und Schweizer Sender haben bereits bei der Fußball-Europameisterschaft begonnen, HDTV-Bilder zu senden. Aber in Deutschland ist in Sachen HD zumindest beim Free-TV bislang Fehlanzeige. Die öffentlichen Anstalten wollen (oder können) erst ab Frühjahr 2010 regelmäßig in HDTV ausstrahlen. Nur teures Abo- und Bezahlfernsehen gibt es bislang hochauflösend. Diese Tatsache gibt auch dem Handel genügend Luft, ihre technisch schwachbrüstigen Ladenhüter noch an den Mann oder die Frau zu bringen. Solche Produkte heißen HD ready – ein Signum der Wirtschaft für eingeschränktes High Definition. Genau genommen sind nur der Stecker und die Buchse HDMI. Anstelle HD ready sollte das Logo HD-fähig heißen oder wegen Verbrauchertäuschung ganz abgeschafft werden. Denn HD ready arbeitet mit deutlich geringerer Auflösung (720p mit 1280 x 720 Pixel). Das ist im Vorführraum des Händlers noch nicht sichtbar, aber spätestens 2010 werden diese Geräte alt aussehen, wenn ARD und ZDF mit der HDTV-Ausstrahlung beginnen. Dabei lohnt es sich vor einer Kaufentscheidung, eine Filmsequenz in High Definition zu sehen. Es gibt sie ja, auf Blu-Ray oder im Bezahlfernsehen.

Peter Altmann

reinhold.mulatz@handwerk-magazin.de